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Rainer Schröder †

Gerechtigkeit in (oder für?) Lüritz - Zu Markovits’ Schilderung eines DDR-Gerichts

Einleitung 
Methode 
Gliederung 
Leute 
Eigentum 
Arbeitsrecht, Konfliktkommissionen 
Familie 
Strafrecht 
Die Partei 
Ausbildung 
Zu den Prozess-Statistiken im Zivilrecht 
Das Ende 
Generelle Kritik 

Einleitung

Markovits will ″dieses Buch″ schreiben ″in dem es um die menschliche Erfahrung von Recht und Unrecht geht″. Mit diesen Sätzen schließt sie auf S. 300 vor den wenigen Anmerkungen2 ein Werk, das Michael Stolleis in der FAZ Nr. 270 vom 20.11.2006 ″eine fulminante Justizgeschichte der DDR″ nennt. Er nahm das voraus, was auch hier zu betonen ist: ″In dieser lesbaren, zutiefst sympathischen Form, mit den unterschiedlichen Interviewpartnern, in dieser Frische und Nähe zum Gegenstand wird eine ‚ostdeutsche Rechtsgeschichte’ nicht noch ein zweites Mal geschrieben werden.″
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Im DFG-geförderten Projekt ″Zivilrechtskultur der DDR″ haben sich Juristen zumeist Rechtshistoriker und Soziologen mit einem Teilaspekt der von Markovits behandelten Fragen befasst. Ihr Buch ist leider so spät erschienen, dass wir ihre Thesen nicht mehr in die Abschlussbände einarbeiten konnten. Umgekehrt, da unser Abschlussbericht noch nicht als Buch erschienen war, konnte sie auf das Material nicht eingehen.3 Sinn dieses Besprechungsaufsatzes ist es erstens, das Markovits’sche Projekt darzustellen4 und zweitens, es mit unseren Ergebnissen ins Gespräch zu bringen.
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Methode

Die Autorin hat sich ihrem Gegenstand so genähert, wie man das aus ihrem Buch ″Die Abwicklung″5 kennt: In Interviews, fundiert durch Aktenstudien, weichen Interviews mit eingestreuten Fragen, in denen man ein Vertrauen der Interviewpartner erweckt, welches die Autorin in keinem Punkt enttäuscht. Die Autorin weiß um die Problematik der Alltagsgeschichte und besonders der Selbstdarstellung von Betroffenen.6 Was sollen diese anders sagen außer: ″Es war alles nicht ganz so schlimm, gewiss hat es einzelne kritikwürdige Punkte gegeben, aber im Wesentlichen liefen die Dinge doch recht ordentlich.″ So hat das freilich keiner der Beteiligten gesagt und so hätte die Autorin es auch niemandem geglaubt. Markovits wandelt also auf einem schmalen Grad zwischen Verständnis und durchaus kritischer Distanz.
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Sie fand die Justizakten in einer norddeutschen Kleinstadt, konnte diese in weitestem Umfang durchforsten, interviewte die beteiligten Personen, suchte Hintergründe im Bundesarchiv in Potsdam und konnte so das Bild einer Justiz in 40 Jahren DDR vermitteln, in der sich die Härte, der Alltag, die Abhängigkeit vom politischen System und am Ende das Scheitern dieses Justizsystems zeigte. Am Ende glaubte keiner der Beteiligten mehr an die DDR als das ″bessere Deutschland″, niemand konnte die offenkundigen Mängel mehr übersehen. Man arbeitete mit kontrafaktischen Unterstellungen. Auch die Justiz glaubte nicht mehr an sich selbst und ihre Sendung. Viele Personen hat Inga Markovits interviewt, die Interviews mit Statistiken abgeglichen, das Auseinanderklaffen zwischen dem law in action und dem law in the books konstatiert.
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Markovits geht vor wie eine Ethnologin, welche freilich aus Datenschutzgründen ihre Informationen anonymisiert, was dem Buch einen Hauch von Geheimnis verleiht.
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Gliederung

Die Einteilung ist klar und logisch. Nach der Vorbemerkung beschreibt sie ihren Aktenbestand (1.) und schildert den Anfang der DDR und des Gerichts (2./S. 19) sowie die beteiligten Personen (3. Leute/S. 29). In der Folge beschreibt sie die juristischen Felder Eigentum (4./S. 41), Arbeit (5./S. 63), Familien (6./S. 95). Dann kommen die problematischeren Punkte, nämlich die Strafen (7./S. 123), der brennend interessante Abschnitt über die Partei (8./S. 181 - 229), daran schließen sich wiederum eher von politischen als systematischen Aspekten geprägte Darstellungen über Hoffnungen und Lügen (9./S. 229) sowie über das Ende (10./S. 273) an. Der Kreis der gesamten Gerichtsbarkeit in 40 Jahren wird durchschritten, es wird zum Teil chronologisch, zum Teil systematisch gegliedert. Einzelne politische Kommentare werden eingefügt.
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Leute

In den Beschreibungen spiegeln sich nicht nur Prozesse, sondern auch die politische und wirtschaftliche Geschichte der DDR wider. Man sieht die Alltagsgeschichte, aber auch individuelle Schicksale. Der Abschnitt ″Leute″ (3./ S. 29 ff) ist von einer kritischen Sympathie getragen, über die zu sprechen sein wird (siehe unten unter ‚Generelle Kritik’). Ist Markovits dem Zauber des Gegenstandes - auch eines morbiden - erlegen? Manches in den frühen Jahren Bedenkliche erscheint ihr nachvollziehbar: ″Volksrichter sind Missionare der sozialistischen Gesetzlichkeit. Sie passen auf, dass niemand falsche Wege geht.″ (S. 33). Man könnte diesen schön formulierten Satz auch anders schreiben, etwa so: ‚So ist der Unterschied zwischen Recht und Moral gefallen; die Ergebnisse der Aufklärung wurden im Interesse einer diktatorischen Moral mit Füßen getreten.’ Beide Sätze sind übrigens richtig, beide beschreiben dasselbe Phänomen, worauf zurückzukommen sein wird.
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Je mehr Volksrichter7 ersetzt wurden, desto stärker wurde die Rechtsprechung, ″technisch sorgfältiger, politisch farbloser und angepasster″ (S. 35). Haferkamp hat festgestellt, dass im Zivilrecht die Argumentation des Obersten Gerichts offen - offener - politisch und weniger dogmatisch war, anders als beim Reichsgericht in der Zeit des Dritten Reiches.8 Die rechtliche Form, der Wortlaut und das Bestreben nach Rechtssicherheit bildeten keine Grenze für die Interpretationen.9
8
Nicht ohne Sympathie beschreibt Markovits ″die Armut, Dürftigkeit und Enge der sozialistischen Justiz. In Lüritz fehlte es an allem.″ (S. 37)10. Aber der Glaube der Volksrichter und der ersten Generation von universitär ausgebildeten Justizjuristen war da. Das war der Glaube, der auch Victor Klemperer beseelte, der aber sehr schnell verflog.11 Gleichwohl fehlte es in dem ″Arme-Leute-Klima″ unter anderem auch an Richtern mit der richtigen Gesinnung und einer qualifizierten Ausbildung (S. 38 f.).12
9
Richter empfanden sich nicht als Herrscher über das Recht, nicht als Kontrolleure der Rechtsunterworfenen mit Hilfe von Normanwendung, sondern: ″’Wir waren nichts Besonderes‘, erklärte mir ein Berliner Richter. Justizarbeit war in der DDR ein dienender Beruf″ (S. 39). Das stimmt mit unseren Interviewergebnissen überein.13 Richter bezeichneten sich dort gelegentlich als ″Sozialarbeiter″.
10
Wenn Verf. meint, die Richtergehälter seien zumindest im Vergleich zu Justiziaren und Rechtsanwälten nicht hoch gewesen (S. 39), dann ist das nur die halbe Wahrheit. Ein solches Gehalt muss man in Beziehung setzen zum Durchschnittsgehalt der in der DDR abhängig Beschäftigten und da ergibt sich, dass Richter zwar nicht Bestverdiener waren (das waren Rechtsanwälte, Militär- und Staatssicherheitsmitarbeiter sowie solche der parteinahen Innenverwaltung),14 aber im Vergleich zu den normalen Arbeitern (nicht zu den Spitzen-Schicht-Arbeitern) verdiente eine Richterin oder ein Richter durchaus anständig und herausgehoben.15 Dass diese Erkenntnis nicht mit dem auch in den Interviews des Projekts zu Tage getretenen Empfinden der befragten Richter übereinstimmt, kann mit Blick auf die weitaus höhere Verdienste erzielenden Rechtsanwälte nicht überraschen.16 Ein Vergleich mit den Gehältern und dem Sozialstatus/-prestige von bundesrepublikanischen Richtern wäre daher sinnvoll gewesen.
11
Denn die Behauptung, das Sozialprestige der Richter in der DDR sei gering gewesen, wird durch die ständige Wiederholung nicht besser. Ich denke, dass das Sozialprestige relativ hoch war und vor allem von solchen Verwerfungen frei, wie in der Bundesrepublik: Ein durchschnittlicher Abteilungsleiter eines DAX-Unternehmens verdient ein Vielfaches eines Richters der Bundesrepublik. Das öffentliche Ansehen des Richters ist aber deutlich besser, denn Richter entscheiden in individuellen, aber auch vielen gesellschaftlichen Fragen.17 Diese Bemerkungen können die Frage gleichfalls nicht klären, weisen aber m. E. auf einen Forschungsbedarf hin.
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Eigentum

