Zeitschrift Aufsätze

Klaus-Detlev Godau-Schüttke

Von der Entnazifizierung zur Renazifizierung der Justiz in Westdeutschland


A: Zur Einführung
B: Die Institutionen und Normen der Entnazifizierung bis zum Jahre 1961
1. Die Proklamation Nr. 3 vom 20. Oktober 1945
2. Das Kontrollratsgesetz Nr. 4 vom 30. Oktober 1945
3. Die Kontrollratsdirektive Nr. 24 vom 12. Januar 1946
4. Die Kontrollratsdirektive Nr. 38 vom 12. Oktober 1946
5. Die Verordnung Nr. 110 zur Übertragung der Entnazifizierungsaufgaben auf die Regierungen der Länder vom 1. Oktober 1947
6.Das Gesetz zur Fortführung und zum Abschluss der Entnazifizierung vom 10. Februar 1948
7. Das Ende der Entnazifizierung auf Länderebene in der Bundesrepublik
8. Die Personalaktenreinigung: Die gescheiterte Entnazifizierung tilgt die Vergangenheit
9. Das 131er-Gesetz vom 11. Mai 1951: Das Ende der Entnazifizierung auf Bundesebene
10. § 116 Deutsches Richtergesetz

C: Personelle und inhaltliche Kontinuitäten: Folgen der gescheiterten Entnazifizierung der Justiz

1. Der gesellschaftspolitische Schutzschild der NS-Juristen
2. Beispiele personeller Kontinuität
3. Ein Beispiel inhaltlicher Kontinuität: Das Urteil des IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 7. Januar 1956
D: Schlussbetrachtung

A: Zur Einführung


Die Entnazifizierung der westdeutschen Justiz ist mittlerweile Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen.1 Die Geschichtswissenschaft ist einhellig der Meinung, dass die von den Westalliierten initiierte und in Angriff genommene Entnazifizierung, die dann von den deutschen Behörden zunächst weiter durchgeführt, jedoch schließlich aufgegeben wurde, als gescheitert angesehen werden muss. Eigentlicher Streitpunkt ist, ob das Scheitern der Entnazifizierung eine Renazifizierung der Justiz zur Folge hatte. Gegner dieser These wenden ein, nach 1945 seien hochrangige NS-Juristen überhaupt nicht wieder eingestellt worden, und die durchgeführte Entnazifizierung dürfe nicht isoliert betrachten werden. Parallel dazu hätten nämlich die Westalliierten eine Politik der Reeducation betrieben. Diese habe zur Integration der ehemals angepassten und opportunistisch gesinnten NS-Juristen in ein demokratisches Wertesystem geführt, zu dem sich ehemalige NS-Juristen auch bekannt hätten, die darüber hinaus ihren Beitrag zum Aufbau einer demokratischen Justiz erbracht hätten.21
Demgegenüber vertritt der Verfasser einen gegenteiligen Standpunkt.3 Darauf hinzuweisen ist, dass der Begriff Renazifizierung von dem CDU-Politiker Paul Pagel – seit September 1950 Innenminister in Schleswig-Holstein – geprägt wurde. Als in Schleswig-Holstein 1951 die damals rechtskonservative Landesregierung (CDU, FDP, DP4, BHE5) die Entnazifizierung durch ein Entnazifizierungsschlussgesetz beendete, kam es zwischen der Regierung und der Opposition (SPD) zu heftigen Diskussionen6, über die Pagel am 14. März 1951 in seinem Tagebuch notierte: 2
„Bis fast zwei Uhr haben nun die Leute geredet über das Entnazifizierungsgesetz [...].
Die Argumente der Opposition erscheinen mir weit stichhaltiger als die der Regierungsparteien. Man kann mit Recht allmählich von einer Renazifizierung sprechen. Merkwürdig, wie selbstverständlich die alten Nazis auftreten und wie feige sie im Grunde sind, wenn man ihnen hart entgegentritt.“7
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Dieser Beitrag soll nicht die sich widerstreitenden Meinungen diskutieren, sondern die These von der Renazifizierung der westdeutschen Justiz skizzenartig belegen. Daher werden zuerst die Institutionen und Normen beschrieben, die Grundlage der Entnazifizierung waren. Als Folge der gescheiterten Entnazifizierung werden dann personelle und auch inhaltliche Kontinuitäten aufgezeigt, die die Renazifizierung der westdeutschen Justiz exemplarisch veranschaulichen. Dabei werden erstmalig auch Personalakten von Bundesrichtern ausgewertet, in die der Verfasser Einblick nehmen konnte.
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B: Die Institutionen und Normen der Entnazifizierung bis zum Jahre 1961


1. Die Proklamation Nr. 3 vom 20. Oktober 19458


Die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges, die im Alliierten Kontrollrat vereidigt waren – also auch die Sowjets – stellten in dieser Proklamation mit der Überschrift „Grundsätze für die Umgestaltung der Rechtspflege“ zur Unabhängigkeit des Richters in Artikel IV Nr. 2 die Forderung auf: 5
„Der Zugang zum Richteramt steht ohne Rücksicht auf Rasse, gesellschaftliche Herkunft oder Religion, allen Personen offen, sofern sie die Grundsätze der Demokratie anerkennen. Die Beförderung des Richters erfolgt ausschließlich nach Maßgabe seiner Leistung und juristischen Befähigung.“ 6
Wie im einzelnen mit NS-Juristen zu verfahren sei, war damit aber noch nicht gesagt.
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2. Das Kontrollratsgesetz Nr. 4 vom 30. Oktober 19459

Demzufolge bestimmte der Kontrollrat mit dem Gesetz Nr. 4 – „Umgestaltung des deutschen Gerichtswesens“ – den Personenkreis, der zukünftig nicht mehr als Richter oder Staatsanwalt tätig sein durfte: 8
„Zwecks Durchführung der Umgestaltung des deutschen Gerichtswesens müssen alle früheren Mitglieder der Nazi-Partei, die sich aktiv für deren Tätigkeit eingesetzt haben, und alle anderen Personen, die an den Strafmethoden des Hitler-Regimes direkten Anteil hatten, ihres Amtes als Richter oder Staatsanwalt enthoben werden und dürfen nicht zu solchen Ämtern zugelassen werden.“ (Artikel IV des Gesetzes) 9
Damit wurde offenbar, dass die Westalliierten bereits im Oktober 1945 eine sog. Null-Lösung verworfen hatten. Eine solche Politik hatten insbesondere die Briten in Erwägung gezogen10; 10
sie hätte die Schließung der deutschen Gerichte auf zehn Jahre, die Einführung einer sog. Kolonialjustiz und die zwischenzeitliche Erziehung einer neuen Richtergeneration beinhaltet. In der damaligen sowjetischen Besatzungszone schlug man einen radikaleren Weg ein, nämlich die Entlassung aller NS-Juristen und die Einsetzung von sog. Richtern im Soforteinsatz (die keine Befähigung zum Richteramt hatten) und später von Volksrichtern.1111
Die Politik der Westalliierten verfolgte hingegen lediglich das Ziel einer personalpolitischen Säuberung; hiernach sollten nur belastete NS-Juristen beim Wiederaufbau einer demokratischen Justiz ausgeschlossen bleiben. Aber die administrative und organisatorische Durchführung dieses Ziels gestaltete sich schwierig. Wer hatte zudem als belastet zu gelten?
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3. Die Kontrollratsdirektive Nr. 24 vom 12. Januar 1946

Diese Direktive mit der Überschrift „Entfernung von Nationalsozialisten und Personen, die den Bestrebungen der Alliierten feindlich gegenüberstehen, aus Ämtern und verantwortlichen Stellungen“12 war die wichtigste Verordnung der vier Siegermächte zur Entnazifizierung. Sie bezog sich auf den eigentlichen Entnazifizierungsprozess und enthielt 99 Kategorien, die Ämter und Stellungen beschrieben, aus denen ehemalige Nationalsozialisten zu entlassen waren.1313
Die Direktive sollte vor allem den Rahmen für eine einheitliche Entnazifizierung abstecken. In dieser Phase der Entnazifizierung mussten nicht nur alle Juristen Fragebögen ausfüllen, die über ihre Vergangenheit Aufschluss geben sollten. Dass die Antworten geschönt wurden, versteht sich von selbst. Das Ziel einer individuellen Entlastung wurde außerdem durch eidesstattliche Erklärungen Dritter erreicht, die sog. „Persilscheine“, ein Begriff, der damals die Runde machte.
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4. Die Kontrollratsdirektive Nr. 38 vom 12. Oktober 1946

Die von den Siegermächten in Angriff genommene Entnazifizierung hatte schnell gezeigt, dass ein gerechtes Ergebnis in jedem Einzelfall nicht zu erzielen war. Schon deshalb lehnten immer mehr Deutsche die zum Teil chaotisch organisierte und durchgeführte Entnazifizierung ab. Dieses Stimmungsbild blieb den Alliierten nicht verborgen, die einen Weg suchten, die Entnazifizierung in geordnete Bahnen zu lenken. Dieses Ziel glaubten sie mit der Direktive Nr. 38 erreichen zu können, die vom bisher praktizierten reinen Verhaftungs- und Entlassungssystem der Direktive Nr. 24 Abstand nahm.1415
Die Direktive Nr. 38 sollte durch intensivere Beurteilung des jeweiligen Einzelfalls ausgewogenere Ergebnisse erzielen. Wichtigstes Instrument hierfür war die folgende Kategorisierung: Hauptschuldige (I), Belastete (II), Minderbelastete (III), Mitläufer (IV) und Entlastete (V).15 Sie war der letzte gemeinsame gesetzgeberische Akt des Alliierten Kontrollrats auf dem Gebiet der Entnazifizierung. Zwar hatten sich die vier Siegermächte (USA, UdSSR, Großbritannien, Frankreich) auf der vom 10. März bis zum 24. April 1947 in Moskau abgehaltenen Außenministerkonferenz noch einmal zu einer Empfehlung für den Kontrollrat durchringen können16, die jedoch in den vier Besatzungszonen nicht immer konsequent umgesetzt wurde. Sie hatte folgenden Wortlaut: 16
„Der Kontrollrat erhält Anweisung, in naher Zukunft durch die Militärbefehlshaber der Zonen zu veranlassen, dass den zuständigen deutschen Behörden mittels eines Gesetzgebungsaktes der deutschen gesetzgebenden Körperschaft die Verantwortung für die Durchführung der Kontrollratsdirektiven Nr. 24 und 38 übertragen wird, und durch die Militärbefehlshaber der Zonen sicherzustellen, dass durch diesen Gesetzgebungsakt eine einheitliche Behandlung aller früheren Nazis und Militaristen je nach dem Maße ihrer Verantwortung erzielt wird. Die Wahl der Methoden, mit denen diese Aufgabe gelöst werden soll, bleibt dem Ermessen der deutschen Behörden überlassen.“1717
Kernpunkt der Empfehlung war also, dass nunmehr die deutschen Behörden – in den vier Besatzungszonen war die Bildung der Länder mittlerweile bereits abgeschlossen – die Entnazifizierung durchführen sollten.
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5. Die Verordnung Nr. 110 zur Übertragung der Entnazifizierungsaufgaben auf die Regierungen der Länder vom 1. Oktober 194718

