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Reviewed by: Alexandr Svetlicinii*

Tamás Nótári, Studia Iuridico-philologica I. Studies in Classical and Medieval Philology and Legal History

(Hungarian Polis Studies, 14) Debrecen: University of Debrecen 2007, 313 Seiten, ISBN: 978-963-473-064-4, ISSN: 1417-1708

 

Der in 2007 in der Reihe der „Hungarian Polis Studies” erschienene Sammelband des ungarischen Romanisten und Mediävisten Tamás Nótári enthält zwölf in englischer, deutscher und französischer Sprache verfaßte Aufsätze, die sich, wie der Titel des Bandes andeutet, mit verschiedneen Fragen der antiken und mittelalterlichen Rechtsgeschichte und Philologie auseinandersetzen. Um die Perspektivbildung des Autors besser verstehen zu können, sollen zunächst die Aufsätze einzeln besprochen werden, um dann eine umfassende Würdigung des Bandes folgen zu lassen. Es wird schon aus dem chronologisch angelegten Inhaltsverzeichnis ersichtlich, dass sich diese Aufsätze über eine enorm große Zeitspanne erstrecken, angefangen von der homerischen Epoche bis in das 20. Jh., und, wie der Titel des ganzen Bandes zeigt, dass dabei der philologische Aspekt eine ebenso große Rolle spielt wie der rechtshistorische. Da der Autor hauptsächlich antike und mittelalterliche Themen behandelt, wollen wir zuerst jene Aufsätze genauer unter die Lupe nehmen, die antike, griechische, bzw. römische Themen zu ihrem Gegenstand haben, und dann einige Bemerkungen über die mediävistischen Arbeiten machen.

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Die ersten zwei Artikel, The Scales as the Symbol of Justice in the Iliad” (S. 9–20) und „Hesiod und die Anfänge der Rechtsphilosophie” (S. 21–44)behandeln Themen aus dem Bereich der frühgriechischen Rechts-, bzw. wie sich noch zeigen wird, Religionsgeschichte. Im ersten Beitrag untersucht der Autor zuerst die verschiedenen Bedeutungen des Wortes dikē in den homerischen Epen1 und das durchaus komplexe Problem der Personifizierung abstrakter Begriffe, wie z.B. der dikē im archaischen Denken, worauf wir noch im Zusammenhang des Aufsatzes über Hesiod zurückkommen werden. Da der Aufsatz eigentlich die Waagensymbolik zum Gegenstand hat, wendet sich der Autor der bekannten Wiegeszene der Ilias zu, wo Zeus im Kampf zwischen Achilles und Hektor sein Urteil mit Hilfe seiner goldenen Waage trifft.2 Diese Szene pflegt man gewöhnlich als Seelenwägung zu bezeichnen, aber, wie der Autor recht überzeugend beweist, es handelt sich hierbei nicht um eine Seelenwägung, d.h. Psychostasie, sondern um eine sog. Kerostasie. Zeus wägt nämlich nicht die psykhai der Kämpfenden, sondern ihre kēre, den in ihren psykhai entstandenen Schaden, den Verlust an Lebenskraft gegeneinander ab, was der Autor einerseits durch die Struktur der Wägungszene beweist, bei der nämlich die Waagschale des im Kampf unterliegenden Hektors nach unten sinkt, und andererseits durch den Bezug auf die Vasendarstellungen solcher Wägungszenen, bei denen gerade die Waagschale des Siegers nach unten sank.3 Nach einem kurzen Ausblick auf die Wägungszene im ägyptischen Totengericht werden die Parallelen und Unterschiede zwischen den Strukturen beider Wägungsrituale hervorgehoben. Schließlich zeigt der Autor den Einfluß der homerischen Kerostasie auf die Wägungszene in der Aeneis, wo Jupiter die fata des Aeneas und des Turnus auf die Waage legt, was das Todesurteil für den König der Rutuler bedeutet.4 Die Strukturanalyse der antiken, hauptsächlich homerischen, aber auch ägyptischen und römischen Wägungszenen zeugt von einem tiefen Verständnis der antiken Religionsgeschichte. Unserer Meinung nach wäre es allerdings sinnvoller, wenn im Titel des Aufsatzes nicht die Gerechtigkeitswaage, sondern die Schicksalswägung enthalten wäre, da der vom Autor vermutete direkte Zusammenhang zwischen der Waage des Zeus und der Gerechtigkeit nicht mit hinreichender Deutlichkeit zutage kommt.