Der Autorin gelingen schöne Sätze. ″Der Sozialismus war in ähnlicher Weise vom Eigentum fasziniert, ja, geradezu auf es fixiert wie das Christentum auf die Sünde.″ (S. 41). Ob das für die Geschichte des Sozialismus so stimmt, darüber mag man ebenso streiten wie über die Richtigkeit des Bonmots in Bezug auf das Christentum. Das ″Eigentum″ war m. E. nicht das Problem, sondern die Ansammlung privater - wohl gar ohne Arbeit gewonnener - Vermögen. Richtig ist ohne Zweifel: In der Praxis der DDR spielte die Verhinderung des Eigentums an Produktionsmitteln und die der privaten Unternehmerschaft etc. eine sehr wichtige Rolle. Freilich kamen all diese Dinge wie die Bodenreform, welche die Autorin en passant erwähnt, nicht zu Gericht.
13
Das ist eben ein Charakteristikum aller Diktaturen, dass Materien, welche politisch brisant sein können und bei denen auch nur eine geringe Chance besteht, dass ein Gericht von der ideologischen Linie abweichen könnte, nicht zur Entscheidung zugelassen werden. Das gilt für Neubauern18 und LPGs und in der DDR besonders für das Problem des Volkseigentums (S. 49 ff).
14
Zu Recht erwähnt Verf. die ″Aktion Rose″19 (S. 49) und die in den darauffolgenden Jahren weitaus weniger rigide Anwendung des Volkseigentumschutzgesetzes.
15
Doch ist Markovits’ Buch von Einschätzungen nicht frei, die ich auf Basis unserer Materialien nicht teilen kann. So werde der ″geringe Respekt für das Volkseigentum″ (S. 52) auch in Zivilrechtsstreitigkeiten sichtbar: Volkseigene Betriebe haben vielfach Außenstände bei Mieten oder Elektrizitätslieferungen. Zwar war nach unseren Erhebungen der DDR-Zivilprozess jedenfalls bis ca. 1972 durchaus von einer hohen Zahl von Klagen sozialistischer Betriebe in den Bereichen Wohnungssachen und Versorgungsleistungen geprägt. Jedoch war der Anteil der Prozesse unter Bürgern fast ebenso hoch wie der der Prozesse von sozialistischen Institutionen gegen Bürger.20 Dass gerade volkseigene Ansprüche in besonderem Maße gering geschätzt wurden, lässt sich vor diesem Hintergrund nicht behaupten.
16
Zu Recht Markovits: ″Das Zivilrecht erscheint einem Staat, der alles wichtige Eigentum vergesellschaftet hat, nicht mehr bedrohlich. So kann es zu Prozessen kommen, in denen private Eigentümer mit Hilfe des Rechts zwar keine leuchtenden Siege über das Kollektiv erringen, aber doch annehmbare Kompromisse aushandeln.″ (S. 56). Auch nach unseren Erhebungen scheuten sich Bürger zunehmend nicht mehr, ihre Ansprüche gegen sozialistische Betriebe und Institutionen auf dem Klageweg durchzusetzen, wenngleich der durchschnittliche Erfolg gegenüber Prozessen mit der umgekehrten Parteikonstellation geringer war.21
17
In der Tat, solche Prozesse, solche ″kleinen Siege″ haben m. E. sogar systemstabilisierende Wirkung, ähnlich wie im Dritten Reich. Sie sind sozusagen praktizierter Verbraucherschutz.22
18
Hinsichtlich der Verfahren von Bürgern gegen Bürgern stellt Verf. fest, dass es ″noch 1989 [...] in einem Viertel aller Klagen um die Herausgabe von konkreten Gegenständen [geht], die nicht, wie Geld, beliebig austauschbar sind, sondern zu denen die Parteien sozusagen eine persönliche Beziehung haben. Und immer mehr Prozesse drehen sich um Autos, die kapitalistischsten Objekte der Begierde, die nicht nur finanziellen Wert verkörpern, sondern auch die Chance auszuschweifen und seinen Lebensradius zu vergrößern.″ (S. 60).
19
Nach unseren Untersuchungen war der Anteil der Herausgabeklagen an allen Prozessen unter Bürgern, deren absolute Zahl zunehmend stieg, mit durchschnittlich 12 % eher gering.23 Die weitaus höchste Zahl von Prozessen, in denen Bürger um Herausgabe von Sachen stritten, war in den Jahren 1948/1951 zu konstatieren, was nicht verwundert, wenn man sich vor Augen hält, dass es hier oft um während des Krieges ausgelagerte und untergestellte Hausratsgegenstände ging. Gleichwohl handelte es sich nicht ausnahmslos um eine Nachkriegserscheinung: die Zahl der Herausgabeklagen stieg nach 1970 wieder, wohl der zunehmenden Knappheit von Gütern in der Mangelwirtschaft der DDR geschuldet. Gleichzeitig stieg die absolute Zahl der privaten Kläger.
20

Arbeitsrecht, Konfliktkommissionen

Groteske Blüten trieb die Arbeitsgerichtsbarkeit in Sachen der Mankohaftung, wo große Strenge und Misstrauen walteten und im Grunde Kleinlichkeiten und Peinlichkeiten mit unangemessenen Mitteln durchgesetzt wurde (S. 71 ff).
21
Immer wieder versteht es Verf., die andere Gewichtung von Arbeit im Sozialismus klar zu machen: ″... weit mehr noch als in anderen Gesellschaftsordnungen war in der DDR geregelte Arbeit auch ein Mittel gesellschaftlicher Disziplinierung und Kontrolle und dieser Gesichtspunkt muss auch für die Lüritzer Richter wichtig gewesen sein, aber sie verstanden Arbeit auch als Menschenrecht.″ (S. 78). Die DDR, so sollte man hinzufügen, war eben auch eine Fürsorgediktatur.24
22
″Eigentlich konnte die Arbeitsrechtsjustiz der DDR schon ihrer gesetzlichen Struktur nach kaum mit staatlichen Autoritäten in Konflikt kommen.″ (S. 84). Wieso nicht? Konsequent werden Klagen abgewiesen, die in irgendeiner Form Bezug haben könnten zu politischen Fragen. In Sachen der Ausreise, wo die Rechtsbeugung Urstände feierte, akzeptieren die Richter willig die politischen Vorgaben Dass man die Ausreisewilligen ausplündere, sie enteignete und dann die enteigneten Immobilien noch an systemnahe Personen vergab, spielte vielleicht in den Akten der Lüritzer Justiz keine Rolle. Doch haben wir hier dasselbe Phänomen wie in anderen Diktaturen, etwa dem Dritten Reich. Politische Gegenstände werden von der justiziellen Bewältigung ausgenommen.25
23
Man muss sich die Funktion der Ziviljustiz in Erinnerung rufen. Denn neben dem Inkasso gilt es gegenüber Staat und Organisationen, aber auch gegenüber Individuen Rechte zu wahren. In diesem Punk versagt die DDR - wie alle anderen Diktaturen.
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Familie

Nebenbei finden wir im Familienrecht eine Erläuterung des Zerrüttungsprinzips, die auch dem Kenner der Rechtsgeschichte Aufmerksamkeit abverlangt. ″Die Definition impliziert eine enge Verbindung zwischen persönlichem und gesellschaftlichem Wohlbefinden und erklärt, warum autoritäre Rechtssysteme Scheidungen lieber auf Zerrüttung als Verschulden gründen: Weil nach ihrem Weltbild eine Ehe nicht nur den Interessen der Ehepartner dienen soll, sondern auch denen der Gesellschaft, und weil darum ihr Fortbestand nicht nur von den Gefühlen und Erwartungen der Eheleute abhängen darf, sondern auch davon, ob die Ehe ihre gesellschaftlichen Funktionen noch erfüllen konnte.″ (S. 96). In der Tat erinnert Verf. zu Recht an das Ehegesetz 1938, welches in § 55 Abs. 1 S. 2 eine Scheidung gegen den Widerspruch der ersten Ehefrau auch dann ermöglichte, wenn aus der folgenden Beziehung Kinder hervorgegangen waren bzw. es möglich war, dass sie hervorgingen (sog. völkisches Reproduktionsinteresse).26
25
In der - gewiss nicht autoritären - Bundesrepublik gilt seit 1976 ein vergleichbares Eherecht. Wenn man die Bemerkung der Verf. als richtig unterstellt, was bedeutet das für das heutige Eherecht? War der bundesdeutsche Gesetzgeber des Eherechtsänderungsgesetzes 1976 von ähnlichen Erwägungen ausgegangen? Ich denke, die Bemerkung über die Einordnung des Zerrüttungsprinzips ist nicht zutreffend.
26
Die Bedeutung des Kollektivs in Scheidungssachen erscheint mir ebenso nicht völlig ausgeleuchtet. Insgesamt nahm die Beteiligung von Kollektivvertretern am Scheidungsprozess ab: 1976 wurde das Kollektiv noch in 15,3 % aller Scheidungsverfahren befragt, im Jahr 1989 nur noch in 5,5 % der Verfahren (S. 103). Waren diese Beteiligungen sozialistische Fingerübungen, hatten sie wirklich eine Bedeutung für die richterliche Entscheidung (S. 99 ff.)?
27
Die Aussetzung von Scheidungen für eine mögliche Versöhnung sank von 13,8 % 1965 auf 6 % 1985 und 4 % in der gesamten DDR 1989 (S. 105). Auch das Ehebild war ein ganz anderes: Die Ehe sei kein Versorgungsinstitut für Frauen, so schon das Oberste Gericht der DDR 1950 (S. 107). Da jeder Mann / jede Frau Arbeit hatte, aber auch arbeiten musste, war die Versorgung - anders als in der Bundesrepublik - kein Problem, wo der Postscheidungsparasitismus trotz des 1976 veränderten Eherechts seine Blüten treibt.
28
Scharf und zu Recht geht die Autorin mit dem Entzug von Erziehungsrechten ins Gericht, die ihr als Unrechtsurteile ″schlimmer vorkommen als viele Strafrechtsurteile aus der Zeit des kalten Krieges″ (S. 111).
29
Man ist für solche deutlichen Worte dankbar, denn ähnlich wie die Zersetzungsaktionen der Staatssicherheit bei der Familie ansetzten, so waren die legalen Zersetzungen etwa durch extrem harte Strafurteile bzw. solche Sorgerechtsentziehungen (die freilich selten waren) an der Familie angesetzt. Es war eben wie in allen Diktaturen: Bei Wohlverhalten hatte man nichts zu befürchten, bei Opposition konnte es gefährlich werden. So ist ja auch - nach allen Diktaturen - die Sicht der Zeitzeugen. Sie heben hervor, ″so schlimm war das alles nicht″. Die Statistik gibt ihnen Recht, weil die Mehrzahl der Personen nie in Opposition zum System steht. Darum ist ihr Zeugnis so schwer einzuschätzen.27
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Strafrecht