Die Empfehlung der Außenminister wurde in den vier Besatzungszonen unterschiedlich umgesetzt. Die Amerikaner hatten bereits am 5. März 1946 einen Sonderweg eingeschlagen. In ihrer Besatzungszone, bestehend aus den Ländern Hessen, Bayern und Württemberg-Baden, hatten an diesem Tag die jeweiligen Ministerpräsidenten das von der amerikanischen Militärregierung genehmigte „Gesetz Nr. 104 zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus“ – auch Befreiungsgesetz genannt – unterzeichnet.19 Hierdurch wurde zwar die Ausführung der Entnazifizierungspolitik den Deutschen übertragen, jedoch hatten diese nach wie vor keinen Einfluss auf den Inhalt dieser Politik selbst. 19
Die Franzosen gaben in ihrem Besatzungsgebiet (Südbaden, Rheinland-Pfalz, Württemberg-Hohenzollern) die eigentliche Entnazifizierungskompetenz nicht aus den Händen, obwohl sie diese schon früher als die Amerikaner und Briten auf die Deutschen übertragen hatten.2020
Die Russen hatten in ihrem Besatzungsgebiet (Brandenburg, Mecklenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) entsprechend der Empfehlung der Moskauer Außenministerkonferenz durch SMAD-Befehl21 Nr. 201 vom 16. August 1947 die Entnazifizierung auf die deutschen Verwaltungsorgane vorbehaltlich der russischen Genehmigung übertragen.22 Die Bestimmung in diesem SMAD-Befehl, dass innerhalb von drei Monaten „die ehemaligen aktiven Faschisten und Militaristen von allen öffentlichen und halböffentlichen Posten in den wichtigen Privatbetrieben entfernt werden“ sollten, wurde konsequent nach sowjetischer Manier ausgeführt. 21
Die Briten versuchten in ihrem Besatzungsgebiet im Einvernehmen mit den deutschen Behörden ein einheitliches deutsches Entnazifizierungsgesetz zustande zu bringen.23 Als dieser Versuch gescheitert war, ergriffen die Briten die Initiative und erließen die VO Nr. 110. 22
Wie der Name dieser Verordnung deutlicht machte, sollten nun die Länder in eigener Regie die Entnazifizierung kodifizieren und durchführen. Dabei war sicherzustellen, „dass die Entlassungen aus Ämtern und Stellungen bis 31. Dezember 1947 abgeschlossen werden“ müssten.24 Doch die Länder, die zum britischen Besatzungsgebiet gehörten (Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen), waren nicht ohne weiteres bereit, den Auflagen der Verordnung nachzukommen.2523
Nur Schleswig-Holstein war willens, durch ein Gesetz seines Parlaments die Verantwortung für die Entnazifizierung aufgrund der Verordnung Nr. 110 zu übernehmen. Die von der SPD getragene Landesregierung hatte es im Kieler Landtag auch nicht schwer, ihr Gesetzesvorhaben durchzubringen26, verfügte sie doch über die absolute Mehrheit. Am
10. Februar 1948 verabschiedete der Kieler Landtag das „Gesetz zur Fortführung und zum Abschluss der Entnazifizierung“.27
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6.Das Gesetz zur Fortführung und zum Abschluss der Entnazifizierung vom 10. Februar 1948

Der Inhalt dieses Gesetzes ist deshalb von Interesse, weil zum ersten Mal nach der Kapitulation ein deutsches Parlament – natürlich mit Genehmigung der britischen Besatzungsmacht – darüber befand, wie die zukünftige Entnazifizierung gestaltet und durchgeführt werden sollte. Dieses Gesetz diente folglich – worauf noch einzugehen sein wird – später den übrigen Landesregierungen in der Bundesrepublik als Grundlage ihrer Entnazifizierungspolitik. 25
Das Gesetz ging in § 1 von der individuellen Verantwortlichkeit des Betroffenen aus: „Äußere Merkmale, wie die Zugehörigkeit zur NSDAP [...] sind nicht entscheidend für den Grad der Verantwortlichkeit. Sie können zwar Hinweise für die Gesamthaltung sein [...]. Andererseits ist die Nichtzugehörigkeit allein nicht entscheidend für den Ausschluss der Verantwortlichkeit.“ Das Gesetz stufte die NSDAP-Mitgliedschaft in ihrer Bedeutung richtig ein. Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass nach der „Verordnung über die Vorbildung und die Laufbahn der deutschen Beamten“ vom 28. Februar 193928 alle Richter und Staatsanwälte der Partei oder einer ihrer Gliederungen angehören mussten. Andererseits darf die Nichtzugehörigkeit zur NSDAP nicht zu der falschen Schlussfolgerungen führen, es habe sich bei diesen Personen immer um Gegner des NS-Regimes gehandelt. Die Nichtzugehörigkeit zur NSDAP war nur selten auf die Überzeugung des betreffenden Staatsanwalts oder Richters zurückzuführen; Richter bzw. Staatsanwälte sind „vielfach nur deshalb nicht in die Partei eingetreten, weil sie entweder zu alt gewesen“ waren, „einer Loge angehört hatten“ oder weil „Interessenlosigkeit“ vorgelegen hatte.2926
§ 2 des Gesetzes zur Fortführung und zum Abschluss der Entnazifizierung enthielt eine der wichtigsten Regelungen: „Alle Betroffenen werden nach dem Maß ihrer Belastung in nachstehende Gruppen eingeteilt: I Hauptschuldige, II Schuldige, III Belastete, IV Mitläufer, V Entlastete.“ Die Betroffenen der Gruppen I und II durften nicht wieder als Richter oder Staatsanwalt eingestellt werden. Bei Mitläufern sah § 9 des Gesetzes vor, dass die Besoldung zeitlich oder dauernd gekürzt oder der Betroffene in ein Amt mit niedrigem Endgrundgehalt oder mit vollem oder herabgesetztem Ruhegehalt in den Ruhestand versetzt werden konnte. 27
Die wohl bedeutendste Regelung dieses Gesetzes war in § 12 Abs. 1 enthalten: „Die in Gruppe III und IV Eingereihten können von Amts wegen oder auf Antrag frühestens nach Ablauf eines Jahres erneut dahin überprüft werden, ob eine andere Einreihung erfolgen soll.“ Diese Bewährungsklausel sollte dazu dienen, das „Missverhältnis zwischen den Entscheidungen der Vergangenheit und denen der Zukunft zu beseitigen.“30 Damit war „verhüllt umschrieben“ worden, dass es vor den Ausschüssen zukünftig milder zugehen „sollte“ als unter den Briten.3128
Das Gesetz vom 10. Februar 1948 war an sich geeignet, die Entnazifizierung praktikabel zu gestalten. Die Zusammensetzung der Entnazifizierungsausschüsse und die ablehnende Haltung überwiegender Bevölkerungskreise gegenüber der Entnazifizierung ließen es jedoch zu einem Fehlschlag werden: Nur 0,5 % der Betroffenen wurden als „Schuldige“, jedoch 99,5 % als „Mitläufer“ oder „Entlastete“ eingestuft.32 Unabhängig von diesem Ergebnis erfuhr das Gesetz vom 10. Februar 1948 für den Justizbereich noch eine wichtige Einschränkung. § 11 bestimmte nämlich, dass gegen Personen, die entlastet sind, „keine Maßnahmen angeordnet“ werden durften. Im britischen Besatzungsgebiet – in den anderen westlichen Zonen verhielt es sich ähnlich – waren zwischenzeitlich aber bereits wieder Staatsanwälte und Richter durch die Briten in die Kategorie V (Entlastete) eingruppiert und auch eingestellt worden, obwohl diese Juristen als Anklagevertreter oder Richter bei den Sondergerichten des Dritten Reiches unrühmlich bekannt geworden waren.33 Nach § 11 konnten diese entlasteten und eingestellten Juristen nun nicht wieder belangt werden, auch wenn über ihre Tätigkeiten an den Sondergerichten zwischenzeitlich Erkenntnisse offenbar geworden waren. 29
Und noch eine Besonderheit, die aber nur das britische Besatzungsgebiet betraf, ist für den Justizbereich zu erwähnen. Es war die sog. Huckepack-Regel, die die Briten auf Drängen der Oberlandesgerichtspräsidenten – die bereits im Juli 1945 von der Siegermacht eingesetzt worden waren – einführten und die ab Ende Oktober 1945 bereits zur Anwendung kam.34
Sie beinhaltete, dass für jeden formell Entlasteten, der in den Justizbereich eingestellt wurde, ein formell Belasteter wieder tätig sein durfte. Festzustellen bleibt, dass bereits Ende 1945 von einer eigentlichen Entnazifizierung in der Justiz nicht mehr die Rede sein konnte.
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7. Das Ende der Entnazifizierung auf Länderebene in der Bundesrepublik

Was die britische Zone anging, weigerten sich die Landtage in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, die parlamentarische Verantwortung für die zukünftige Entnazifizierungspolitik auf der Grundlage der Verordnung Nr. 110 zu übernehmen, so dass die jeweiligen Landesregierungen mit Billigung der Briten die Entnazifizierung auf dem Verordnungswege regeln mussten.3531
Es blieb der Bundesregierung nicht verborgen, dass in den Ländern unterschiedliche inhaltliche Wege zur Beendigung der Entnazifizierung eingeschlagen wurden, und sie wollte dies nicht tatenlos hinnehmen. Ihr Ziel war eine einheitliche Entnazifizierungspolitik auch auf Länderebene. Deshalb legte auf Initiative der Bundesregierung der Bundestag am 15. Oktober 1950 Richtlinien fest, die die Länder sodann im Rahmen ihrer Abschlussgesetzgebung zur Entnazifizierung berücksichtigen sollten, was sie denn auch taten.3632
Diese Richtlinien verfolgten im Kern folgendes Ziel: „Entnazifizierungsverfahren mit dem Ziel der Einstufung in die Gruppen III, IV und V“ (Belastete, Mitläufer, Entlastete) sollten „nach dem 1.1.1951“ nicht mehr zulässig sein, wobei „anhängige Verfahren“ einzustellen waren. Und Betroffene der Gruppe I und II (Hauptschuldige und Schuldige) konnten bis zum 3. März 1951 beantragen, „in eine für sie günstigere Gruppe eingestuft zu werden, wenn die bisherige Einstufung lediglich auf Grund einer gesetzlichen Vermutung erfolgt“ war.3733
Diese Vorgaben waren nicht mehr auslegungsfähig. Die Entnazifizierung sollte also schnellstmöglich ihr Ende finden. Und die Länder folgten auch den Vorschlägen der Bundesregierung bzw. des Bundestages und erließen in den Jahren 1951 bis 1954 entsprechende Entnazifizierungsschlussgesetze.3834

8. Die Personalaktenreinigung: Die gescheiterte Entnazifizierung tilgt die Vergangenheit

Als am 17. März 1951 in Schleswig-Holstein das „Gesetz zur Beendigung der Entnazifizierung“ in Kraft trat39, ahnte noch niemand, dass im nördlichsten Bundesland die Entnazifizierung am konsequentesten beendet werden sollte. Zum einen brüstete sich der Fraktionsvorsitzende des BHE im Kieler Landtag, Alfred Gille40, dass nach diesem Gesetz „doch mit wenigen Ausnahmen alle der Gruppe V gleichzustellen“41 seien. Und zum anderen diente es als Rechtsgrundlage für zwei Erlasse vom 23. September 195242 und vom 18. Dezember 195243, wonach in der Personalakte des betreffenden Beamten, Richters oder Staatsanwalts belastende Passagen überklebt bzw. vernichtet werden konnten, indem die in Frage kommenden Blätter aus der Personalakte entfernt und beseitigt wurden. Soweit Seiten aus den Personalakten herausgenommen wurden, wurde dieser Vorgang zahlenmäßig auf einem gesonderten Verfügungsblatt vermerkt, das in der Personalakte verblieb.44
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9. Das 131er-Gesetz vom 11. Mai 1951: Das Ende der Entnazifizierung auf Bundesebene