″Das Wendejahr ist 1952. Wir sahen schon im Eigentums-Kapitel, wie Lüritzer Richter unter dem Druck des Wirtschaftsstrafrechts ihre gelegentliche Nachsicht mit den menschlichen Schwierigkeiten eines Angeklagten im Laufe des Jahres unterdrücken lernten.″ (S. 128). Immerhin verlieren - wie in allen Diktaturen - politische Straftaten im Laufe der Jahre an Gewicht. Haftbefehle ergehen gegen Personen, die flüchten wollen, das Volkseigentum verletzen sowie später in den 70er Jahren gegen Asoziale (S. 129 f.). Ein besonders dunkles Kapitel, das die Beteiligten letztlich bis heute nicht entschuldigen können. Wie das NS-Strafrecht ist das DDR-Strafrecht in diesen Punkten ein Freund- oder Feindstrafrecht.
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Erfreulicherweise findet die Autorin deutliche Worte in Bezug auf den Tatbestand der Boykotthetze (§ 19) und Staatsverleumdung (§ 20, jeweils Strafrechtsänderungsgesetz von 1957), (vgl. S. 135 f.). ″Gegnerschaft zum System, auch wenn sie sich nur in ärgerlichen Worten ausdrückt, ist genügend Grund zum Strafen.″ (S. 136). Immerhin gab es auch hier - wie im Dritten Reich - Spielräume, welche mancher Richter in geringem Umfang nutzte. Die Auswertung der Strafverfahren im Kollektiv entwürdigte die Beteiligten (S. 145 - 148).
32
Moral und Recht gingen eben stark durcheinander. Markovits konstatiert oft ein Durcheinander zwischen Recht und Moral und Strafen für die, die sich vom Kollektiv absondern, in politicis auch Strafrechtspraxis im paranoischen Extrem (S. 152).
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Bei manchen der Urteile fragt man sich wie es kommt, dass die Richter, die die Urteile gesprochen haben, noch frei herumlaufen. Wären hier nicht die gleichen Maßstäbe anzuwenden gewesen, die sie immer in Bezug auf die NS-Justiz angewendet wissen wollten? Insofern ist die Anonymität der Darstellung doch sehr sachangemessen. Die Strafbarkeit von Asozialen28 und bei Fluchtversuchen bildete in den 70er und 80er Jahren ein besonderes Problem. Asozialität war - wie die Verf. zu Recht meint (S. 159) - ein politisches Delikt.
34
Hier und da blitzen interessante statistische Überlegungen auf, bei denen ich statt hübscher Sätze (S. 163) lieber vollständige Statistiken gesehen hätte.
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″In den 1980er Jahren geht in Lüritz der Anteil der Asozialen an der Gesamtzahl aller Strafverurteilten deutlich zurück: von 41,8 % im Jahre 1973 auf 19,2 % im Jahre 1980 und 7,6 % im Jahre 1984. Trotzdem bin ich mir nicht sicher, wie viel sich bei der Reaktion des Rechts auf Arbeitsbummelei tatsächlich verändert hat. Wenn ich die Strafrechtsdaten für die Jahre 1980, 1984 und 1988 vergleiche (ich habe sie für jedes Jahr, immer in Bündelchen von vier Senkrecht-Strichen und einem Schrägstrich, mühsam nach Deliktsarten ausgezählt), stellt sich heraus, dass zwar die Verurteilungen für ‚asoziales Verhalten‘ im Laufe der 1980er Jahre sinken, dafür aber die Eigentumsverletzungen steigen, und dass beide zusammen (Asozialität und Eigentumsdelikte addiert) in jedem der drei Jahre konstant 57 % bis 58 % aller Straftaten ausmachen.″ (S. 163)
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Aber der Adressatenkreis des Werkes verbietet es wohl, einen statistisch umfangreicheren Bericht abzuliefern.
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Markovits sieht, genauer ″ertappt″, die DDR-Justiz beim Zweifel an ihren eigenen Erziehungsbemühungen (S. 164 ff.). Immer wieder ist es die sympathische Art, sich selbst einzubringen, die einen für den Text und die Autorin einnimmt. ″Die wachsende Gelassenheit, vielleicht sollte ich lieber ‚relative Gelassenheit‘ sagen, denn bei einem autoritären Regime ist man leicht in Gefahr, von Liberalisierungen übermäßig beeindruckt zu sein...″ (S. 169). Sozialgeschichtlich wird das Werk gerade im Zusammenhang mit der Republikflucht: ″Die Zahl der legalen Westwanderungen aus der DDR schnellte von 7700 im Jahre 1983 auf knapp 35000 im Jahre 1984 hoch. Zwar wurden die Konzessionen schon im nächsten Jahr wieder zur Hälfte zurückgenommen, aber ...″ (S. 171).29 Am Ende verblasst - meint die Autorin - die Hoffnung der Richter, das ″Ausreiser-Problem mit Hilfe des Strafrechts in den Griff zu bekommen.″ (S. 175 ff.). ″Der Kampf ″war verloren, denke ich mir, weil Staat und Recht in der DDR sich in den 1980er schon zu sehr verändert hatten, um ungeniert die Strafmacht anzuwenden, die nötig gewesen wäre, um die vielen Ausreisewilligen im Lande zu halten. Das wussten auch die Antragsteller selbst.″ (S. 176). Immerhin - so einfach war das nicht. Man riskierte eben doch den Verlust der Arbeit für mehrere Jahre, Diskriminierung, Beeinträchtigungen, Einschüchterungen und war sich doch des Ergebnisses nie ganz sicher. ″Das Recht ließ eine (bis auf das Wunderjahr 1984) verhältnismäßig kleine Zahl von Unzufriedenen geordnet in den Westen reisen, während die DDR-Gewalt den Rest der schweigenden oder auch meckernden Mehrheit im Lande hielt.″ Am Ende habe das DDR-Regime ″nicht mehr den totalitären Mumm″ aufgebracht, ″um sich selbst durch Rücksichtslosigkeit und Gewalt zu schützen.″ (S. 179). Wie wahr! möchte man hinzurufen, auch wenn man nicht Loests Roman ″Völkerschlachtdenkmal″ gelesen30 oder seine Verfilmung im Fernsehen gesehen hat.
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Die Partei

Im Abschnitt ″Die Partei″ werden erneut die vielfältigen Kontrollen über das juristische System, aber auch die Bedeutungslosigkeit des juristischen Systems für die Kontrolle des Staates klar. Die Justiz wurde inspiziert (S. 211 ff.), visitiert, unterrichtet, belehrt.
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Ansonsten haben die Partei (und übrigens auch die Stasi) ″erstaunlich wenig Spuren in den Akten hinterlassen″. Es sind mehr oder minder Zufallsfunde.31 Darüber hinaus sieht man gelegentliche captationes benevolentiae, wie sie sich in jedem totalitären Regime finden (S. 185).32
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Die Versuche, Einfluss zu nehmen, finden sich auf allen Ebenen übrigens in allen Diktaturen, aber auch in Demokratien! Freilich sind die Einflüsse gegeben. Wenn man strukturell die Konfliktfelder aus den justiziellen Bereich entfernt, die Justizpersonen streng auswählt, ideologisch ausbildet, sie durch Anleitungen und Auswertungen eng an die Hand nimmt, dann braucht man eben nur wenig Steuerung im Einzelfall.33
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Wie die Einflussnahmen geschahen, ist längst bekannt (vgl. auch S. 189 f.). Nicht selten in den Sicherheitsbesprechungen mit Staatsanwaltschaft, Volks- und Kriminalpolizei, Abt. Inneres, Sicherheitsbeauftragten der SED-Kreisleitung und der Stasi. Alle Instanzen der sozialen Kontrolle waren beteiligt und alle wussten, dass sie beteiligt waren. Hier bestand eine potentielle Bedrohung der Beteiligten, denn eine Einflussnahme dieser Instanzen diktatorischer Kontrolle war immer möglich, wenn nicht gar Schlimmeres im Raum stand.
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Die Absprache hinter den Kulissen existierte ebenso wie die schrecklich ermüdenden Dauerbelehrungen (S. 215). Eine gewisse Unabhängigkeit existierte, solange die Angelegenheit nicht politisch war (S. 217 ff.). Die Steuerung griff, geringe Freiräume, ″Unabhängigkeit″, existierten hier und da. (S. 219). Auch in absurden Fällen wurde gestraft. Vereinfacht könnte man sagen: zulasten der Angeklagten galt die Strenge des Gesetzes (S. 226 f.).
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Ausbildung

Die Examensklausuren von ″Frau Rüstig […] hätten ähnlich auch in Westdeutschland geschrieben werden können.″ (S. 199). Das ist wieder so ein Satz. Nach meiner Meinung stand die juristische Ausbildung bei weitem nicht auf dem (hermeneutischen) Niveau der Bundesrepublik. Denn es gab die Heiligkeit des Gesetzes nicht, welche die Rechtssysteme der Nachfolge des römischen Rechts beherrschen. Aber Klausuren über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, Spezialfragen zu § 812 BGB, aus den Tiefen der Strafrechtsdogmatik sind dem, was in der DDR-Juristenausbildung geprüft wurde, nicht vergleichbar. Auch wenn man solchen Prüfungsleistungen teilweise kritisch gegenüberstehen muss.
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Ich habe auch Zweifel an folgender Behauptung: ″1985 hat ein Jura-Student in der DDR etwa das gleiche Stundenpensum an juristischen Vorlesungen zu belegen wie ein Kommilitone in den USA. Die Ideologie war extra.″ (S. 199). Die gesellschaftswissenschaftliche Komponente umfasste zunächst 34 %, zu Höchstzeiten sogar 43 % der gesamten Vorlesungszeit. Hinzu kamen Russisch und Sport.34 Zwischen beiden juristischen Ausbildungen liegen wohl Welten. Das ist nicht nur ideologisch gemeint, sondern auch bezüglich der handwerklichen Kompetenz.35 Der Verfasser dieser Rezension hat nach der Wende mit nicht wenigen in der DDR ausgebildeten Juristen gearbeitet, einige haben bei ihm - übrigens in unserem Projekt - promoviert. Er war erstaunt über die nicht selten hohe juristische Kompetenz - trotz der Ausbildung. Der Verfasser führt diese auf die strenge Selektion der Studentinnen und Studenten zurück. Immerhin gab es in der DDR vergleichsweise wenig Jurastudenten,36 die nicht (nur) durch einen Filter der politischen Ideologie passen mussten, sondern - was sehr oft vergessen wird - durch den der intellektuellen Kompetenz. Daneben gab es freilich viele Ex-DDR-Juristen - auch das aus eigener Anschauung - die mit dem ‚westdeutschen Rechtsdenken’ überhaupt nicht zurecht kamen.
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Hier wie andernorts hätte man sich aus der vielfältigen Literatur Hinweise erwartet. Denn die gleiche Stundenzahl macht das Studium gewiss nicht vergleichbar.37 Als extremes Beispiel kann die Stasi-Hochschule Potsdam Eiche mit ihrer Ausbildung zum ″Diplomjuristen″ dienen.38 Auch dort war eine bestimmte Stundenzahl an juristischen Veranstaltungen gegeben, doch war das Ziel der Ausbildung sehr anders. Hier wie an anderen Orten verzichtet die Verf. auf Literaturhinweise, auf eine Auseinandersetzung mit den bisherigen Autoren, was verständlich, aber eben schade ist. Die Partei kümmerte sich parteifürsorglich um vieles, war aber auch um ihren eigenen Ruf bemüht (Scheidungen von Richtern, S. 200).
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Der missionarische Druck auf die Justiz und innerhalb derselben ging stärker von der Justizbürokratie aus als von der Partei (S. 204) - wenn man beides trennen kann.
47
Das DDR-Rechts-System erstickte in seinem Bericht- und Beeinflussungswesen. Noch in den ″ziemlich glaubensfesten 1950er und 60er Jahren finde ich Beschwerden der Justizverwaltung in den Akten darüber, dass ‚Unmengen‘ von Telefongesprächen nötig seien, um die Kreisgerichte zur Übersendung von derartigen Berichten zu bewegen. Informationen werden immer wieder angemahnt.″ (S. 205).
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Während die Richterausbildung in der DDR (nicht nur im Rahmen der Volksrichterausbildung) stark ideologisch begann, wurde sie am Ende dieses Staates pragmatischer, präziser, juristischer. Wie hart man dennoch mit Richtern umging, deren Kinder sich Verstöße gegen die Ideologie (Republikflucht mit Todesfolge) zu schulden kommen ließen, zeigt das Beispiel aus dem Jahr 1965 (S. 208). Die DDR war eben nicht harmlos. Sie war eine harte Diktatur, fürsorglich - wie alle Diktaturen -, bei Übereinstimmung mit den Zielen, bei allen Mängeln - lebenswert, doch von fürsorglicher bis zu erbarmungsloser Härte, wenn es darum ging, Abweichler zu erfassen. Das wird freilich aus dem Aktenbestand der Verf. nicht deutlich; und übrigens aus dem unseres Projektes auch nur ausnahmsweise.
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Endlich, endlich (S. 229) kommt Verf. auf die ″erstaunliche Unehrlichkeit des ostdeutschen Rechtssystems zu sprechen ... Seine utopischen Hoffnungen, seine Schönfärberei; seine Manie, so viel wie möglich geheim zu halten; seine Vortäuschungen und Ausweichungen; seine krassen Lügen. Hoffnungen und Lügen in diesem Rechtssystem bedingten sich gegenseitig.″ Es sind solche Passagen, die klar machen: Bei allem Verständnis für handelnde Personen, für deren individuelles Schicksal, für die Zwänge des Systems will die Verf. nicht beschönigen oder verharmlosen. Unklar bleibt auch der Verfasserin, ob und wie Parteigenossen bevorzugt wurden. Es gibt einzelne Fälle, in denen eine Bevorzugung durchscheint, in anderen Fällen hingegen war das nicht der Fall. Unsere Untersuchung, wiewohl kein Focus auf diesen Fragen lag, hat nicht viel zu Tage gefördert.
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Keinen ″Spaß″ verstand man bei ″Schädlingen am Volksaufbau″ (S. 236). Bei dieser Formulierung hört man LTI, die Sprache des Dritten Reiches wieder, was Victor Klemperer zu Überlegung über die LQI veranlasste.39 ″Überhaupt steht hier Klasse, wie bei den Nazis Art steht. Das gehört in meine LQI u. darf nicht gesagt werden.″
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Der Abschnitt über die Auslegung (S. 242) könnte durch Hans-Peter Haferkamps Studie40 ergänzt werden. Man braucht, wenn man politisch geleitet ist, keine großen Auslegungsanstrengungen zu unternehmen, wenn man ein gewisses Ergebnis erzielen will.
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Noch einmal: DDR-Richter verstanden sich - und werden von der Verf. auch so verstanden - als ein dienender Beruf (S. 39). Auch in unseren Interviews bezeichneten sich Richter gelegentlich als ″Sozialarbeiter″. Das ist freilich nur teilweise richtig und scheint ein Bausteinchen einer Exkulpationsstrategie zu sein.
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Zu den Prozess-Statistiken im Zivilrecht

″... zwischen 1956 und 1968 (ihrem niedrigsten Punkt in der DDR-Rechtsgeschichte) sinken die Zivilrechtseingänge bei den Kreisgerichten um fast zwei Drittel. Jedenfalls vor Gerichten streiten sich DDR-Bürger wesentlich weniger als ihre Vettern in der Bundesrepublik. Während in Westdeutschland im Laufe der Jahrzehnte bei den Amtsgerichten Vergleiche ... sinken und streitige Urteile (für die besonders bitter ausgefochtenen Konflikte) steigen, ist es an ostdeutschen Kreisgerichten genau umgekehrt: Vergleiche ... steigen, streitige Urteile werden seltener. 1985 enden in Lüritz 43,3 % aller Zivilrechtsstreitigkeiten mit einer Einigung. In der Bundesrepublik machen im selben Jahr vor Gericht abgeschlossene Vergleiche nur 8,1 % aller Erledigungen aller Amtsgerichte aus.″ (S. 244 f.).41
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Dieses Zitat ist so richtig wie falsch. Es unterstellt, dass der Vergleich ein Indiz für Friedlichkeit und dass streitige Urteil immer ein Indiz für ″besonders bitter ausgefochtene Konflikte″ ist. In Einzelfällen mag das richtig sein. Aber allgemein ist das so nicht der Fall und für die DDR m. E. auch nicht. Die Zahl der Einigungen bei den Zivilgerichten hat eine andere Ursache, die so ähnlich ist wie bei Klagerücknahmen. In naiver Betrachtungsweise sieht man Klagerücknahmen als Misserfolg des Klägers. In der Praxis sind Klagerücknahmen in der Bundesrepublik aber oft Prozesserfolge.42 Denn wenn die Parteien professionell vertreten sind, ermöglicht die Klagerücknahme eine geringere Gerichtsgebühr, wenn die institutionelle Partei insofern als vertrauenswürdig gilt und die Zahlung zusichert (zum Beispiel eine Versicherung).
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Überhaupt besteht bei der Verf. eine Tendenz zur moralisierenden Betrachtung der Verfahren (ähnlich wie das übrigens in der DDR der Fall war). Tatsächlich sind die Ursachen für den von der Verf. zu Recht beschriebenen statistischen Wandel anders zu sehen, denn wir erleben einen deutlichen Rückgang der institutionellen Klagen und einen (prozentualen) Anstieg der Klagen von Privaten untereinander:
56
″Über die Jahre hinweg finden rund 45 % aller Zivilrechtsprozesse zwischen ehemaligen Ehegatten oder Lebenspartnern, Verwandten, Hausbewohnern oder Kollegen statt.″ (S. 245). Leider fehlt hier (erneut) ein Quellenbeleg, denn die Zahlen unseres Projekts sprechen eine etwas andere Sprache und es wäre interessant zu sehen, worauf die Differenzen beruhen. Während der Zivilprozess der DDR am Anfang ein Inkassoprozess ist (ähnlich wie in der Bundesrepublik mit der Konstellation Unternehmen/Institution gegen Privaten wegen Forderung) ist der Zivilprozess am Ende der DDR eben einer zwischen Bürgern. Dass sich in dieser Konstellation besonders häufig Bekannte, Verwandte etc. finden, ist in einer Mangelgesellschaft, in der durchaus (zumindest anfangs und bei besonderer persönlicher Nähe) um einen Kochtopf geklagt wurde, nicht verwunderlich. Hier fehlen freilich die Jahreszahlen (über die die Verf. sicher verfügt).
57
Natürlich ist diese Entwicklung gewissermaßen (S. 245) dem Verschwinden des Privateigentums an Produktionsmitteln geschuldet, m. E. vor allem aber der Tatsache, dass sich die am häufigsten klagenden Unternehmen der frühen Jahre der DDR (nämlich die vermietenden Gesellschaften und die Versorger) inzwischen anderer Möglichkeiten bedienen konnten, um ihre Forderungen zu realisieren. ″Dass die staatseigenen Verkäufer und Vermieter an der Eintreibung von Geldschulden nicht sonderlich interessiert waren″ (S. 245) ist eine Behauptung, die nach unseren Zahlen sich so nicht halten lässt. Im Gegenteil: Die Vermieter/Versorger setzten ihre Forderungen nachdem sie sich unternehmerisch organisiert hatten, besonders - so gar teilweise kampagnenartig - durch.43
58
Eine, wie ich finde, zu moralische Sprache verwendet sie auch bei der Rechtsberatung: ″Auch dass ein Rechtsanwalt sich zwischen die Rechtsuchenden und ihren fürsorglichen Richter schiebt, wird seltener. 1979 haben nur noch 15,3 % aller Zivilrechtsparteien und 5,6 % aller Angeklagten in Strafverfahren einen Anwalt.″ (S. 245). Ist der Sachverhalt richtig beschrieben: Ein Anwalt schiebt sich zwischen den fürsorglichen Richter und die Partei/den Angeklagten? Ich habe meine Zweifel.
59
Denn in der DDR war der Prozesserfolg bei geschäftlichen Tätigkeiten höher, wenn anwaltliche Vertretung vorlag.44 Das ist und war in der Bundesrepublik genauso.45 Es kommt zwar im Detail auf die Prozesskonstellation an und man muss das Ergebnis differenziert sehen. Aber Anwaltsvertretung ist etwas sehr legitimes und die DDR hatte m. E. bewusst die Zahl der Anwälte gering gehalten. Die Tätigkeit von Anwälten erschien hier immer als etwas illegitimes, durfte es doch nach der ursprünglichen Konflikttheorie im Sozialismus keine Streitigkeiten geben, die eines gerichtlichen Streits, zumal einer Anwaltsvertretung bedurften - das war natürlich Theorie.46 Die Zahl der Rechtsanwälte im Verhältnis zur Zahl der Rechtsstreitigkeiten nahm m. E. ab.47 .
60
Bei der Beschreibung solcher Sachverhalte ist es schwer, sich von Wertungen fernzuhalten und bei möglichst neutralen Darstellungen zu bleiben. Doch es gibt sicher nicht wenige Fälle, wo Deutlichkeit angezeigt ist. Natürlich kritisiert Verf. die hohlen Versammlungen (S. 254 f.) und sie zeigt - nicht mit der m. E. gebührenden Deutlichkeit -, dass die DDR ein Feudalsystem war, das die Rituale und Mechanismen aus dem 18. Jahrhundert wieder aufgriff. (S. 257). Die erniedrigenden Ergebenheitsadressen und die wiederholten Schuldeingeständnisse auch in Zivilverfahren berühren - um das sehr vorsichtig zu sagen - merkwürdig und hätten durchaus Gegenstand einer kritischen Annäherung sein können.48 Ein Staat, der seine Bürger zu erniedrigenden Äußerungen zwingt, verdient eben keine Achtung: ″Ich hatte seit dem Einzug [vor 5 Jahren] Probleme mit meiner Mietzahlungsdisziplin.″ (S. 258).
61
Zu Recht kritisiert Verf. die Behandlung der Asozialen (S. 261).49 Hier herrschte Staatsterror, der zurückhaltendere Naturen unter den Richtern in große Konflikte führte.50
62
Natürlich beschreibt die Verf. die DDR als das was sie war: Ein großes Gefängnis, der einen Teil seiner Bürger völlig in die Verzweiflung trieb (S. 266). Natürlich zeigt sie gleichfalls wie die Bundesrepublik idealisiert wurde (am Beispiel der Aussagen von fluchwilligen Personen) (S. 266 f.).
63