Nachdem der erste Deutsche Bundestag am 14. August 1949 gewählt worden war, musste er sich bald mit Artikel 131 Grundgesetz befassen, der lautete: „Die Rechtsverhältnisse von Personen einschließlich der Flüchtlinge und Vertriebenen, die am 8. Mai 1945 im öffentlichen Dienste standen, aus anderen als beamten- oder tarifrechtlichen Gründen ausgeschieden sind und bisher nicht oder nicht ihrer früheren Stellung entsprechend verwendet wurden, sind durch Bundesgesetz zu regeln [...].“ 36
Im Parlamentarischen Rat war es der Beamtenlobby als einziger Gruppe der Gesellschaft gelungen, ihre Entschädigungsansprüche im Grundgesetz zu verankern.45 Die Stoßrichtung des Artikels 131 war unzweifelhaft: Die durch die Entnazifizierung aus den Ämtern entlassenen ehemaligen NS-Beamten und NS-Richter/Staatsanwälte sollten wieder einen Einstellungsanspruch erhalten. Der Bundestag handelte schnell, und seine Einigkeit in dieser Sache angesichts der in ihm vertretenen Parteien - CDU/CSU, SPD, FDP, DP, KPD, BP (Bayernpartei), ZP (Zentrumspartei), WAV (Wirtschaftliche Aufbauvereinigung), DKP/DRP (Deutsche Konservative Partei/Deutsche Reichspartei), SSW (Südschleswigscher Wählerverband)46 – überrascht noch heute. Am 10. April 1951 verabschiedete der Deutsche Bundestag bei nur zwei Enthaltungen47 das „Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen“ (das so genannte 131er-Gesetz), das am 11. Mai 1951 verkündet wurde.48 Es eröffnete allen ehemaligen Nationalsozialisten mit Ausnahme der in die Gruppen I (Hauptschuldige) und II (Schuldige) Eingestuften wieder einen Rechtsanspruch auf Einstellung. Auch ehemalige Angehörige des Sicherheitsdienstes (SD) und der Gestapo konnten sich auf dieses Gesetz berufen und hatten somit eine Chance, wieder im öffentlichen Dienst verwendet zu werden.4937
Um dem 131er-Gesetz im Bundestag eine breite Mehrheit zu sichern, hatte die aus CDU/CSU, FDP und DP gebildete Bundesregierung einen geschickten Schachzug initiiert. Nur wenige Tage vor dem 131er-Gesetz hatte der Bundestag das „Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes“ einstimmig verabschiedet und gleichzeitig mit diesem verkündet.5038
Dieses Wiedergutmachungsgesetz konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass das 131er-Gesetz Wege für ehemalige NS-Beamte und NS-Richter/NS-Staatsanwälte öffnete, die nun wieder in hohe Stellungen in der noch jungen Bundesrepublik gelangten. Dem Jargon der damaligen Zeit entsprechend machte die Wendung „Die 131er überrunden die 45er“51 die Runde.
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10. § 116 Deutsches Richtergesetz

Nach Jahren der Ruhe, in denen die Justiz – ohne Kritik von außen zu erfahren – ihrer Arbeit nachgehen konnte, wurde dieser Zustand durch die sog. Braunbücher und deren Vorläufer aus dem Osten, speziell aus der DDR, Ende der 50er Jahre empfindlich gestört.52 Der deutsche Richterbund wollte diese Störung jedoch im Ansatz zunichte machen und wandte sich an alle Ministerpräsidenten der Länder, um sie um Hilfe zu bitten: 40
„In zunehmendem Umfang werden in der deutschen Öffentlichkeit Richter und Staatsanwälte, meist unter Namensnennung, wegen ihres beruflichen Wirkens in der Zeit vor dem Zusammenbruch vor 1945 geschmäht und verleumdet. Diese Angriffe beruhen zum großen Teil auf der kritiklosen Übernahme der gesteuerten sowjetzonalen Propaganda, deren Ziel es ist, das Vertrauen in die Rechtspflege der Bundesrepublik planmäßig zu untergraben. [...] Die Staatsführung hat bei dem sorgfältigen Neuaufbau des Gerichtswesens die Richter und Staatsanwälte in ihre Ämter berufen und den Richtern die Vollmacht erteilt, im Namen des Volkes Recht zu sprechen. Der deutsche Richterbund hat das Vertrauen zur Staatsführung, dass sie sich schützend vor die Organe der Rechtspflege stellt, soweit ihnen Unrecht geschieht oder die öffentliche Meinung irregeführt wird. Wir bitten daher die Regierung [...], die nötigen Schritte zur Erhaltung des öffentlichen Vertrauens zu tun, dessen die Strafrechtspflege zum Wohle des Staatsganzen bedarf [...].“5341
Richtig war, dass die sog. Braunbücher propagandistisch aufgemacht waren. Jedoch war ihr Inhalt, wie die Forschung nunmehr ergeben hat, abgesehen von einigen inhaltlichen Fehlern im Kern richtig. Die Regierungschefs der Länder reagierten auf diese Schreiben diplomatisch, ohne dem deutschen Richterbund Versprechungen zu machen.5442
Die innenpolitische Stimmung in der Bundesrepublik zwang jedoch zum Handeln, denn die sog. Braunbücher hatten in der Öffentlichkeit für viel Aufsehen gesorgt. So suchten die politischen Parteien nach einer Lösung, um belastete Richter und Staatsanwälte wieder loszuwerden. Auf der vom 13. bis 15. Oktober 1959 in Hamburg tagenden Justizministerkonferenz vertrat der schleswig-holsteinische Justizminister Bernd Leverenz (FDP) die Meinung, es habe auch „aufrechte Richter am Volksgerichtshof gegeben.“ Der hessische Ministerpräsident und Justizminister Georg August Zinn konterte: „Der Volksgerichtshof sei von Anfang an eine Unrechtsinstitution des Dritten Reiches gewesen. Wer dabei mitgewirkt habe, könne grundsätzlich nicht in der Justiz verwandt werden.“55 Bei diesen entgegengesetzten Auffassungen war es schwierig, eine gemeinsame gesetzliche Regelung zu finden, um belasteten Richtern und Staatsanwälten den Weg in die frühzeitige Pensionierung zu eröffnen. 43
Unabhängig von diesen politischen Bemühungen fand im Frühjahr 1960 auf Bundes- und Länderebene eine Überprüfung statt, die die Tätigkeit der Richter und Staatsanwälte am Volksgerichtshof und an den Sondergerichten zum Inhalt hatte. 44
Nach langen Verhandlungen zwischen den Ländern einerseits und zwischen den Ländern und der Bundesregierung andererseits wurde das Deutsche Richtergesetz um einen Paragrafen ergänzt, nämlich um § 116. Und dieser bestimmte: „Ein Richter oder Staatsanwalt, der in der Zeit vom 1. September 1939 bis zum 9. Mai 1945 als Richter oder Staatsanwalt in der Strafrechtspflege mitgewirkt hat, kann auf seinen Antrag in den Ruhestand versetzt werden.“ Der entsprechende Antrag konnte nur bis zum 30. Juni 1962 gestellt werden. Auffallend ist, dass diese Regelung nur Staatsanwälte und Richter in der Strafrechtspflege, nicht aber in der NS-Ziviljustiz betraf. Wenn die Voraussetzungen des § 116 vorlagen, brauchte der Antrag nicht näher begründet zu werden. Von dieser goldenen Brücke, die den frühzeitigen Ruhestand bei voller Pension ermöglichte, machten nur 149 Richter und Staatsanwälte von den damals in der Bundesrepublik amtierenden ca. 15.000 Richtern und Staatsanwälten Gebrauch.5645
Damit konnte die Justiz in der Bundesrepublik noch nicht als „gereinigt“ angesehen werden. Denn längst nicht alle, die es nötig gehabt hätten, hatten ihren Dienst quittiert. Die Hoffnung, die der Deutsche Bundestag mit dieser Regelung verbunden hatte, war damit nur zu einem sehr geringen Teil in Erfüllung gegangen. In einer Entschließung vom 14. Juni 1961 tat der Bundestag seinen Willen kund: Das Deutsche Richtergesetz solle „einen neuen Anfang machen.“ Man erwarte, dass „jeder Richter und Staatsanwalt, der wegen seiner Mitwirkung an Todesurteilen mit begründeten Vorwürfen rechnen muß, sich seiner Pflicht bewußt wird, jetzt aus dem Dienst auszuscheiden, um die klare Trennung zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart zu sichern. Die rechtsstaatliche Justiz kann sich um der Glaubwürdigkeit der Justiz der neuen Ordnung des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats willen unter keinen Umständen mit den Verfehlungen der nationalsozialistischen Zeit in Verbindung bringen lassen.“57 Dieser Appell blieb ohne nachhaltigen Widerhall.
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C: Personelle und inhaltliche Kontinuitäten:
Folgen der gescheiterten Entnazifizierung der Justiz

1. Der gesellschaftspolitische Schutzschild der NS-Juristen

Dass die Entnazifizierung 1951 auf Länder- und Bundesebene ihr endgültiges Ende fand, wurde von breitesten Bevölkerungskreisen gutgeheißen.58 Kein ernstzunehmender Politiker in der Bundesrepublik lehnte zum Zeitpunkt der Verabschiedung des 131er-Gesetzes die Notwendigkeit einer Integration der Mitläufer des NS-Regimes ab. Selbst Eugen Kogon, der im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert gewesen war und der nach 1945 in linksliberalen Kreisen hohes Ansehen genoss, meinte, man könne Mitläufer nur töten oder für die Demokratie gewinnen.59 Und auch die SPD, von deren Mitgliedern nicht wenige Verfolgte des Naziregimes gewesen waren, begrüßte das Bemühen um ein Ende der Entnazifizierung. Fritz Erler, einer der bekanntesten SPD-Politiker der 50er und 60er Jahre, trat im Frühjahr 1950 dafür ein, einen „Schlussstrich unter das ganze Kapitel der politischen Säuberung“60 zu ziehen. Dabei war er sich der mit dieser Forderung verbundenen Gefahren bewusst, die er auch benannte: Es müssten Vorkehrungen getroffen werden, damit dieser Schlussstrich „nicht gleichzeitig zu einer Renazifizierung“ werde. 47
Nicht nur das 131er-Gesetz und die entsprechenden Entnazifizierungsschlussgesetze der Länder, sondern auch diese Stimmungslage in der Bevölkerung und bei den Politikern bildete einen Schutzschild für die ehemaligen NS-Juristen. Hatten diese sich noch in den ersten Nachkriegsjahren sozusagen in Deckung gehalten, erhoben sie nunmehr wieder ihr Wort und schönten ihre Vergangenheit. 48
In diesem Sinne ist Fritz Hartung zu erwähnen, der von 1930 bis zur Kapitulation dem 3. Strafsenat des Reichsgerichts unter der Leitung des Reichsgerichtspräsidenten Erwin Bumke61 angehörte. In dieser Funktion hatte Hartung auch die „Rassenschande“-Rechtssprechung des 3. Strafsenats mit zu verantworten.62 Dennoch scheute er sich nach 1945 nicht, die These zu vertreten, unter der Leitung des Reichsgerichtspräsidenten Bumke habe der 3. Strafsenat Schlimmeres verhütet.63 Seine Lebenserinnerungen unter dem Titel „Jurist unter vier Reichen“64 erschienen 1971; darin bezieht der 1884 geborene Hartung die Bundesrepublik quasi als viertes Reich mit ein. Seine Lebenserinnerungen entlarven ihn als jemanden, der die Realitäten der Vergangenheit nicht zur Kenntnis nehmen wollte. Auch er – und dies sollte wohl mit der Formulierung „unter vier Reichen“ zum Ausdruck gebracht werden – sah sich lediglich als Diener des Rechts, der stets dem gesetzten Recht oberste Priorität eingeräumt habe.65 Dass die These grob falsch war, wird durch die Rechtsprechung des 3. Strafsenats des Reichsgerichts in sog. Rasseschandefällen deutlich, die Hartung ja mit zu verantworten hatte. Ohne durch das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“, das am 15. September 1935 in Kraft getreten war66, vom Wortlaut her dazu gezwungen gewesen zu sein, hatte der 3. Strafsenat dieses Gesetz extensiv ausgelegt.67 Hartungs Vergangenheit mag der Grund dafür gewesen sein, dass er nicht mehr Mitglied des im Oktober 1950 gegründeten Bundesgerichtshofes wurde.6849
Auch der Militärstrafrechtler Prof. Dr. Erich Schwinge, selbst Heeresrichter während des Dritten Reiches69, versuchte, die ehemaligen NS-Juristen durch einen apologetischen Schutzschild in einem besseren Licht erscheinen zu lassen. Er stellte die Militärgerichtsbarkeit als Hort der Gerechtigkeit dar. Wissenschaftlich waren seine Ausführungen nicht haltbar, so dass das Institut für Zeitgeschichte in München die Veröffentlichung einer von ihm gefertigten Abhandlung über die Militärgerichtsbarkeit des Dritten Reiches entgegen der ursprünglichen Planung ablehnte.7050
Auch der erste Präsident des Bundesgerichtshofes, Hermann Weinkauff, der von 1937 bis 1945 dem Reichsgericht angehört hatte71, war einer von denen, die ein geistiges Fundament aufzubauen verstanden, um ihr vergangenes Tun als schlichten Dienst an der Gerechtigkeit darzustellen. So kann es nicht überraschen, dass Weinkauff in einer Rede am 2. Oktober 1954 anlässlich der Feier „75 Jahre Reichsgericht“ teilweise unkritisch und auch historisch verzerrend ausführte: 51
„Durchaus kennzeichnend war, daß die Mitglieder des Reichsgerichts im allgemeinen nicht nur sog. gute Juristen waren, [...] sondern in aller Regel auch selbständige, eigenwillige Persönlichkeiten von oft hohem menschlichen Range, von umfassender, oft sogar musischer Bildung. Den Typus des engen Fachmannes fand man fast nie unter ihnen [...]. Daß dann der Nationalsozialismus den Versuch machte, das Reichsgericht durch seine Personalpolitik und durch seinen Terror politisch, menschlich und rechtlich zu zersetzen, daß ihm dieser Versuch teilweise gelang [...] und daß ihm auch das teilweise gelang, daß schwere Schatten auf die Rechtsprechung dieser Gremien fielen, daß damals ein unerhörter Druck und die schimpflichsten Spitzelmethoden auf dem Gericht lasteten, daß sich in ihm eine lähmende Atmosphäre der Furcht, des Misstrauens, der Erbitterung, ja der Verzweiflung ausbreitete, das alles ist bekannt. [...] Zwar ergingen weitaus die meisten Entscheidungen auch jetzt noch in dem alten ehrenhaften richterlichen Geist [...]. Nichts aber wäre falscher und ungerechter, als dem heute in der Haltung eines billigen Pharisäismus gegenüberzutreten. Hier gilt vielmehr das Wort: ‚Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.‘ Vor allem aber gilt es zu erkennen, wie das kam und dafür zu sorgen, daß es nicht mehr kommen kann.“7252
Mit diesen Worten waren die Juristenkreise einverstanden. Die Vergangenheit sollte endgültig ad acta gelegt werden. Weinkauff ist damit Protagonist für die These, dass die Justiz und der Nationalsozialismus als getrennte Phänomene einander gegenüberstanden und die Justiz im „Dritten Reich“ Opfer der rechtsfeindlichen politischen Führung war.73
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2. Beispiele personeller Kontinuität

Die gescheiterte Entnazifizierung gab den ehemaligen NS-Juristen, wenn sie es denn wollten, wieder die Möglichkeit einer neuen Karriere. Am Beispiel Schleswig-Holsteins74 kann anschaulich dargestellt werden75, welche Konsequenzen die gescheiterte Entnazifizierung hatte. 54
Von den nach 1945 zur Verfügung stehenden 22 Richtern und Staatsanwälten des Sondergerichts Kiel waren bereits 1951 21 wieder in Amt und Würden, also 95 %.76 Aus
den Reihen dieser Juristen gingen schließlich ein Landgerichtspräsident, ein Leitender Oberstaatsanwalt, ein Senatspräsident, vier Vorsitzende Richter, vier Oberstaatsanwälte, ein Richter am Oberlandesgericht und ein Aufsichtsführender Richter hervor. Mithin gelangten zwei Drittel der weiterbeschäftigten Richter und Staatsanwälte des ehemaligen Sondergerichts Kiel nach 1945 sogar in Beförderungsstellen.77 Schleswig-Holstein stellte insofern keinen Sonderfall dar, denn auch in den anderen Bundesländern waren diese Personalstrukturen in der Justiz festzustellen.78
55
Auf Bundesebene hätte an sich der im Oktober 1950 gegründete Bundesgerichtshof hinsichtlich seiner Personalstruktur das öffentliche Interesse auf sich ziehen müssen, doch wurden mögliche personelle Kontinuitäten zunächst nicht hinterfragt. Zwar wurden durch die bereits erwähnten sog. Braunbücher Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre Karrieren von NS-Juristen bekannt, die nach 1945 wieder in hohe Ämter gelangt waren79; der Bundesgerichtshof blieb dabei aber auffallender Weise im wesentlichen von Kritik ausgespart.80 Auch die etablierten Historiker an den Universitäten griffen dieses Thema in jenen Jahren nicht auf. Lediglich der Privatforscher Wolfgang Koppel wies 1963 auf personelle Kontinuitäten am Bundesgerichtshof hin.81 Hiernach blieb dieser Umstand für Jahre unerwähnt. 56
Helmut Kramer war es dann, der sich dieser Frage 1985 wieder annahm und dabei vor einer Namensnennung nicht zurückschreckte.82 Als Ingo Müller 1987 seine Abhandlung „Furchtbare Juristen“83 veröffentlichte, wurde die personelle Vergangenheit des Bundesgerichtshofes einem breiten Publikum bekannt. Kramer und Müller sorgten mit dafür, dass die NS-Justiz in der Wissenschaft nicht mehr unbeachtet blieb; allerdings war es beiden noch verwehrt, in Personalakten ehemaliger Bundesrichter Einsicht zu nehmen. Erst im Jahre 2000/2001 konnten derartige Quellen im Bundesarchiv Koblenz zum Teil vom Verfasser ausgewertet werden.8457
Beispielhaft soll hier die Personalstruktur des IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes untersucht werden, da dieser am 7. Januar 1956 ein Urteil verkündete, auf das später noch eingegangen werden wird. Der Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofes für das Jahr 1955 wies für den IV. Zivilsenat (Stand vom 12. Januar 1955) eine Besetzung von acht Richtern einschließlich des Vorsitzenden aus.8558
Vorsitzender dieses Senats war seit dem 28. Januar 1953 der am 19. Januar 1890 geborene Guido Schmidt, der aus Schleswig-Holstein kam.86 Er wurde am 25. Juli 1950 vom schleswig-holsteinischen Justizminister Rudolf Katz zum Bundesrichter vorgeschlagen. Katz87, der als Jude und Sozialdemokrat Deutschland 1933 verlassen musste, kehrte 1946
in seine Heimatstadt (Hamburg-Altona) zurück. Von 1947 bis 1950 war er in der von den Sozialdemokraten allein getragenen Regierung Justizminister in Schleswig-Holstein. Er war damit für die Personalpolitik in der Justiz verantwortlich. Katz stellte zum Teil auch schwerst belastete NS-Staatsanwälte und NS-Richter wieder ein, so dass diesen eine zweite berufliche Karriere offen stand. Er glaubte an die Integration der NS-Juristen.
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Guido Schmidt, der über gute Examensnoten verfügte, war von 1932 bis 1945 Oberlandesgerichtsrat in Schleswig-Holstein.88 Ab 1. Mai 1937 trat er der NSDAP bei. Diesen Umstand ließ Katz in seinem Vorschlagsbericht nicht unerwähnt, sondern kommentierte diesen in der ihm eigenen Art: „Schmidt hat dem Nationalsozialismus ablehnend gegenübergestanden. Er ist lediglich, wie die überwiegende Mehrzahl der Richter, der NSDAP und zwar erst im Jahre 1937, als Mitglied beigetreten.“ Am 3. Januar 1951 wurde Schmidt Bundesrichter; am 16. Januar 1953 wurde er zum Senatspräsidenten am Bundesgerichtshof ernannt. 60
Stellvertretender Vorsitzender des IV. Zivilsenats war Walther Ascher89, der am 16. Juni 1933 aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 193390 als Amtsgerichtsrat in den Ruhestand versetzt wurde, weil er nach damaliger Auffassung als Volljude galt.91 Ascher, der keiner Partei angehörte, hatte vor der sog. Machtergreifung im Jahre 1933 die SPD gewählt. Nachdem er seinen Beruf verloren hatte, wanderte er nach Palästina aus, wo er sich als Rechtsanwalt durchschlug. Ascher – am 21. Juni 1900 geboren – galt nach 1945 als rassisch Verfolgter. Doch dieser Umstand beeinflusste seinen beruflichen Werdegang nach 1945 nur mittelbar, hatte er doch beide juristische Staatsexamen mit gut abgelegt. Und seine juristischen Fähigkeiten wollte er nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wieder in seiner Heimat anwenden. So entschloss er sich zur Remigration; am 1. Juli 1947 wurde er sog. beauftragter Richter am Landgericht Darmstadt, hatte also keine Planstelle inne. 61
Remigranten wie er waren bezüglich ihrer beruflichen Integration bzw. ihres beruflichen Aufstiegs in einer günstigen Lage, wenn sich Fürsprecher ihrer annahmen. Das war auch bei Ascher der Fall; es handelte sich um Karl Kanka, der Rechtsanwalt und Notar in Hessen war. Von 1946 bis 1958 fungierte er als stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion im hessischen Landtag.92 Kanka kannte damit den amtierenden hessischen Justizminister, Georg August Zinn (SPD)93, an den er sich am 6. August 1947 schriftlich wandte. Dabei hob Kanka hervor, dass er Ascher bereits vor 1933 kennen gelernt habe; er bat Zinn, dafür zu sorgen, „daß man einen Mann wie Ascher mindestens in die Stelle bringen“ müsse, „die er erreicht hätte, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre’“. 62
Zinn reagierte sofort; dies verwundert nicht, war er doch von seiner gesellschaftspolitischen Einstellung her bestrebt, Juristen wie Ascher für den Aufbau einer demokratischen Justiz zu gewinnen. Zinn, der 1919 mit 18 Jahren der SPD beitrat, blieb seiner politischen Überzeugung auch während des Dritten Reiches treu. 1933 wurde er für drei Monate von den Nationalsozialisten in „Schutzhaft“ genommen. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, sich 1933/1934 einer Widerstandsgruppe anzuschließen. Von 1941 bis 1945 war er als Feldwebel Kriegsteilnehmer. Nach der Kapitulation wurde er, der seit 1931 Rechtsanwalt war, in Hessen Justizminister (1945 – 1949). Im Dezember 1950 wählte ihn
der hessische Landtag zum Ministerpräsidenten; diese Position hatte er bis 1969 inne. Gleichzeitig behielt er das Amt des Justizministers (1951 – 1963).94
63
Im Parlamentarischen Rat (1948/1949) saß Zinn dem Ausschuss Verfassungsgerichtshof und Rechtspflege vor. Schon hier machte er deutlich, welchen Rang er der zukünftigen Richterschaft in einer demokratischen Justiz verleihen wollte: Der besondere „Charakter der Richter als der Repräsentanten der dritten staatlichen Gewalt, eben der Rechtsprechung“, sollte „deutlich“95 herausgestellt werden. 64
Während seiner ersten Amtszeit als hessischer Justizminister arbeitete Zinn mit einem Amtschef zusammen, der 1935 aufgrund der nationalsozialistischen Rassengesetzgebung als „Halbjude“ galt, so dass dieser 1935 seine Posten im Reichswirtschaftsministerium verlor.
Es war Walter Strauß (CDU), 1945 in Berlin Mitbegründer der CDU und 1946/1947 unter Zinn Staatssekretär im hessischen Justizministerium.96
65
Ob Strauß dieselbe Personalpolitik verfolgte wie sein Minister, erscheint fraglich. Zweifel sind deshalb angebracht, wenn seine rechtspolitische Einordnung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes betrachtet wird. Als am 2. Oktober 1954 im Bundesgerichtshof eine Feier anlässlich der 75. Wiederkehr des Reichsgerichts-Gründungstages abgehalten wurde, übersandte Strauß – seit 1949 Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz unter der Leitung von Thomas Dehler (FDP)97 – die Grüße der Bundesregierung. Die zwielichtige und verhängnisvolle Rolle des Reichsgerichts in den Jahren 1933 bis 1945 bewusst herunterspielend, führte Strauß aus: 66
„Sie feiern heute nicht den 75. Geburtstag eines vergangenen Gerichts [...], nein, Sie feiern die 75. Wiederkehr des Gründungstages Ihres eigenen Gerichts. Jedenfalls nach der Auffassung derjenigen von uns, die an den [...] Gesetzgebungsarbeiten 1949/1950 beteiligt waren, wurde am 1. Oktober 1950 (Eröffnung des Bundesgerichtshofes) das Reichsgericht wiedereröffnet. [...]. Genau so, wie unsere Bundesrepublik keine Neugründung, sondern eine nicht nur historische, sondern unmittelbar rechtliche Fortsetzung des Deutschen Reiches darstellt, [...], so sehen wir den BGH nicht als eine rechtshistorische Fortsetzung des RG an, sondern betrachten ihn als identisch mit dem RG. Die fünf Jahre 1945 bis 1950 bedeuten demgegenüber nur ein tragisches Justitium.“9867