Das Ende

Der 10. Abschnitt, das Ende (S. 273), zeigt die Degeneriertheit des DDR-Vertragsdenkens. Der sozialistische Vertrag war (nicht nur in der DDR-Theorie) etwas ganz anderes als der Vertrag im freien Westen. Deutlich formuliert die Verf., es gehe in dem Vertrag darum, ″gemeinsam mit dem Vertragspartner gesellschaftskonforme Austauschbeziehungen zu arrangieren.″51 Dieser Satz zeigt - ohne dass Verf. das weiter vertieft - die Entmündigung von Bürgern. Der Vertrag ist nicht mehr die Möglichkeit des Austausches zwischen freien Personen, die in der Praxis auch in freiheitlichen Staaten, natürlich sehr eingeschränkt sein kann. Der Vertrag stand - wie der des Dritten Reiches - letztlich unter Gemeinwohlvorbehalt. Ihm wohnte eine immanente Schranke inne.52 Und die ewigen Versuche der Gerichte, zu überlegen, ″welches Ergebnis eines Rechtstreits gesellschaftliche Ziele am besten fördern würde″, zeigt eine weitere Zurückdrängung von Freiheit (S. 276). Da erinnert manches, in Mitteln und Methode, nicht im Ziel, an das Recht des Dritten Reiches.53
64
Bei sozialen Dauerbeziehungen ″werden Verträge oft gar nicht abgeschlossen.″. Man kann hier die Privatrechtsordnung der DDR geradezu als Fortsetzung der Lehre vom faktischen Vertrag im Dritten Reich begreifen.54 Verträge sind nicht mehr notwendig. Die Regelung der Dinge ist längst vom öffentlichen Recht übernommen.55
65
Man schmunzelt zwar über die Prozesse wegen des Überpreises bei Gebrauchtwagenverkäufen, doch man muss die geradezu schizophrene und die Bürger in die Nähe des Strafrechts treibende Situation vorstellen: Es gab einen funktionierenden Markt für Gebrauchtwagen. Der reale Preis konnte aber gerichtlich nicht durchgesetzt werden. Wer sich darauf berief, geriet in die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung.56
66
Interessant sind die Schlussbemerkungen. Verf. sieht in erster Linie am Anfang der Geschichte den Glauben an den Sozialismus und den allmählichen Verlust an politischem Glauben in der DDR. Eine zweite Entwicklungslinie meint Verf. zu sehen in Bezug auf den Glauben an das Recht. Das System langte 1989 bei stärkerer Formalität und juristischer Routine an. Beide Einschätzungen kann ich nach meiner Kenntnis von Akten nur bedingt teilen. Viele Sätze hören sich gut an: ″Je hoffnungsvoller die politischen Heilserwartungen einer Gesellschaft, desto geringer ihr Bedarf an Recht.″ Wirklich? Hatte die DDR nicht gerade - wie alle modernen Gesellschaften und wie alle modernen Diktaturen - massenweise neues Recht gesetzt? Und das alte Recht unter den Ideologievorbehalt gestellt? Gibt es hier nicht gerade Texte, in denen Hilde Benjamin mit den methodischen Anleitungen eines Roland Freisler übereinstimmt - bei natürlich sehr unterschiedlicher Ideologie?
67
Die persönliche Beobachtung, dass der juristische Glaube ″meiner Richter″ in dem Maße zunimmt, ″wie ihr politischer Glaube abnimmt, bis er am Ende von Zynismus kaum noch zu unterscheiden ist?″. Auch das hört sich plausibel an. Wo findet sich aber in den Akten oder Gesprächen diese Tendenz zur Rechtsstaatlichkeit? Freilich sieht Verf., dass man diese rechtsstaatlichen Anwandlungen durchaus nicht überbewerten soll.
68

Generelle Kritik

Das Buch hat wenig Gliederung. Die Unterteilung eines fast 300seitigen Buches in 10 Kapitel, ohne diese in sich zu unterteilen, macht das Ganze etwas unübersichtlich. Das entspricht dem Parlandostil, der - je nach Einstellung - Bewunderung hervorrufen kann, dem man eben auch wegen der fehlenden Gliederungsaspekte kritischer gegenübertreten kann.
69
Dieses Parlando macht die Untersuchung verbunden mit der farbenkräftigen sympathischen Sprache wunderbar lesbar. Die Lesbarkeit übertüncht aber m. E. manchmal, dass hier eine Diktatur am Werk war, für die Rechtstaatliches bestenfalls ein gelegentliches Feigenblatt darstellte.
70
″Während in der Mehrzahl kapitalistischer Zivilprozesse Leute mit Geld Leute ohne Geld verklagen, die ihre Schulden nicht bezahlen können, prozessieren in Lüritz in der Regel ‚Habenichtse’ miteinander.″ (S. 60). Das ist sehr drastisch formuliert und trifft nach unseren Ergebnissen auch vornehmlich für das Ende der DDR zu. Denn am Anfang der DDR wird das Bild geprägt vom ″Inkassoprozess″57, der auch für die Bundesrepublik prägend ist. Auch der Satzteil ″Leute mit Geld″ weckt sozusagen antikapitalistische Assoziationen. Es sind zumeist Unternehmen, die ihre Forderungen eintreiben. Sind das Leute mit Geld? Ob es sich dabei in jenem Fall um bewussten Warenkredit handelt oder schlichtes Nichtzahlen von Rechnungen, mag offen bleiben. Jedenfalls ist der Satz pacta sunt servanda, um den es in den Verfahren geht, nicht mit den Worten ″Leute mit Geld gegen Leute ohne Geld″ richtig beschrieben.58
71
Auch die Versuche (S. 246 f.) von unter 40jährigen Richterinnen, ″die den störrisch im Saal sitzenden Bauern erklärten, wie sie ihre Kühe füttern sollen″ scheitern. Das Verfahren ist offenbar im Kontext der Versuche zu sehen, die wenigen verbliebenen Einzelbauern (anwesend in der Verhandlung vor erweiterter Öffentlichkeit) in die Genossenschaft zu zwingen. Das sind vom rechtstaatlichen Gesichtspunkt aus unerträgliche Verfahren, die schon an den Tatbestand der Erpressung reichen. Solche Dinge kann man mit m. E. verharmlosenden Begriffen, die von der Verf. gelegentlich gewählt werden, nicht beschreiben. Ohne Zweifel werden die betroffenen Richterinnen das anders empfunden haben.
72
Die Autorin steht Ihren Zeitzeugen sicher nicht unkritisch gegenüber. Und nicht jede historische Untersuchung, die sich auf Zeitzeugen stützt, muss einen solchen Abschnitt aufweisen:
73
″’Das habe ich getan’, sagt mein Gedächtnis. ‚Das kann ich nicht getan haben’, sagt mein Stolz und bleibt unerbittlich. Endlich - gibt das Gedächtnis nach.″ Dieser bekannte Aphorismus von Friedrich Nietzsche (Jenseits von Gut und Böse) beschreibt prägnant die Problematik, welche die retrospektive Schilderung historischen Geschehens durch dessen zeitgenössische Beobachter für die wissenschaftliche Geschichtsforschung mit sich bringt. Zeitzeugen überliefern alles andere als eine ″wahre″, ″objektive″ Sicht auf das von ihnen Erlebte. Ihre Erinnerungen sind vielmehr subjektiver Natur und manifestieren sich, je öfter sie abgefragt werden und umso mehr je länger das Erinnerte vergangen ist, in einem eingeübten und standardisierten Narrativ. Diese Erkenntnis ist - siehe Nietzsche - nicht neu und gilt grundsätzlich für alle historischen Disziplinen. Auch Althistoriker, die ihre Zeitzeugen nur noch aus sekundären Quellen kennen, können etwa bei der Beschreibung des Gallischen Krieges nicht blindlings auf Caesar oder bei der Schilderung der Christenverfolgung nicht auf Eusebius und Lactanz vertrauen - sie müssen deren Schilderungen ständig in Frage stellen, die aus ihnen gewonnenen Informationen kritisch prüfen, ihre Wertungen deuten und gewichten. Die Zeithistoriker - und nur sie allein - stehen hierbei allerdings vor einem massiven Problem: ihre Quellen leben und sprechen noch und können sich gegen ihre Infragestellung zu Wehr setzen. Die Zeitzeugen treten in eine direkte Deutungskonkurrenz zu den Forschern und Historiographen - und diese müssen bangen, in ihrem Bemühen um eine differenzierte Interpretation der Geschichte an die Wand gedrängt zu werden von jenen, die ″dabei″ waren und wissen, ″wie es eigentlich gewesen ist.″59
74
Ob bei der Autorin zu oft Sympathie durchscheint - trotz manchen scharfen Urteils: ″Ich mag ihn nicht″ - mag der Leser entscheiden. Unterschwellig scheint nicht selten Verständnis durch. Der Leser sollte berücksichtigen, wie er/sie sich denn selbst in einer Diktatur verhalten hätte.
75
Die Verf. hat das Vertrauen ihrer Interviewpartner dadurch erlangt, dass sie ihnen Vertraulichkeit zusicherte. Das musste so sein. Denn die Personen haben nicht nur Bewundernswertes über sich preisgegeben, sondern mit (mehr oder weniger) Offenheit gesprochen. Insofern ist die Anonymität verständlich. In unseren eigenen Interviews des Projekts60 haben wir die Interviews gegengelesen und uns das Imprimatur geben lassen, wohl wissend, dass vollständige Offenheit so nicht zu erzielen ist.
76
Bedauerlich wird es allerdings dann, wenn Verf. aus den Akten schöpft, in denen sie jahrelang intensiv gearbeitet hat und sie uns nicht teilhaben lässt, wo wir diese finden und nacharbeiten können. Das gilt besonders für Akten des Bundesarchivs, die man jedenfalls teilweise hätte zitieren können, ohne die Identität der Personen zu enthüllen. Im Übrigen ist zumindest leicht zu entschlüsseln, um welche Stadt, nicht unbedingt um welche Personen, es sich handeln könnte.
77
Bedauerlich ist m. E. auch die zurückhaltende Verwendung von Literatur. Inzwischen hat sich eine Generation von jüngeren und älteren Forschern mit der DDR-Diktatur auseinandergesetzt. In der Rechtsgeschichte sind Dutzende von Dissertationen erschienen, die sich mit manchen Aspekten der Fragen, über die Verf. berichtet, auseinandergesetzt haben. Natürlich wäre es eine Überforderung für eine Einzelforscherin, einen Gesamtüberblick über die Literatur zu geben, aber sind wir nicht eben doch Zwerge, die auf den Schultern anderer, manchmal auch von Riesen stehen? Hätte es nicht manche schöne Untersuchung verdient, zumindest in der Fußnote Erwähnung zu finden, auch dann, wenn man diese Untersuchung nicht vollständig durch- und ausgearbeitet hat?61
78
Diese kritischen Bemerkungen vermögen den positiven Gesamteindruck, den das Buch macht, nicht zu tangieren. Es hat einen unschätzbaren Vorteil: Es ist gut lesbar, manchmal sogar spannend wegen des ‚human touch’ und steht so in der Tradition angelsächsischer Wissenschaftspublikationen, bei denen es nicht um den Wettbewerb um die meisten Fußnoten geht, sondern um die Vermittlung von Erkenntnissen auch an ein breiteres Publikum. Dass man über Details streiten kann, in einigen politischen Aspekten ein anderes Urteil haben kann, steht auf einem anderen Blatt.
79

 

Fußnoten:

1Inga Markovits, Gerechtigkeit in Lüritz. Eine ostdeutsche Rechtsgeschichte. C.H. Beck Verlag, München 2006, 304 S. broschiert, 19,90 €. Das Buch ist mehrfach rezensiert worden: Michael Stolleis, Das spinnenartige Ungetüm, FAZ Nr. 270 vom 20.11.2006; Uwe Wesel, Der Traum von einer gerechten Gesellschaft, DIE ZEIT Nr. 06 vom 1.2.2007; Hubert Rottleuthner, Lüritz gibt es nicht, Rg 11 (2007), S. 212 ff.; Hermann Klenner, Kein Ort. Nirgends, Rg 11 (2007), S. 216 ff.