Die anwesenden Bundesrichter, darunter auch ehemalige Reichsgerichtsräte, werden diese Worte mit Wohlwollen aufgenommen haben. War sich Strauß als rassisch Verfolgter des Nazi-Regimes eigentlich bewusst, was er der Festgemeinde mitgeteilt hatte? War doch das Reichsgericht auch verantwortlich für die extensive Auslegung der Rassengesetzgebung der Nationalsozialisten.9968
Ob Strauß daher angesichts seiner rechtspolitischen Einstellung überhaupt daran interessiert war, einen Juristen mit einer Vergangenheit, wie sie Ascher aufwies, wiedereinzustellen, muss bezweifelt werden. Musste Strauß doch befürchten, dass Ascher eine kritischere Meinung über das Reichsgericht als er vertrat und damit ein neuer Geist in den Bundesgerichtshof Einzug hielt. 69
Ascher hatte jedenfalls einen anderen Förderer im hessischen Justizministerium, der mit Minister Zinn in der Personalpolitik einig war. Es war der Personalreferent Puttfarcken.100
Er war vor 1945 Amtsgerichtsrat gewesen. Da seine Ehefrau nach nationalsozialistischer Festlegung jüdischer Abstammung war, konnte er nur mit Unterstützung einflussreicher Helfer in der Justiz im Amt bleiben.
70
Die Tatsache, dass nach 1945 Zinn und Puttfarcken über die Einstellung bei den Gerichten und den Staatsanwaltschaften zu entscheiden hatten, war damit nicht nur für Ascher ein Glücksfall. Somit ist es nicht verwunderlich, dass Zinn auf die Eingabe von Rechtsanwalt Kanka umgehend reagierte und zusammen mit Puttfarcken letztlich dafür sorgte, dass Ascher am 11. Oktober 1950 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofes, Hermann Weinkauff, auf sein neues Amt als Bundesrichter vereidigt wurde. Weinkauff, der von 1937 bis 1945 als Reichsgerichtsrat am Reichsgericht gewirkt hatte101, war damit sozusagen Chef eines rassisch Verfolgten des Nazi-Regimes, der mit dem Leben davon gekommen war. 71
Ascher machte am Bundesgerichtshof Karriere; am 15. Februar 1958 wurde er auf Vorschlag des Bundesministers der Justiz – Fritz Schäffer (CSU) - zum Senatspräsidenten am Bundesgerichtshof ernannt. Er übernahm als Nachfolger von Guido Schmidt den Vorsitz des IV. Zivilsenats und blieb bis Ende 1967 im Amt; er wurde einer der dienstältesten Richter am Bundesgerichtshof. 72
Bundesrichter Fritz von Werner war seit dem 17. November 1951 ebenfalls Mitglied dieses Senats.102 Als Sohn eines Generalleutnants war es für ihn – geboren am 11. Dezember 1897 – selbstverständlich, sich auch militärisch zu betätigen, wenn auch nicht als Berufsoffizier. An beiden Weltkriegen nahm er als Offizier der Reserve teil. Von Werner, der nie Mitglied der NSDAP war, schlug nach gutem Assessorexamen 1922 die Rechtsanwaltslaufbahn ein.103 Er wurde Mitglied einer Sozietät in Berlin, deren übrige Mitglieder nach der Machtergreifung 1933 von den Nationalsozialisten aus rassischen Gründen verfolgt wurden. Es handelte sich um die Brüder Bernhard und Ernst Wolff; der Letztere war bis 1933 Vorsitzender der Berliner Rechtsanwaltskammer. Da die Gebrüder Wolff als sog. „Nichtarier“ galten, entzogen die Nationalsozialisten 1935 ihnen zunächst das Notariat und 1938 die Rechtsanwaltzulassung. Ihrer Existenzgrundlage beraubt, emigrierten beide im Februar 1939 nach England. Von Werner verlor also seine Sozien kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. 73
Als Remigrant machte Ernst Wolff nach 1945 in Westdeutschland wieder Karriere104 und beeinflusste auch den Berufsweg von Werners. Am 29. Mai 1948 eröffneten die Briten in Köln den „Deutschen Obersten Gerichtshof für die Britische Zone“.105 Dieser war als Revisionsinstanz für die Nachprüfung von Rechtsfragen zuständig, die ihm von den Oberlandesgerichten der britischen Zone oder einem sonstigen von der britischen Militärregierung oder mit deren Genehmigung bestimmten Gericht unterbreitet wurden.106 Präsident dieses Gerichtshofes wurde am 21. Februar 1949 Ernst Wolff. 74
Als der Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht in der Phase ihrer Gründung waren, war Ernst Wolff als Präsident beider Gerichte im Gespräch. Thomas Dehler als Bundesminister der Justiz hatte Wolff als Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts ausersehen. So ließ er über seinen Staatssekretär Walter Strauß, der mit Wolff gut bekannt war, zu diesem diskret Kontakt aufnehmen. Und Wolff willigte auch ein, das Präsidentenamt am Bundesverfassungsgericht zu übernehmen. Doch die CDU konnte sich für Wolff nicht erwärmen.10775
Was den Bundesgerichtshof anging, so hatte Dehler von Anfang an einen Favoriten für das Präsidentenamt.108 Es war der bereits erwähnte Hermann Weinkauff.109 Im Bundeskabinett wurde aber auch Ernst Wolff als Präsident diskutiert. Doch Adenauer entschied sich für Weinkauff, woraufhin das Bundeskabinett am 20. September 1950 dieser Personalentscheidung zustimmte, die eine Kontroverse zwischen Dehler und der SPD auslöste, hatte die SPD doch Wolff als Präsident des Bundesgerichtshofes favorisiert. 76
Ernst Wolff als Präsident des Obersten Gerichtshofes für die Britische Zone lernte von Werner 1949 kennen, als dieser Richter an diesem Gerichtshof wurde.110 Und als sich abzeichnete, dass dieser Gerichtshof aufgrund der Errichtung des Bundesgerichtshofes seinen Zweck erfüllt hatte, war es Wolff, der sich bemühte, „seine“ Richter am neuen Gerichtshof unterzubringen.111 Wolff, der ja über gute Beziehungen zu Walter Strauß – Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz – verfügte, brachte denn auch von Werner erfolgreich ins Gespräch. Am 1. September 1950 unterbreitete Thomas Dehler dem Richterwahlausschuss den Vorschlag, von Werner zum Bundesrichter zu wählen. Doch die Wahl zog sich hin, denn Weinkauff fand keinen Gefallen an dieser in Aussicht genommenen Personalentscheidung. Obwohl von Werner als ein „ausgezeichneter Jurist mit sehr gutem Judiz“ galt, holte Weinkauff dennoch Informationen über ihn ein, die aber nichts Negatives über von Werner beinhalteten. 77
An der persönlichen und fachlichen Eignung von Werners konnte damit nichts ausgesetzt werden. Allerdings hatte das Bundesministerium der Justiz in seinem Vorschlagsbericht über die Fähigkeiten von Werners ausgeführt: „Für den Bundesgerichtshof wird ein Richter mit besonderen Erfahrungen auf dem Gebiet des Landwirtschaftsrechts [...] schwerlich entbehrt werden.“ Von Werner galt als Experte im Landwirtschaftsrecht. Ob dieser Umstand für Weinkauff der Grund war, die Berufung von Werner zum Bundesrichter zu hintertreiben, erscheint fraglich. Wahrscheinlicher ist, dass ihm die Personalpolitik Wolffs widerstrebte. Und menschliche Animositäten werden beiden Antipoden nicht fremd gewesen sein. Wolff als rassisch Verfolgter und Remigrant mit demokratischer Vergangenheit war das genaue Gegenteil von Weinkauff. Dieser, obwohl kein Mitglied der NSDAP, hatte bis 1945 den Nationalsozialisten als Richter gedient. 78
Nachdem an der Qualifikation von Werners nicht zu zweifeln war, wandte sich Weinkauff im Sommer 1951 an den Referenten im Bundesministerium der Justiz, der für die Personalsachen des Bundesgerichtshofes zuständig war, und bat diesen, einen Zivilisten als Bundesrichter in Vorschlag zu bringen.112 Und Weinkauff schlug diesem auch sogleich zwei ehemalige Reichsgerichtsräte vor, die er gerne als Bundesrichter gesehen hätte. Beide Reichsgerichtsräte hatten seit 1939/1940 dem III. Zivilsenat des Reichsgerichts angehört.113 Da die Geschäftsverteilung des Bundesgerichtshofes im wesentlichen der des Reichsgerichts nachgebildet war, beabsichtigte Weinkauff, einen dieser ehemaligen Reichsgerichtsräte dem III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes zuteilen zu lassen, da dieser Senat der Einzige sei, „in dem kein früheres Mitglied des Reichsgerichts“ sitze.11479
Doch Weinkauffs Intervention zeigte keinen Erfolg. Weder die beiden von ihm protegierten ehemaligen Reichsgerichtsräte wurden jemals Bundesrichter, noch war von Werners Ernennung aufzuhalten. In der Kabinettssitzung am 7. November 1951 stellte Dehler den Antrag auf Billigung des Vorschlags, Werner zum Bundesrichter ernennen zu lassen. Das Bundeskabinett willigte ein115, nachdem der Richterwahlausschuss von Werner bereits gewählt hatte.116 Am 14. November 1951 wurde von Werner auf sein neues Amt vereidigt, das er bis zum 31. Dezember 1960 ausübte. 80
Dem IV. Zivilsenat gehörten folgende weitere Bundesrichter an117, deren Personalakten der Verfasser im Zeitpunkt der Abfassung diese Aufsatzes (März/April 2001) noch nicht einsehen konnte118: August Raske, geboren am 28. November 1901, der am 31. Oktober 1950 Bundesrichter wurde; zuvor war er Landgerichtspräsident in Hildesheim. Am 6. Dezember 1950 wurde Oberlandesgerichtsrat Kurt Johannsen – geboren am 14. März 1910 – Mitglied des Bundesgerichtshofes. Wilhelm Kregel, Jahrgang 1909, war Oberlandesgerichtsrat in Celle, bevor er am 16. April 1951 Bundesrichter wurde. Georg Scheffler – am 17. November 1891 in Berlin geboren – kam als Oberlandesgerichtsrat aus Düsseldorf am 9. Januar 1952 zum Bundesgerichtshof. Am 3. November 1952 wurde Kurt Wüstenberg, Jahrgang 1906, Bundesrichter; zuvor war er Oberlandesgerichtsrat in Barmberg. 81
Da die Personalakten der Vorgenannten nicht eingesehen werden konnten, muss auch ungeklärt bleiben, welche Funktionen sie als Richter oder Staatsanwalt während des „Dritten Reiches“ ausübten.
82

3. Ein Beispiel inhaltlicher Kontinuität: Das Urteil des IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes
vom 7. Januar 1956119

Diesem Urteil lag im wesentlichen der folgende Sachverhalt zugrunde: 83
Im April 1940 ordnete Himmler die Deportation von 2.500 „Zigeunern“ aus dem Grenzgebiet des Deutschen Reiches nach dem Generalgouvernement an. Einer der Betroffenen (der Kläger), der „Zigeunermischling“ war, wurde daraufhin im Mai 1940 verhaftet und mit einem Sammeltransport in ein Lager gebracht, das im Generalgouvernement lag. Dort wurde er 1945 von den Russen befreit. Der Betroffene klagte in den 50er Jahren auf eine Entschädigung nach dem Bundesentschädigungsgesetz.120 Er stützte seinen Anspruch auf § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes: „Anspruch auf Entschädigung nach diesem Gesetz hat, wer in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 (Verfolgungszeit) wegen seiner gegen den Nationalsozialismus gerichteten politischen Überzeugung, aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung (Verfolgungsgründe) durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen verfolgt worden ist und hierdurch Schaden an Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen oder in seinem beruflichen und wirtschaftlichen Fortkommen erlitten hat (Verfolgter).“ 84
In der Revisionsentscheidung vom 7. Januar 1956 verneinte der IV. Zivilsenat einen Entschädigungsanspruch mit folgender Begründung: 85
„Der Würdigung, die der Berufungsrichter dem Schnellbrief des Reichsführers SS und Chef der Deutschen Polizei vom 27.4.1940 [...] angedeihen lässt, durch den die Umsiedlung von 2.500 Zigeunern aus dem westlichen Grenzgebiet nach dem Generalgouvernement angeordnet wurde und der auch die Ausführung dieser Umsiedlung in Einzelheiten regelte, kann nicht zugestimmt werden. In dem Berufungsurteil wird diese Verfügung in die Kette der gegen die Zigeuner als Rasse getroffenen Maßnahmen gestellt, die nach Ansicht des Berufungsrichters schon mit dem Runderlass vom 8.12.1938 [...] beginnen und mit der Anordnung über die Beschäftigung von Zigeunern vom 13.3.1942 [...] fortgeführt werden, durch die die Zigeuner arbeitsrechtlich den Juden gleichgestellt werden, und die in dem berüchtigten Auschwitz-Erlaß des Reichsführers SS vom 16.12.1942 gipfelt. Faßt man zunächst den Runderlaß des Reichsführers SS und Chefs der Deutschen Polizei vom 8.12.1938 [...], dem der Berufungsrichter eine ausschlaggebende Bedeutung beimißt, ins Auge, dann läßt gerade er jedoch erkennen, daß trotz des Hervortretens rassenideologischer Gesichtspunkte nicht die Rasse als solche der Grund
für die darin getroffenen Anordnungen bildet, sondern die bereits erwähnten asozialen Eigenschaften der Zigeuner, die auch schon früher Anlaß gegeben hatten, die Angehörigen dieses Volkes besonderen Beschränkungen zu unterwerfen. Es wird einleitend nicht nur auf die rassenbiologischen Erkenntnisse, sondern auch auf die bei der Bekämpfung der Zigeunerplage gesammelten Erfahrungen hingewiesen, die es angezeigt erscheinen ließen, die Regelung der Zigeunerfrage aus dem Wesen dieser Rasse heraus in Angriff zu nehmen. Als Grund für die angeordneten Maßnahmen wird angegeben, daß die Mischlinge den größten Anteil an der Kriminalität der Zigeuner hätten, und daß andererseits die Versuche, die Zigeuner seßhaft zu machen, infolge ihres starken Wandertriebs mißlungen seien. Es sei deshalb nötig, bei der endgültigen Lösung der Zigeunerfrage die rassenreinen Zigeuner und die Mischlinge getrennt zu behandeln. Dazu sei es erforderlich, die Rassenzugehörigkeit der einzelnen im Deutschen Reich lebenden Zigeuner und der nach Zigeunerart lebenden Personen festzustellen.
86
Die in dem Erlaß vorgesehenen Maßnahmen können ihrem Wesen nach nicht als spezifisch rassenverfolgende angesehen werden, sondern halten sich noch im Rahmen polizeilicher Vorbeugungs- und Sicherungsmaßnahmen [...]. Daß die Umsiedlungsaktion rechtsstaatlichen Grundsätzen widerspricht und die Art der Durchführung als grausam unmenschlich bezeichnet werden muß, darf nicht dazu verleiten, schon aus diesem Grund in der Umsiedlungsaktion eine rassische Verfolgungsmaßnahme zu sehen. Die nationalsozialistischen Gewalthaber haben ungezählte unmenschliche Gewaltakte begangen, die die Grundsätze des Rechtsstaates außer acht ließen, die aber nicht auf den in § 1 BEG ausgeführten Gründen beruhten und deshalb keine Entschädigungsansprüche nach dem BEG für die davon Betroffenen begründen können. Die Feststellung des Berufungsrichters, daß die Umsiedlungsaktion 1940 aus Gründen der Rassenpolitik der nationalsozialistischen Gewalthaber angeordnet und durchgeführt worden ist, beruht somit auf rechtlich unzutreffenen Erwägungen. [...].“12187
Welche Richter an diesem Urteil beteiligt waren, ist angesichts seines Inhalts eine nicht zu umgehende Frage. Nach § 139 Abs. 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) waren fünf Mitglieder eines Senats einschließlich des Vorsitzenden zur Entscheidung berufen. Das Urteil vom 7. Januar 1956 unterschrieben Senatspräsident Schmidt und die Bundesrichter Ascher, Dr. Kregel, Dr. v. Werner und Wüstenberg.122 Damit war aber noch nicht gesagt, dass alle Richter für dieses Urteil gestimmt hatten. Denn nach § 196 Abs. 1 GVG brauchten die Mitglieder des Senats ein Urteil nicht einstimmig zu fällen; vielmehr konnte mit absoluter Mehrheit entschieden werden. Eine Mehrheit von 3:2 hätte damit als denkbar knappste absolute Mehrheit in diesem Fall ausgereicht. Angesichts der nach § 193 GVG vorgeschriebenen Geheimhaltungspflicht bei Beratungen und Abstimmungen lässt sich im nachhinein das Abstimmungsergebnis im Senat nicht mehr feststellen. Folglich ist nicht auszuschließen, dass Bundesrichter Ascher überstimmt wurde. 88
Diese Variante in Bezug auf die Person von Ascher zu erwägen, drängt sich wegen seines Lebenslaufs geradezu auf. Falls er allerdings als rassisch Verfolgter diese Entscheidung mitgetragen hat, was mit Gewissheit ja nicht auszuschließen ist, dann müsste die These von den „personellen und inhaltlichen Kontinuitäten als Folge der gescheiterten Entnazifizierung“ auf ihre Plausibilität hinterfragt werden. Und in diesem Zusammenhang müsste aufgrund der Tatsache, dass dieses Urteil nicht nur die Unterschrift Aschers, sondern auch die von Werners trägt – der letztere gewiss kein Nationalsozialist, wenn auch womöglich national gesinnt -, die folgende Frage gestellt und beantwortet werden: Waren ehemalige NS-Richter für Urteile dieser Art allein verantwortlich, durch die nationalsozialistisches Unrecht im nachhinein quasi bestätigt wurde? 89
Diese Frage, deren Brisanz offenkundig ist und die – falls beabsichtigt – Missverständnisse hervorrufen wird, ist jedoch – wenn überhaupt – ohne eine umfassende Untersuchung nicht zu beantworten. Allerdings verdeutlicht dieses Urteil bereits, dass die aufgezeigte Kontinuitätsthese weiterer wissenschaftlicher Diskussion bedarf. Falls Ascher für dieses Urteil gestimmt haben sollte, bliebe noch zu analysieren, auf welchen Bewusstseinsebenen
er als Richter im Rahmen seines Entscheidungsprozesses gehandelt hat.123
90
Die eine Ebene wurde ganz offensichtlich durch das rechtsstaatliche Normensystem, in diesem Fall durch das Bundesentschädigungsgesetz geprägt. Insoweit war durch eine juristische Subsumtion, also durch eine juristisch-technokratische Arbeitsweise, das klägerische Begehren zu prüfen. Doch nicht nur diese rein juristische Ebene bestimmt die richterliche Arbeit. Es gab und gibt auch die gesellschaftspolitische Ebene, die bewusst oder auch nur unbewusst die jeweilige richterliche Entscheidung mit beeinflusst. 91
Ob Ascher sich durch autoritär/nationalistische Überzeugungen bei diesem Urteil – wenn er denn dafür gestimmt haben sollte – hat leiten lassen, muss letztlich unbeantwortet bleiben. Bei seinem Lebensschicksal vermuten zu wollen, auch ihm seien – soweit „Zigeuner“ in Frage standen – rassistische Vorurteile nicht fremd gewesen, verbietet sich. 92
Allerdings trägt das Urteil vom 7. Januar 1956 seinen Namen. Und gerade Entscheidungen dieser Art mit ihrer einschlägigen Terminologie und ihrer unangemessenen, ja gefühlslosen Sprache werden zu Recht für eine sich perpetuierte nationalsozialistische/rassistische Denkweise beispielhaft zitiert.
93

D: Schlussbetrachtung

Als Hermann Weinkauff am 2. Oktober 1954 seine bereits zitierte Rede anlässlich der Feier „75 Jahre Reichsgericht“ hielt124, bestand nur wenig öffentliches Interesse an der westdeutschen Justiz. Die Bevölkerung in der noch jungen Bundesrepublik hatte andere Sorgen, als die Justiz wegen personeller und inhaltlicher Kontinuitäten zu kritisieren. Der wirtschaftliche Aufbau stand im Mittelpunkt des Interesse eines jeden einzelnen, so dass eine breite Öffentlichkeit schon angesichts Zeitmangels die Justiz und deren Wirken nicht wahrnahm. Sie musste nur funktionieren, was sie denn auch tat. 94
Auch die politischen Parteien zeigten spätestens mit der Verabschiedung des 131er-Gesetzes im April 1951 überhaupt keine Neigung mehr, die gescheiterte Entnazifizierung weiterhin kontrovers zu diskutieren. Die Justiz als dritte Staatsgewalt konnte sich damit ihren Aufgaben ungestört widmen. Diese Idylle wurde erst Ende der 50er Jahre durch die aufkommende Kritik aus dem Osten empfindlich gestört. 95
Diese sich durch Kontinuität auszeichnende Zeitspanne hatten bereits wichtige Vertreter im Parlamentarischen Rat, der sich am 1. September 1948125 konstituierte, von Anfang an für die Justiz proklamiert. Es waren dies der spätere Bundesminister der Justiz, Thomas Dehler (FDP), und sein Staatssekretär Walter Strauß (CDU). Beide waren bestrebt, durch eine Entpolitisierung der Rechtspflege einen bruchlosen Übergang von der NS-Justiz zur bundesdeutschen Justiz sicherzustellen.12696
Insbesondere Dehler stellte apodiktisch fest, der größte Teil der NS-Richter habe sich „innerlich und weitgehend auch äußerlich“ gegen „die Nazidiktatur im Rechtswesen“ gestemmt, sei „immun gegen den Nazismus“ geblieben und „seinem Gewissen“ gefolgt. Er – so Dehler weiter – wisse nicht, „ob man der (zukünftigen) Justiz damit dient, daß man sie aus der Vergangenheit her mit Mißtrauen belastet.“ Der Kern seiner historisch nicht stichhaltigen Argumentation lautete: „Man kann den deutschen Richter nicht damit belasten, daß die deutsche Politik gefehlt hat. Der deutsche Richter stand unter dem Zwang des Gesetzes. Er konnte sich dem Druck des Gesetzes nicht entziehen. Wir wollen doch nicht unsere Richter mit einer Hypothek belasten, für die sie keine Schuld tragen.“127 Walter Strauß schloss sich dieser These an, indem er meinte, die Rechtspflege werde durch die Politik gefährdet.12897
Dass die Vertreter der SPD im Parlamentarischen Rat eine andere Auffassung vertraten, verwundert nicht. Insbesondere Elisabeth Selbert129, die zukünftig die Gleichberechtigung von Frau und Mann zum Mittelpunkt ihres politischen Lebens machen sollte, und der bereits vorgestellte Georg August Zinn traten für eine andere Positionierung der zukünftigen Justiz ein. Beide forderten den politisch denkenden und handelnden, nicht aber den parteipolitisch eingestellten Richter, den sie im Grundgesetz verankert wissen wollten. Und als politischen Richter verstanden sie denjenigen Juristen, der „den Geist des Staates versteht, der sich als der Diener des Staates, als Repräsentant des Staates fühlt und der nicht hämisch über die Demokratie witzelt.“13098
Hätte die SPD diesen Standpunkt zum Inhalt ihrer Justizpolitik gemacht, dann hätte sie womöglich zukünftig konsequenter gehandelt, wäre also 1951 nicht so schnell für eine „Liquidation“131 der Entnazifizierung eingetreten. 99
Die pragmatische Politik aller Parteien führte dazu, dass eine konsequente Diskussion über die NS-Justiz mehrere Jahrzehnte lang unterblieb. Dieses Schweigen ermöglichte, ja förderte geradezu die Renazifizierung der Justiz. Allerdings nahm diese im gesellschaftlichen Kontext gesehen keine Sonderstellung ein. Alle gesellschaftlichen Gruppen profitierten von dieser Politik des Schweigens und des Verharmlosens. Und als die NS-Justiz dann zum Gegenstand öffentlicher Kritik wurde, waren die ehemaligen NS-Juristen bereits so stark in der Gesellschaft etabliert, dass eine breit angelegte Säuberung überhaupt nicht mehr politisch durchsetzbar gewesen wäre. 100