2 53 Anmerkungen.

3 Erschienen waren drei Bände mit vorbereitenden Studien, Rainer Schröder (Hrsg.), Zivilrechtskultur der DDR, Bd. I (= Zeitgeschichtliche Forschungen, Bd. 2/1), Berlin 1999; Bd. II (= Zeitgeschichtliche Forschungen, Bd. 2/2), Berlin 2000; Bd. III (= Zeitgeschichtliche Forschungen, Bd. 2/3), Berlin 2001. Der abschließende Bericht erscheint 2008 unter dem Titel ″Vom Inkasso- zum Feierabendprozess - Der DDR-Zivilprozess. Zivilrechtskultur der DDR, Bd. IV″ (= Zeitgeschichtliche Forschungen, Bd. 2/4).

4 Die Autorin hat einige Vorstudien veröffentlicht: Inga Markovits, Rechtsstaat oder Beschwerdestaat? Verwaltungsrechtsschutz in der DDR, in: ROW 1987, S. 265 - 281; Inga Markovits, Die Abwicklung. Ein Tagebuch zum Ende der DDR-Justiz, München 1993, Übersetzung ins Englische: Imperfect justice: an East-West German diary, Oxford 1995; Inga Markovits, Der Handel mit der sozialistischen Gerechtigkeit. Zum Verhältnis zwischen Bürger und Gericht in der DDR, in: Thomas Lindenberger (Hrsg.), Herrschaft und Eigen-Sinn in der Diktatur. Studien zur Gesellschaftsgeschichte der DDR, Köln 1999, S. 315 ff.

5Inga Markovits, Die Abwicklung. Ein Tagebuch zum Ende der DDR-Justiz (wie Anm. 4).

6 Die individuelle Betroffenheit der Befragten, die Rechtfertigungsposition, in der sich sicherlich nicht wenige der Interviewten befanden, ist mit zu berücksichtigen. Zu qualitativen Interviews als eine eng mit der verstehenden Soziologie verknüpften Methode siehe auch Marion Wilhelm, ″Wir sind Kinder unserer Zeit″. Qualitative Analyse narrativer Interviews von Justizjuristen der DDR, Berlin 2002, S. 9 ff.

7 Hermann Wentker (Hrsg.), Volksrichter in der SBZ, DDR 1945-1952: eine Dokumentation (= Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte; Bd. 74), München 1997; Jan Erik Backhaus, Volksrichterkarrieren in der DDR(= Rechtshistorische Reihe; Bd. 188), Frankfurt a.M., Berlin, Bern, New York, Paris, Wien 1999; Regina Mathes, Volksrichter - Schöffen - Kollektive: zur Laienmitwirkung an der staatlichen Strafrechtspflege der SBZ/DDR (= Europäische Hochschulschriften, Reihe 2: Rechtswissenschaft, Bd. 2631),Frankfurt a.M., Berlin, Bern, New York, Paris, Wien1999.

8Hans-Peter Haferkamp zur offen politischen Argumentation: Begründungsverhalten des Reichsgerichts zwischen 1933 und 1945 in Zivilsachen verglichen mit Entscheidungen des Obersten Gerichts der DDR vor 1958, in: Rainer Schröder (Hrsg.), Zivilrechtskultur der DDR, Bd. II (wie Anm. 3), S. 15-50; zu einem ähnlichen Ergebnis kommt jüngst Verena Knauf, Die zivilrechtliche Urteilspraxis des Obersten Gerichts der DDR von 1950 - 1958. Veröffentlichungspraxis und Begründungskultur (= Berliner Juristische Universitätsschriften, Grundlagen des Rechts, Bd. 43), Berlin 2007.

9 Das ist das immerwährende Thema von Bernd Rüthers seit seinem Buch: Die unbegrenzte Auslegung. Zum Wandel der Privatrechtsordnung im Nationalsozialismus, Tübingen 1968, inzwischen in 6. Aufl. 2005; ders., Rechtsordnung und Wertordnung. Zur Ethik und Ideologie im Recht,Konstanz 1986; ders., Die Wende-Experten. Zur Ideologieanfälligkeit geistiger Berufe am Beispiel der Juristen,2. Aufl.München 1995; ders., Geschönte Geschichten - Geschönte Biographien. Sozialisationskohorten in Wendeliteraturen. Ein Essay, Tübingen 2001.

10 Das war in der Anfangszeit nach dem Ende des 2. Weltkrieges etwa in Berlin nicht anders, Ernst Reuß, Berliner Justizgeschichte. Eine rechtstatsächliche Untersuchung zum strafrechtlichen Justizalltag in Berlin von 1945-1952, dargestellt anhand der Strafgerichtsbarkeit des Amtsgerichts Berlin-Mitte (= Berliner Juristische Universitätsschriften, Grundlagen des Rechts, Bd. 17), Berlin 2000, S. 9 ff.

11Victor Klemperer, So sitze ich denn zwischen allen Stühlen, Bd. I: Tagebücher 1945 - 1949, Bd. II: Tagebücher 1950 - 1959, hrsg. von Walter Nowojski, 2. Auflage 1999, vgl. Bd. I S. 146 ff. und Bd. II S. 37 ff.

12 Auch die Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft bemängelte die nicht selten schlechte Vorbildung der Teilnehmer von Volksrichterlehrgängen, die letztlich zum Ausscheiden führte, vgl. DASR, BA DP1 SE Nr. 391/1, zitiert bei Hans-Peter Haferkamp/Torsten Wudtke, Richterausbildung in der DDR, in: forum historiae iuris (fhi), http://www.forhistiur.de/zitat/9710haferkamp-wudtke.htm, Artikel vom 25.10.1997, Rn. 39.

13Rainer Schröder, Vom Inkasso- zum Feierabendprozess - Der DDR-Zivilprozess (Zivilrechtskultur der DDR, Bd. IV, wie Anm. 3), Kapitel 2, Gliederungspunkt A. I. 4.

14 Das durchschnittliche Nettoeinkommen der Rechtsanwälte in der DDR lag mit 2.500 M bei weitem über dem, was ein Richter (außerhalb Berlins) selbst als Direktor des Kreisgerichts (nach Markovits 1.500 M, S. 39) erhielt, vgl. Torsten Reich, Die Entwicklung der Rechtsanwaltschaft in der DDR, in: Rainer Schröder (Hrsg.), Zivilrechtskultur der DDR, Bd. I (wie Anm. 3), S. 315 ff., 345 f. sowie Marion Wilhelm/Thomas Kilian, Rechtsstaat mit Ausnahmen - Der DDR-Zivilprozess aus der Perspektive der DDR-Praktiker, in: Rainer Schröder (Hrsg.), Zivilrechtskultur in der DDR, Bd. III (wie Anm. 3), S. 149. Auch Spitzenverdienste von über 5.000 M monatlich konnten einige - wenige - Rechtsanwälte durchaus erzielen, vgl. SAPMO-BArch vorl. SED 304556. Vgl. auch WolfgangBehlert, Organisation und sozialer Status der Richter und Rechtsanwälte in der DDR, in: Kritische Justiz 1991, S. 184 ff.; RudolfWassermann, DDR-Richter als Instrument des SED-Regimes, in: DRiZ 1991, S. 438 ff.

15 So verdiente etwa ein Arbeiter/Angestellter im VEB bzw. im Handel im Jahr 1988 1.280 M bzw. 1.168 M brutto im Monat, Angaben nach Statistisches Amt der DDR (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch der DDR 1989.

16 Vgl. die Aussagen über die Bezahlung von Richtern in den seitens der Projektmitarbeiter geführten Interviews, erscheint 2008 in: Rainer Schröder, Die DDR-Ziviljustiz im Gespräch - 26 Zeitzeugeninterviews.

17 In der nationalen Prestige-Skala (Magnitude-Prestige-Skala) von Wegener (1988) findet sich der Richter immerhin auf Platz zwei der am meisten angesehenen Berufe, vgl. Übersicht bei Jürgen H.P. Hoffmeyer-Zlotnik/Alfons J. Geis, Berufsklassifikation und Messung des beruflichen Status/Prestige, in: ZUMA-Nachrichten 52 (2003), S. 125-138. Auch die Allensbacher Berufsprestige-Skala 2005 deutet auf ein nach wie vor hohes Berufsprestige von Richtern hin, wenngleich eine Orientierung hier nur an den Berufen Hochschullehrer und Rechtsanwalt möglich ist, vgl. Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 7071, URL: http://www.ifd-allensbach.de/news/prd_0512.html.

18 Vgl. hierzu auch Kristina Graf, Das Vermögensgesetz und das Neubauerneigentum, Annäherung an ein fremdes Recht (= Berliner Juristische Universitätsschriften, Grundlagen des Rechts, Bd. 30), Berlin 2004.

19 Die ″Aktion Rose″, die Anfang 1953 stattfand, war nicht nur exemplarisch als ″Hebel der gesellschaftlichen Umwälzung″, sondern ebenfalls ein Beispiel für die Bildung verdeckter, von der DDR-Verfassung verbotener Ausnahme- oder Sondergerichte. Durch diese Blitzaktion wurden die Hotels und Fremdenheime an der Ostseeküste in Volkseigentum gebracht: Rainer Schröder, Geschichte des DDR-Rechts: Straf- und Verwaltungsrecht, in: forum historiae iuris (fhi), http://www.forhistiur.de/zitat/0404schroeder.htm, Artikel vom 6. April 2004.