So ironisch, ja zynisch es auch sein mag, diese Entwicklung bot der Geschichtsschreibung die einmalige Chance, all das nachzuholen, was die Politik nicht gewollt hatte. Nur einen nicht zu übersehenden Nachteil hatte die wissenschaftliche Aufarbeitung dieses Themas, sie beinhaltete nämlich mehr oder weniger nur eine intellektuelle Auseinandersetzung, die zu spät kam und die letztlich keine wesentlichen gesellschaftlichen Konsequenzen, insbesondere in Juristenkreisen zeitigte. 101


Fußnoten:

1 Lutz Niethammer, Entnazifizierung in Bayern, Frankfurt/Main 1972; Justus Fürstenau, Entnazifizierung, Neuwied und Berlin 1969; Hans Wrobel, Verurteilt zur Demokratie, Heidelberg 1989; Norbert Frei, Vergangenheitspolitik, München 1996; Jörg Friedrich, Die kalte Amnestie – NS-Täter in der Bundesrepublik, Frankfurt/Main 1984; Ingo Müller, Furchtbare Juristen, München 1987; Joachim Wenzlau, Der Wiederaufbau der Justiz in Nordwestdeutschland 1945 bis 1949, Königstein/Taunus 1979; Clemens Vollnhals (Hrsg.), Entnazifizierung – Politische Säuberung und Rehabilitierung in den vier Besatzungszonen 1945 – 1949, München 1991; Martin Broszat, Siegerjustiz und strafrechtliche „Selbstreinigung“, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 1981, S. 502ff.; Klaus-Detlev Godau-Schüttke, Ich habe nur dem Recht gedient – Die „Renazifizierung“ der Schleswig-Holsteinischen Justiz nach 1945, Baden-Baden 1993.

2 So Werner Schubert in einer Besprechung über das Buch von Godau-Schüttke, Ich habe nur dem Recht gedient, in: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte, Band 119 (1994), S. 331ff.

3 Godau-Schüttke, Renazifizierung, vgl. Anm. 1; so offensichtlich auch Heinrich Rüping, Von der Aufklärung bis zur doppelten Staatsgründung, in: Studien- und Quellenbuch zur Geschichte der deutschen Strafrechtspflege (Band 2), Darmstadt 1994, S. 300: „Daß der Versuch scheitert und am Ende der Bemühungen um Entnazifizierung eine Renazifizierung sich abzeichnet [...]“. Demgegenüber scheut sich Rüping nicht, im Kapitel „Die Entnazifizierung von Recht und Justiz als Problem der Besatzungspolitik“ als Literaturquelle zu diesem Thema die Doktorarbeit von Arne Wulff („Staatssekretär Prof. Dr. Dr. h. c. Franz Schlegelberger, 1876 – 1970“) zu benennen, obwohl sich diese durch Unwissenschaftlichkeit und Apologetik auszeichnet (vgl. die Besprechung von Hans Wrobel, „Schlegelberger und seine Biographen – Kritische Anmerkungen zu zwei Sichtweisen einer Person“, in: ius commune, Zeitschrift für Europäische Rechtsgeschichte, Band XX, Sonderdruck Frankfurt am Main 1993).

4 Deutsche Partei.

5 Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten; vgl. hierzu Godau-Schüttke, Renazifizierung, S. 18ff.

6 Godau-Schüttke, Renazifizierung, S. 18f.

7 Hans-Josef Varain, Parteien und Verbände – Eine Studie über ihren Aufbau, ihre Verflechtung und ihr Wirken in Schleswig-Holstein 1945 – 1958, Köln/Opladen 1964, S. 223, Anm. 902.

8 Amtsblatt des Kontrollrats für Deutschland (1945 – 1948) Nr. 2.

9 Amtsblatt des Kontrollrats für Deutschland (1945 – 1948) Nr. 26.

Vgl. hierzu Wrobel, Verurteilt, S. 134 ff.

11 Wenzlau, Der Wiederaufbau, S. 98.

12 Fürstenau, Entnazifizierung, S. 47 m Anm. 81.

13 Fürstenau, Entnazifizierung, S. 48.

14 Fürstenau, Entnazifizierung, S. 104.

15 Vollnhals, Entnazifizierung, S. 17f.; Fürstenau , Entnazifizierung, S. 104.

16 Vgl. Fürstenau, Entnazifizierung, S. 111.

17 Wortlaut bei Fürstenau, Entnazifizierung, S. 111.

18 Amtsblatt der Militärregierung Deutschland, Britisches Kontrollgebiet, Nr. 41, S. 608ff.

19 Niethammer, Entnazifizierung in Bayern, S. 318ff; Fürstenau, Entnazifizierung, S. 69ff.

20 Fürstenau, Entnazifizierung, S. 134ff.

21 Sowjetische Militäradministration in Deutschland.

Vollnhals, Entnazifizierung, S. 206 ff.

23 Fürstenau, Entnazifizierung, S. 111ff.

24 Holger Otten, Entnazifizierung und politische Säuberung in Kiel, in: Arbeitskreis „Demokratische Geschichte“ (Hg.), Wir sind das Bauvolk - Kiel 1945 bis 1950, Kiel 1985, S. 255ff. (304); vgl. auch Fürstenau, Entnazifizierung, S. 130.

25 Die Meinungsverschiedenheiten der jeweiligen Landesregierung mit den Briten können hier nicht näher beschrieben werden, vgl. aber hierzu Fürstenau, Entnazifizierung, S. 126ff.

26 Vgl. hierzu Fürstenau, Entnazifizierung, S. 130.

27 Gesetzes- u. VO-Blatt für Schleswig-Holstein, S. 33ff.; das Gesetz trat am 15.2.1948 in Kraft.

28 RGBl. 1939 I, S. 37ff. § 2 S. 1 der VO lautete: „Die Bewerber müssen der Partei oder einer ihrer Gliederungen angehören oder angehört haben.“

29 Rudolf Wassermann, Auch die Justiz kann aus der Geschichte nicht aussteigen, Baden-Baden 1990, S. 189 m. Anm. 116.

30 Otten, Entnazifizierung, S. 306 m. Anm. 43.

31 Otten, Entnazifizierung, S. 306.

32 Otten, Entnazifizierung, S. 305.

33 Vgl. Godau-Schüttke, Renazifizierung, S. 17.

34 Wenzlau, Wiederaufbau, S. 130; Wrobel, Verurteilt, S. 146.

35 Hierzu im einzelnen Fürstenau, Entnazifizierung, S. 131ff.; nur das in der britischen Besatzungszone liegende Hamburg erließ am 10.5.1950 ein Gesetz zum Abschluss der Entnazifizierung (Fürstenau, Entnazifizierung,
S. 133 m. Anm. 84).

36 Fürstenau, Entnazifizierung, S. 157ff.

37 Fürstenau, Entnazifizierung, S. 157f.

38 Aufstellung bei Fürstenau, Entnazifizierung, S. 158 m. Anm. 22.

39 Gesetzes- u. VO-Blatt für Schleswig-Holstein 1951, S. 85ff.

40 Dr. Alfred Gille war vor 1945 Bürgermeister in Lötzen (Ostpreußen) und Beisitzer am berüchtigten Volksgerichtshof (vgl. Godau-Schüttke, Die Heyde/Sawade-Affäre, Baden-Baden 1998, S. 175
m. Anm. 516).

41 Godau-Schüttke, Renazifizierung, S. 20 m. Anm. 14.

42 Amtsblatt für Schleswig-Holstein 1952, S. 396.

43 Amtsblatt für Schleswig-Holstein 1953, S. 2.

44 Vgl. hierzu Godau-Schüttke, Renazifizierung, S. 20f.

45 Norbert Frei, Vergangenheitspolitik, München 1996, S. 70.

46 Peter Schindler, Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages, Band I, Baden-Baden 1999,
S. 164.

47 Frei, Vergangenheitspolitik, S. 83 m. Anm. 41.

48 BGBl. 1951 I, S. 307f.; das Gesetz trat rückwirkend zum 1.4.1951 in Kraft.

49 Vgl. hierzu Frei, Vergangenheitspolitik, S. 79f.

50 BGBl. 1951 I, S. 291ff.; vgl. hierzu Frei, Vergangenheitspolitik, S. 83.

51 Niethammer, Entnazifizierung in Bayern, S. 536.

52 Als Beispiel eines so genannten Braunbuchs sei hier angeführt: „Wir klagen an – 800 Nazi-Blutrichter – Stützen des Adenauer-Regimes“, Hrsg.: Ausschuß für Deutsche Einheit, Berlin (Ost) 1959.

53 Vgl. Generalakten Schleswig-Holsteinisches Justizministerium, VIII 2200-66-B – Band 1.

54 So der schleswig-holsteinische Ministerpräsident von Hassel in seinem Antwortschreiben vom 22. Dezember 1958, in: Generalakten Schleswig-Holsteinisches Justizministerium, VIII 2200-66-B – Band 1.

55 Auszüge aus dem Protokoll v. 13. bis 15.10.1959, in: Generalakten Schleswig-Holsteinisches Justizministerium, VIII 2200-66-B – Band 2.

56 Wrobel, Verurteilt, S. 151 m. Anm. 85.

57 Vgl. Wrobel, Verurteilt, S. 151 m. Anm. 84.

58 Vgl. hierzu Frei, Vergangenheitspolitik, insbes. S. 54ff.; Ulrich Herbert, Best – Biographische Studien über Radikalismus, Weltanschauung und Vernunft 1903 – 1989, Bonn 1996, insbes. S. 434ff.

59 Eugen Kogon, Das Recht auf den politischen Irrtum, in: Frankfurter Hefte 2 (1947), S. 641ff. (655).

60 Zitiert nach Frei, Vergangenheitspolitik, S. 55 m. Anm. 7.

61 Vgl. Dieter Kolbe, Reichsgerichtspräsident Dr. Erwin Bumke, Karlsruhe 1975.

62 Kolbe, Reichsgerichtspräsident, S. 226ff.

63 Fritz Hartung, Jurist unter vier Reichen, Köln, Berlin, Bonn, München 1971, S. 80ff., 95ff.

64 Hartung, Jurist.

65 Hartung führte in der Einleitung seines Buches aus: „‚Jurist unter vier Reichen’ zu sein, das war kein leichter Beruf. Und am Ende eines langen, dem Rechte gewidmeten Lebens steht als bittere – und doch auch für den Juristen als die ‚ordnende Kraft’ im Leben eines Volkes wieder befriedigende – Erkenntnis, eine wie wechselvolle Größe doch alles ‚Recht’ ist. Die Göttin Justitia hat viele Gesichter, wandelt ihre Erscheinung mit der Entwicklung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Was heute als ‚Recht’ gilt, kann morgen ‚Unrecht’ sein. Der Jurist aber ist an das ‚Recht’ gebunden, das ‚heute’ gilt.“ Hartung, Jurist, S. 3.

66 RGBl. 1935 I, S. 1146.

67 Vgl. die Fälle bei Kolbe, Reichsgerichtspräsident, S. 266ff., und bei Friedrich Karl Kaul, Geschichte des Reichsgerichts, Band IV, 1933 – 1945, Berlin 1971, S. 113ff.

68 Müller, Furchtbare Juristen, S. 233, und Godau-Schüttke, Personelle und inhaltliche Kontinuitäten: Folgen der gescheiterten Entnazifizierung der Justiz, in: Schleswig-Holsteinische Anzeigen 1993, S. 81, gehen fälschlicherweise davon aus, dass Hartung noch Bundesrichter wurde.

69 Otto Peter Schwehling, Die deutsche Militärjustiz in der Zeit des Nationalsozialismus, bearbeitet, eingeleitet und herausgegeben von Erich Schwinge, Marburg 1977.

70 Norbert Haase, Spuren des Unrechts: Berlin Witzlebenstraße 4 – 10, in: Frankfurter Rundschau v. 19.10.1992, Nr. 243, S. 11.

71 Gerda Krüger-Nieland (Hrsg.) 25 Jahre Bundesgerichtshof, München 1975, S. 353.

72 Hermann Weinkauff, „75 Jahre Reichsgericht“, in: Deutsche Richterzeitung 1954, S. 251f.

73 So Lothar Gruchmann, Justiz im Dritten Reich, München 1988, S. 3.

74 Vgl. Godau-Schüttke, Renazifizierung.

75 Der Verfasser hatte die Möglichkeit, im Rahmen der Recherchen zu seiner Veröffentlichung „Ich habe nur dem Recht gedient – Die ‚Renazifizierung‘ der Schleswig-Holsteinischen Justiz nach 1945“ etliche einschlägige Personalakten und Generalakten einzusehen.

76 Godau-Schüttke, Renazifizierung, S. 130.

77 Godau-Schüttke, Renazifizierung, S. 149; vgl. auch die Einzelfälle S. 149ff.

78 Vgl. u. a. Müller, Furchtbare Juristen, S. 203ff.

79 Als Beispiel sei genannt: „Wir klagen an - 800 Nazi-Blutrichter - Stützen des Adenauer-Regimes“.
Hrsg.: Ausschuß für Deutsche Einheit, Berlin (Ost) 1959.

80 Die Gründe hierfür wird der Verfasser in einer kommenden Publikation – vorläufiger Arbeitstitel:
Der Bundesgerichtshof im Aufbau (1950 – 1953) – näher darlegen.

81 Wolfgang Koppel, Justiz im Zwielicht – Dokumentation: NS-Urteile, Personalakten, Katalog beschuldigter Juristen (Selbstverlag), Karlsruhe 1963.

82 Helmut Kramer, Die Aufarbeitung des Faschismus durch die Nachkriegsjustiz in der Bundesrepublik Deutschland, in: Hans-Ernst Böttcher (Hg.), Recht Justiz Kritik - Festschrift für Richard Schmid zum
85. Geburtstag, Baden-Baden 1985, S. 110ff.

83 Vgl. Anm. 1.

84 Nach § 5 Abs. 2 Bundesarchivgesetz v. 6.1.1988 gilt eine Benutzungsschutzfrist von 30 Jahren nach dem Tod des betroffenen Richters. Eine Verkürzung dieser Schutzfrist setzt nach § 5 Abs. 2 letzter Satz des Bundesarchivgesetzes die Zustimmung der Stellen voraus, bei der die Personalunterlagen entstanden sind – hier also das Bundesministerium der Justiz.

85 Anhang zum Geschäftsabteilungsplan des Bundesgerichtshofes für das Jahr 1955 – Besetzung der Zivilsenate nach dem Stand v. 12.1.1955 (Von der Bibliothek des Bundesgerichtshofes dem Verfasser zur Verfügung gestellt).

86 Das Folgende aus der Personalakte Schmidt, in: Pers. 101/39864, 39865, 40033, 40034, 40035 (Signatur des Bundesarchivs Koblenz).

87 Gerhard Paul, „Herr K. ist nur Politiker und als solcher aus Amerika zurückgekommen“. Die gelungene Remigration des Dr. Rudolf Katz, in: Gerhard Paul/Miriam Gillis-Carlebach (hg.), Menora und Hakenkreuz. Zur Geschichte der Juden in und aus Schleswig-Holstein, Lübeck und Altona (1918 - 1998), Neumünster 1998, S. 699ff.; vgl. auch Godau-Schüttke, Renazifizierung, S. 41ff.

88 Nach der Kapitulation war er zunächst wieder als Oberlandesgerichtsrat tätig; 1949 wurde er Senatspräsident am Oberlandesgericht Schleswig.

89 Das Folgende aus Personalakte Ascher, in: Pers. 101/39931, 39932, 39771, 39772.

90 RGBl. 1933 I, S. 175-177; § 3 Abs. 1 1. Art. des Gesetzes lautet: „Beamte, die nicht arischer Abstammung sind, sind in den Ruhestand [...] zu versetzen [...].“

91 Vgl. hierzu das Reichsbürgergesetz v. 15.9.1935 (RGBl. 1935 I, S. 1146) i. V. m. der ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz v. 14.11.1935 (RGBl. 1935 I, S. 1333 f.). § 5 Abs. 1 S. 1 der VO v. 14.11.1935 lautet: „Jude ist, wer von mindestens drei der Rasse nach volljüdischen Großeltern abstammt.“

92 Angaben aus: Martin Schumacher (Hg.), M.d.B. Volksvertretung und Wiederaufbau 1946 – 1961. Bundestagskandidaten und Mitglieder der westdeutschen Vorparlamente. Eine biographische Dokumentation, Düsseldorf 2000, S. 2698.

93 Angaben aus Schumacher, S. 6577. Zinn, geb. am 27.5.1901, war von Beruf Rechtsanwalt und fungierte u. a. 1946 – 1949 Justizminister in Hessen.

94 Angaben aus Schumacher, vgl. Anm. 92.

95 Zitiert nach Wrobel, Verurteilt, S. 339, 340 m. Anm. 13.

96 Angaben aus Schumacher, S. 5743.

97 Vgl. hierzu Udo Wengst, Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948 – 1953, Düsseldorf 1984, S. 148ff.; derselbe, Thomas Dehler 1897 – 1967 – Eine politische Biographie, München 1997, S. 140ff.

98 Bericht der Juristenzeitung (JZ) „Zum 75. Geburtstag des Reichsgerichts“, in: JZ 1954, S. 680f.

99 Vgl. hierzu Friedrich Karl Kaul, Geschichte des Reichsgerichts, Band IV (1933 – 1945), Berlin 1971,
S. 113ff.; hierzu auch Hans Robinsohn, Justiz als politische Verfolgung – Die Rechtsprechung in „Rassenschandefällen“ beim Landgericht Hamburg 1936 – 1943, Stuttgart 1977.

100 Angaben aus Personalakte Dr. Hermann Spieler, in: Pers. 101/40050.

101 Vgl. Kaul, Reichsgericht, S. 327ff.

102 Das Folgende aus Personalakte von Werner, in: Pers. 101/39886, 39887, 40059, 40060.

103 1928 wurde er Notar.

104 Sein Bruder Bernhard, der ebenfalls nach Deutschland zurückkehrte, war zunächst Mitarbeiter in der Rechtsabteilung der britischen Kontrollkommission in Frankfurt, sodann (1950) Bundesrichter am Bundesfinanzhof; er wurde auf Vorschlag der SPD und der Bundesregierung Richter am Bundesverfassungsgericht (vgl. Wengst, Staatsaufbau, S. 231f., 243).

105 Auch OGH genannt.

106 Vgl. Wenzlau, Wiederaufbau, S. 305ff.; der OGH wurde durch Verordnung v. 27.12.1951 aufgelöst (Wenzlau, Wiederaufbau, S. 322).

107 Wengst, Staatsaufbau, S. 238 mit Anm. 78, 79.

108 Das Folgende aus: Wengst, Dehler, S. 148.

109 Angaben aus Personalakte Weinkauff, in: Pers. 101/3988-39885, 40057.

110 Das Folgende aus Personalakte von Werner, in: Pers. 101/39886, 40059, 40060.

111 Vgl. hierzu auch Wenzlau, Wiederaufbau, S. 322 m. Anm. 8.

112 Schreiben v. 20.8.1951 an Oberregierungsrat Dr. Winners, in: Personalakte von Werner (Pers. 101/40060).

113 Es waren dies Bechmann und Denecke (vgl. auch Kaul, Reichsgericht, S. 337).

114 Vgl. Anm. 112.

115 Angaben aus: Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Band 4 (1951), hrsg. für das Bundesarchiv, Boppard am Rhein 1988, S. 747.

116 Gem. § 1 Abs. 1 des Richterwahlgesetzes v. 25.8.1950 (BGBl. 1950 I, S. 368 f.) werden die Richter des Obersten Bundesgerichtes und der oberen Bundesgerichte von dem zuständigen Bundesminister gemeinsam mit dem Richterwahlausschuss berufen und vom Bundespräsidenten ernannt.

117 Vgl. Anm. 85.

118 Vgl. hierzu auch Gerda Krüger-Nieland (Hg.), 25 Jahre Bundesgerichtshof, München 1975, S. 359ff.

119 BGH LM Nr. 16 zu § 1 BEG.

120 Bundesergänzungsgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (BEG) v. 18.9.1953, BGBl. 1953 I, S. 1387ff.

121 Im Urteil enthaltene Abkürzungen sind zum besseren Verständnis ausgeschrieben worden.

122 Schriftliche Auskunft der Bibliothek des BGH v. 29.3.2001.

123 Vgl. hierzu Joachim Perels, Das juristische Erbe des „Dritten Reiches“, Frankfurt/New York 1999, S. 193f.

124 Vgl. Anm. 72.

125 Vgl. hierzu Wrobel, Verurteilt, S. 280.

126 Vgl. Godau-Schüttke, Demokratische Justiz oder Justiz in der Demokratie?, in: Schleswig-Holsteinische Anzeigen 1995, S. 225ff.

127 Zitiert nach Wrobel, Verurteilt, S. 274, 328f.

128 Wrobel, Verurteilt, S. 296.

129 Vgl. hierzu Birgit Meyer, Elisabeth Selbert (1896 – 1986) – „Gleichberechtigung ohne Wenn und Aber“, in: Streitbare Juristen, kritische Justiz (Hg.), Baden-Baden 1988, S. 427ff.

130 Zitiert nach Wrobel, Verurteilt, S. 273.

131 Frei, Vergangenheitspolitik, S. 54.

Aufsatz vom 6. Juni 2001
© 2001 fhi
ISSN: 1860-5605
Erstveröffentlichung
6. Juni 2001