20 Vgl. Rainer Schröder, Vom Inkasso- zum Feierabendprozess - Der DDR-Zivilprozess (Zivilrechtskultur der DDR, Bd. IV, wie Anm. 3), Kapitel 5 - Ergebnisse der Untersuchung.

21 Vgl. Rainer Schröder, Vom Inkasso- zum Feierabendprozess - Der DDR-Zivilprozess (Zivilrechtskultur der DDR, Bd. IV, wie Anm. 3), Kapitel 5, Gliederungspunkt B. IV. sowie im wissenschaftlichen Begleitband zum Projekt (Gliederungspunkt B. IV.). Der Begleitband wird 2008 unter dem Titel ″Vom Inkasso- zum Feierabendprozess - Der DDR-Zivilprozess. Datensammlung″ erscheinen und enthält weiterführendes, grafisch oder tabellarisch aufbereitetes Material zu den Ergebnissen der Untersuchung. In den Prozessen gegen sozialistische Betriebe und Institutionen hatten Bürger als Kläger signifikant seltener Erfolg als in Prozessen gegen Bürger oder Privatbetriebe. Dies mag daran liegen, dass diese Klagen häufig zurückgenommen wurden.

22 Zum Verbraucherschutz im Dritten Reich ergingen viele Verordnungen zu Preisen und Mieten.

23Rainer Schröder, Vom Inkasso- zum Feierabendprozess - Der DDR-Zivilprozess (Zivilrechtskultur der DDR, Bd. IV, wie Anm. 3), Kapitel 5, Gliederungspunkt D. VI.

24Mary Fulbrook, Herrschaft, Gehorsam und Verweigerung - Die DDR als Diktatur, in: Jürgen Kocka/Martin Sabrow (Hrsg.), Die DDR als Geschichte: Fragen - Hypothesen - Perspektiven (= Zeithistorische Studien, Bd. 2), Berlin 1994, S. 77, 80 f.; Jürgen Kocka, Vereinigungskrise - Zur Geschichte der Gegenwart, Göttingen 1995, S. 115 f.; Stefan Middendorf, Recht auf Arbeit in der DDR. Von den theoretischen Grundlagen bis zu den Berufsverboten für Ausreisewillige (= Berliner Juristische Universitätsschriften Zivilrecht, Bd. 31), Berlin 2000, S. 218 und S. 436 f. stellt fest, dass über die relativ hohe Sicherheit der materiellen Existenz der Bevölkerung letztlich auch die politischen Machtverhältnisse stabilisiert werden sollten.

25 Vgl. auch Andre Botur, Privatversicherung im Dritten Reich. Zur Schadensabwicklung nach der Reichskristallnacht unter dem Einfluß nationalsozialistischer Rassen- und Versicherungspolitik (= Berliner Juristische Universitätsschriften, Zivilrecht, Bd. 6), Berlin 1995.

26 Zur Beeinflussung der Auslegung dieser Norm durch die nationalsozialistische Ideologie vgl. Maria Mammeri-Latzel, Justizpraxis in Ehesachen im Dritten Reich. Eine Untersuchung von Prozessakten des Landgerichts Berlin unter besonderer Berücksichtigung der Ideologie des Nationalsozialismus, Berlin 2002, S. 54 ff.

27Zahlreiche Interviews mit DDR-Zeitzeugen auch bei Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Damals in der DDR - Zeitzeugen erzählen ihre Geschichte (DVD Rom), Bonn 2006.

28 Zur ″Asozialen″-Thematik und besonders zur Entstehungsgeschichte des § 249 StGB (1968) vgl. Sven Korzilius, ″Asoziale″ und ″Parasiten″ im Recht der SBZ/DDR. Randgruppen im Sozialismus zwischen Repression und Ausgrenzung (= Arbeiten zur Geschichte des Rechts in der DDR, Band 4), Köln u.a. 2005, S. 359 ff. Jüngst zum selben Thema auf ähnlicher Quellenbasis, v.a. auch zur Anwendung des Paragrafen im Rechtsalltag Joachim Windmüller, Ohne Zwang kann der Humanismus nicht existieren … - ″Asoziale″ in der DDR, (= Rechtshistorische Reihe Bd. 335), Frankfurt a.M. 2006, S. 191 ff.

29AnneKöhler/Volker Ronge, Einmal BRD - einfach. Die DDR-Ausreisewelle vom Frühjahr 1984, in: Deutschland-Archiv 17 (1984), S. 1280 (zit. n. Markovits S. 171, Fn. 37, dort allerdings mit falscher Seitenzahl).

30Erich Loest, Völkerschlachtdenkmal, Hamburg 1984 und Leipzig 1990.

31 Vgl. auch Annette Armèlin, Die Einflussnahme der Kreis- und Bezirksleitungen der SED auf die Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtsverfahren der Kreis- und Bezirksgerichte, in: Rainer Schröder (Hrsg.) Zivilrechtskultur der DDR, Bd. II (wie Anm. 3), S. 51 - 82. Zahlen zur ″Mitwirkung gesellschaftlicher Kräfte und staatlicher Organe″ am Zivilverfahren liefert auch Boris Alexander Braczyk, (Selbst-) Erziehung der Gesellschaft - der ″neue Arbeitsstil″ im Zivilverfahren der DDR ab 1958, (wie Anm. 3), 497 - 534, S. 530 f.

32 Ähnliches findet man auch bei Eingaben, vgl. Annett Kästner, Eingabewesen in der DDR. Eine Untersuchung von Eingaben zu mietrechtlichen Ansprüchen aus den Jahren 1986 und 1987 (= Berliner Juristische Universitätsschriften, Grundlagen des Rechts Bd. 40), Berlin 2006, S. 226 ff.

33Hubert Rottleuthner, Zur Steuerung der Justiz in der DDR, in: ders./Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Steuerung der Justiz in der DDR. Einflußnahme der Politik auf Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte, Köln 1994, S. 9 - 66, bes. S. 27 ff.; Rez. von Rudolf Wassermann, in: NJW 1995, S. 1139.

34Hans-Peter Haferkamp/Torsten Wudtke, Richterausbildung in der DDR (wie Anm. 12), Rn. 54, 72.

35Johannes Mierau, Die juristischen Abschluß- und Diplomprüfungen in der DDR/SBZ. Ein Einblick in die Juristenausbildung im Sozialismus (= Rechtshistorische Reihe, Bd. 232), Frankfurt a.M. 2001; Malgorzata Liwinska, Die juristische Ausbildung in der DDR im Spannungsfeld von Parteilichkeit und Fachlichkeit, Berlin 1997.

36 Im Jahr 1988 gab es gerade einmal 3.302 Jura-Studenten an DDR-Universitäten (ohne Hochschule des MfS in Potsdam), zit. nach Stefan Gerber, Zur Ausbildung von Diplomjuristen an der Hochschule des MfS (Juristische Hochschule Potsdam) (= Berliner Juristische Universitätsschriften, Grundlagen des Rechts, Bd. 21), Berlin 2000, S. 257. Zum Vergleich: In der Bundesrepublik waren im Wintersemester 1987/1988 mit insgesamt 83.579 Jurastudenten mehr als 25mal (!) so viele Jurastudenten an den Universitäten eingeschrieben, Angaben nach Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch für die BRD 1989, S. 352. Heute sind die Zahlen noch weitaus höher.

37 Eine Übersicht über die Inhalte des DDR-Jurastudiums findet sich bei Hans-Peter Haferkamp/Torsten Wudtke, Richterausbildung in der DDR (wie Anm. 12), Rn. 54, 72.

38Stefan Gerber, Zur Ausbildung von Diplomjuristen an der Hochschule des MfS (Juristische Hochschule Potsdam)(wie Anm. 36).

39Victor Klemperer, So sitze ich denn zwischen allen Stühlen. Bd. I: Tagebücher 1945 - 1949, Bd. II: Tagebücher 1950 - 1959, hrsg. von Walter Nowojski, 2. Aufl. Berlin 1999, z.B. Bd. I S. 446, Bd. II S. 24, 74. Klemperer hatte im Dritten Reich Tagebücher verfasst und später daraus das Werk exzerpiert. LTI: Notizbuch eines Philologen,Berlin 1947, später in Ost und West immer wieder aufgelegt, z.B. Leipzig 1966.

40Hans-Peter Haferkamp, Die heutige Rechtsmißbrauchslehre - Ergebnis nationalsozialistischen Rechtsdenkens? (= Berliner Juristische Universitätsschriften, Grundlagen des Rechts, Bd. 1), Berlin 1995.

41 Den starken Anstieg der Einigungen in der DDR belegt auch die Untersuchung des Zivilprozesses für Berlin. Dieser Anstieg spiegelt letztlich aber die ideologische, auf einen (dauerhaften) Interessenausgleich bedachte Prozessführung wider, Rainer Schröder, Vom Inkasso- zum Feierabendprozess - Der DDR-Zivilprozess (Zivilrechtskultur der DDR, Bd. IV, wie Anm. 3), z.B. Kapitel 5, Gliederungspunkt D. VIII. und generell die Gliederungspunkte zur Erledigung in Kapitel 5.

42Rolf Bender/Rolf Schumacher, Erfolgsbarrieren vor Gericht. Eine empirische Untersuchung zur Chancengleichheit im Zivilprozeß, Tübingen 1980, S. 18, 138.

43Rainer Schröder, Vom Inkasso- zum Feierabendprozess - Der DDR-Zivilprozess (Zivilrechtskultur der DDR, Bd. IV, wie Anm. 3), Kapitel 5, Gliederungspunkt C. 2. Besonders ab 1972 kam es zu einer zweiten Klagewelle in Mietsachen. Es war also gleichwohl ein Interesse vorhanden, die Mietschulden einzutreiben. Dass allerdings ein durch derlei Klagen aufgebauter Druck nur dann entstehen kann, wenn auch mit einer Räumung gerechnet werden musste, was aber in der DDR fast nicht vorkam, steht auf einem anderen Blatt.

44Rainer Schröder, Vom Inkasso- zum Feierabendprozess - Der DDR-Zivilprozess (Zivilrechtskultur der DDR, Bd. IV, wie Anm. 3), vgl. insgesamt Kapitel 5, beispielhaft Gliederungspunkt D. II. 3. b.

45Rolf Bender/Rolf Schumacher, Erfolgsbarrieren vor Gericht (wie Anm. 42), S. 33, 42.

46Ulf Dahlmann, Konflikte in der DDR-Zivilrechts, in: Rainer Schröder (Hrsg.), Zivilrechtskultur der DDR, Bd. I (wie Anm. 3), S. 449 ff., 468 ff.; Manfred Mühlmann, Die Ursachen- und Konfliktforschung in der Zivilprozeßrechtswissenschaft der DDR, in: Rainer Schröder (Hrsg.), Zivilrechtskultur der DDR, Bd. III (wie Anm. 3), S. 65 ff.; Torsten Reich, Die Entwicklung der Rechtsanwaltschaft in der DDR, , in: Rainer Schröder (Hrsg.), Zivilrechtskultur der DDR, Bd. I (wie Anm. 3), S. 315 ff.

47 Vgl. hierzu die Tabellen 5 und 6 im Anhang bei Thomas Lorenz, Die Rechtsanwaltschaft in der DDR (= Schriftenreihe Justizforschung und Rechtssoziologie, Bd. 2), Berlin 1998, S. 292 f.; Tabelle 6 zeigt insb., dass die Zahl der Rechtsanwälte im Verhältnis zur Zahl der Bürger abnimmt. Eine Darstellung des Verhältnisses von zugelassenen Rechtsanwälten und der Zahl der Rechtsstreitigkeiten findet sich nicht, allerdings ist die Zahl der Rechtsanwälte bei gleichzeitig steigenden Prozesszahlen ab 1972 weiter rückläufig (vgl. Rainer Schröder, Vom Inkasso- zum Feierabendprozess - Der DDR-Zivilprozess (Zivilrechtskultur der DDR, Bd. IV, wie Anm. 3), Kapitel 5, Gliederungspunkt A.).

48 Für den Bereich des Eingabewesens in mietrechtlichen Fragen Annett Kästner, Eingabewesen in der DDR (wie Anm. 32).

49Sven Korzilius, ″Asoziale″ und ″Parasiten″ im Recht der SBZ/DDR, Köln 2005; Joachim Windmüller, Ohne Zwang kann der Humanismus nicht existieren … - ″Asoziale″ in der DDR (beide wie Anm. 28).

50Rainer Schröder, Ein Richter, die Stasi und das Verständnis von sozialistischer Gesetzlichkeit, in: Meinhard Heinze/Jochem Schmitt (Hrsg.), Festschrift fürWolfgang Gitter, Wiesbaden 1995, S. 875 - 899.

51Inga Markovits, Sozialistisches und bürgerliches Zivilrechtsdenken in der DDR, Köln 1969.

52Hans-Peter Haferkamp, Die heutige Rechtsmißbrauchslehre - Ergebnis nationalsozialistischen Rechtsdenkens? (wie Anm. 40), S. 303 ff.; Rainer Schröder, Zur Rechtsgeschäftslehre in nationalsozialistischer Zeit, in: Peter Salje (Hrsg.), Recht und Unrecht im Nationalsozialismus, Münster 1985, S. 8 ff., 18.

53Rainer Schröder, Das ZGB der DDR von 1976, verglichen mit dem Entwurf des Volksgesetzbuches der Nationalsozialisten von 1942, in: Jörn Eckert/Hans Hattenhauer (Hrsg.), Das Zivilgesetzbuch der DDR vom 19. Juni 1975. Rechtswissenschaftliches Kolloquium an der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam, Goldbach 1995, S. 31 - 71.

54 Das Konzept wurde in der DDR ernstlich diskutiert, dann aber wegen der Nähe zum Haupt’schen Konzept und der zu starken Verwurzelung im bürgerlichen Individualismus verworfen, vgl. Andrea Deyerling, Vertragslehre im Dritten Reich und in der DDR während der Geltung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Eine vergleichende Betrachtung unter besonderer Berücksichtigung der Diskussion des faktischen Vertrages in der Bundesrepublik (= Schriften der Rechtswissenschaft; Bd. 19), Bayreuth 1996, S. 98, 109 ff.

55Rainer Schröder, Zur Rechtsgeschäftslehre in nationalsozialistischer Zeit (wie Anm. 52), S. 8 ff., 18.

56 Vgl. dazu die Schilderung eines Rechtsanwalts’ in Rainer Schröder, Die DDR-Ziviljustiz im Gespräch - 26 Zeitzeugeninterviews (wie Anm. 16), Interview 5.

57Rainer Schröder, Vom Inkasso- zum Feierabendprozess - Der DDR-Zivilprozess (Zivilrechtskultur der DDR, Bd. IV wie Anm. 3), Kapitel 5 a.E.

58 Vgl. die Darstellung bei Rolf Bender/Rolf Schumacher, Erfolgsbarrieren vor Gericht (wie Anm. 42), S. 71 ff. und 122 ff., die zwischen Firmen und Privatpersonen differenzieren und damit auch den Ursprung der Forderung besser bestimmen können. Denn oftmals resultiert das häufige Auftreten von Firmen in Prozessen nicht aus ihrer finanziellen Stärke (″Leute mit Geld″), sondern wirtschaftlicher Zwangsläufigkeit.

59 Der Zeitzeuge. Annäherung an ein geschichtskulturelles Gegenwartsphänomen, Veranstalter Martin Sabrow (Potsdam); Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD) 19. - 22.09.2006, Konstanz, Bericht von: Nikolai Wehrs, Universität Potsdam, in: HSozKult vom 10.10.2006, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=1193.

60Rainer Schröder, Die DDR-Ziviljustiz im Gespräch - 26 Zeitzeugeninterviews (wie Anm. 16).

61 Vgl. eine Zusammenstellung juristischer DDR-Literatur auf 187 Seiten im Internet unter http://www.rewi.hu-berlin.de/jura/ls/srd/.

Weiterhin zu nennen, vorstehend z.T. bereits auch erwähnt, sind die Arbeiten von: Heike Amos, Justizverwaltung in der SBZ/DDR. Personalpolitik 1945 bis Anfang der 50er Jahre (= Arbeiten zur Geschichte des Rechts, Bd. 1), Köln 1996; Ben Balkowski, Der Zivilprozeß in der DDR von 1945 bis 1975 zwischen bürgerlicher Rechtstradition und Sozialismus, Hamburg 2000; Andrea Deyerling, Vertragslehre im Dritten Reich und in der DDR während der Geltung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Eine vergleichende Betrachtung unter besonderer Berücksichtigung der Diskussion des faktischen Vertrages in der Bundesrepublik (= Schriften der Rechtswissenschaft; Bd. 19), Bayreuth 1996; Stefan Gerber, Zur Ausbildung von Diplomjuristen an der Hochschule des MfS (Juristische Hochschule Potsdam)(= Berliner Juristische Universitätsschriften, Grundlagen des Rechts, Bd. 21), Berlin 2000; Kristina Graf, Das Vermögensgesetz und das Neubauerneigentum, Annäherung an ein fremdes Recht (= Berliner Juristische Universitätsschriften, Grundlagen des Rechts, Bd. 30), Berlin 2004; Guido Harder, Das verliehene Nutzungsrecht: Herausbildung und Entwicklung eines Rechtsinstituts des DDR-Bodenrechts (= Berliner Juristische Universitätsschriften, Grundlagen des Rechts, Bd. 10), Berlin 1998; Thomas Horstmann, Logik der Willkür (= Arbeiten zur Geschichte des Rechts in der DDR Bd. 3), Köln 2002; Annett Kästner, Eingabewesen in der DDR. Eine Untersuchung von Eingaben zu mietrechtlichen Ansprüchen aus den Jahren 1986 und 1987 (= Berliner Juristische Universitätsschriften, Grundlagen des Rechts, Bd. 40), Berlin 2006; Verena Knauf, Die zivilrechtliche Urteilspraxis des Obersten Gerichts der DDR von 1950-1958. Veröffentlichungspraxis und Begründungskultur (= Berliner Juristische Universitätsschriften, Grundlagen des Rechts, Bd. 43), Berlin 2007; Dietmar Kurze, Sozialistische Betriebe und Institutionen als Verklagte im DDR-Zivilprozess (= Berliner Juristische Universitätsschriften, Grundlagen des Rechts, Bd. 37), Berlin 2005; Stefan Middendorf, Recht auf Arbeit in der DDR. Von den theoretischen Grundlagen bis zu den Berufsverboten für Ausreisewillige (= Berliner Juristische Universitätsschriften Zivilrecht, Bd. 31), Berlin 2000; Johannes Mierau, Die juristischen Abschluß- und Diplomprüfungen in der DDR/SBZ. Ein Einblick in die Juristenausbildung im Sozialismus (= Rechtshistorische Reihe, Bd. 232), Frankfurt a.M. 2001; Marcus Mollnau, Die Bodenrechtsentwicklung in der SBZ/DDR anhand der Akten des Zentralen Parteiarchivs der SED (= Berliner Juristische Universitätsschriften, Grundlagen des Rechts, Bd. 15), Berlin 2001; Johannes Raschka, Justizpolitik im SED-Staat. Anpassung und Wandel des Strafrechts während der Amtszeit Honeckers (= Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung Bd. 13), Köln 2000; Torsten Reich, Die Erforschung der objektiven Wahrheit. Zivilprozessualer Wandel in der DDR (= Berliner Juristische Universitätsschriften, Grundlagen des Rechts, Bd. 22), Berlin 2004; Ernst Reuß, Berliner Justizgeschichte. Eine rechtsstaatliche Untersuchung zum strafrechtlichen Justizalltag in Berlin von 1945-1952, dargestellt anhand der Strafgerichtsbarkeit des Amtsgerichts Berlin-Mitte (= Berliner Juristische Universitätsschriften, Grundlagen des Rechts, Bd. 17), Berlin 2000; Annette Rosskopf, Friedrich Karl Kaul, Anwalt im geteilten Deutschland, 1906-1981 (= Berliner Juristische Universitätsschriften, Grundlagen des Rechts, Bd. 19), Berlin 2002; Thomas Thaetner, Die Zwangsvollstreckung in der DDR (= Berliner Juristische Universitätsschriften, Grundlagen des Rechts, Bd. 25), Berlin 2003; Petra Thiemrodt, Die Entstehung des Staatshaftungsgesetzes der DDR. Eine Untersuchung auf der Grundlage von Materialien der DDR-Gesetzgebungsorgane mit zeitgeschichtlichen Bezügen (= Rechtshistorische Reihe, Bd. 315), Frankfurt a.M. 2005; Marion Wilhelm, ″Wir sind Kinder unserer Zeit″ - Qualitative Analyse narrativer Interviews von Justizjuristen der DDR, Berlin 2002; Joachim Windmüller, Ohne Zwang kann der Humanismus nicht existieren … - ″Asoziale″ in der DDR, (wie Anm. 28). Eine umfassende Übersicht zu den zum Zivilrecht der DDR erschienen Arbeiten findet sich bei Rainer Schröder, Vom Inkasso- zum Feierabendprozess - Der DDR-Zivilprozess. Zivilrechtskultur der DDR, Bd. IV″ (wie Anm. 3).

Articles Dec. 7, 2007
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ISSN: 1860-5605
First publication
Dec. 7, 2007

  • citation suggestion Rainer Schröder †, Gerechtigkeit in (oder für?) Lüritz - Zu Markovits’ Schilderung eines DDR-Gerichts (Dec. 7, 2007), in forum historiae iuris, https://forhistiur.net2007-12-schroder