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In seinem Aufsatz über die Rechtsphilosophie des Hesiod nimmt der Autor zuerst das Proömium des Epos Ergakai hēmeraiin den Blick, den Hesiod als zur Arbeit und Rechtschaffenheit ermahnendes Lehrgedicht an seinen streitsüchtigen Bruder Perses schrieb, der ihn mit der Hilfe „geschenkefressender“ Richter (dorophagoi basilēs) um sein väterliches Erbe gebracht hatte.5 Im organischen Zusammenhang mit der hesiodischen Begründung der Notwendigkeit der Arbeit und der Erfindung des Rechtssystems stehen die Mythen des Prometheus und der Pandora bzw. die Erzählung von den fünf Weltaltern, die der Dichter an das Proömium anfügt. Der Autor analysiert diese Mythen mit großer philologischer Präzision im Hinblick auf die hesiodische Theogonie, aber er gibt auch wertvolle Hinweise zu den orientalischen Parallelen des Mythos von den aufeinander folgenden Zeitaltern. Besondere Aufmerksamkeit verdient die schon erwähnte Ausführung über die Personifikation abstrakter Begriffe im Altertum. Der Autor betont hierbei, dass es sich bei diesem Phänomen nicht um eine Personifikation, sondern um das sog. Person-Bereich-Denken des antiken Menschen gehandelt haben soll, und er nimmt des öfteren auf die Theorie von Person-Bereich-Einheiten des österreichischen Philologen Walter Pötscher Bezug.6 Das Person-Bereich-Denken war nach Ansicht von Nótári für die Menschen der Antike eine besondere Art die Dinge zu erfahren: im Laufe dessen konnte er die sachliche Wahrheit als solche (Gegenstände, Abläufe, Zustände) und auch als göttliche Person erleben. Seiner Meinung nach zeigt die Bezeichnung mit demselben Wort nach außen ein Nebeneinander der Begriffe. In Wahrheit geht es aber um die Einheit der Person und des von ihr vertretenen Bereichs, eine Funktion, in der einmal der eine, einmal der andere Aspekt in den Vordergrund tritt. Auf diese Ausführung folgt eine Analyse jener Zeilen der hesiodischen Erga, in denen der Dichter die Gerechtigkeit als eine für das menschliche Zusammenleben unentbehrliche Idee lobt und hervorhebt, dass dies jener wesentliche Punkt sei, was den Menschen von den Tieren unterscheidet.7 Im Hesiodaufsatz formuliert der Autor, indem er reichlich aus der griechischen Religionsgeschichte schöpft, für den Rechtshistoriker durchaus interessante, wertvolle und zum Nachdenken anregende Gedanken über Hesiod, den seines Erachtens ersten Rechtsphilosophen des Abendlandes.

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Hierauf folgen fünf Aufsätze, in denen der Autor sich mit Themen aus dem Bereich des römischen Rechts und der römischen Religionsgeschichte auseinandersetzt, nämlich „Numen and Numinousity – On Some Aspects of the Roman Concept of Authority” (S. 45–74), Summum ius summa iniuria– The Historical Background of a Legal Maxim” (S. 75–96), „Die Lanze als Macht- und Eigentumssymbol im antiken Rom (S. 97–128), Remarks on the Origin of the legis actio sacramento in rem” (S. 129–152) und „Remarques sur le ius vitae necisque et le ius exponendi” (S. 153–178). Nun sollen diese Aufsätze, die schon (aber nicht nur) wegen ihrer Zahl, den Kern des Bandes darstellen, besprochen werden.

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In dem komplexen und gedankenreichen Aufsatz über numen, der zu den besten Arbeiten des Bandes gehört, erörtert der Autor ein höchst problematisches und umstrittenes Thema in Verbindung mit dem römischen Autoritätsbegriff.8 Den Ausgangspunkt für ihn bildet die Etymologie des Wortes numen, doch er bleibt nicht bei einer bloßen grammatischen Interpretation, sondern versucht, auch mit Hilfe der Gegenüberstellung der Ansichten in der ziemlich  uneinheitlichen Fachliteratur zum Sinn des römischen numen vorzudringen.9 Auf den ersten Blick mag es überraschend erscheinen, dass der Autor innerhalb dieses Aufsatzes dem römischen Triumph und dem Priesteramt des Flamen Dialis eine längere Ausführung widmet.10 Wenn man aber dem Gedankengang Nótáris folgt, wird deutlich, dass diese Analysen im Rahmen des Numenaufsatzes äußerst angebracht sind. Denn der Autor begründet damit die These, dass für die Römer unter anderem die Präsenz der Gottheit in menschlicher Form das Numinosum als solches darstellte, da die römische Religion stets bedacht war jegliche Erscheinung des Göttlichen zu vermeiden, was auch der Brauch der procuratio prodigii beweist. Denn wie schon Walter Pötscher zureffend formulierte: Der Flamen Dialis darf Priester im engeren Sinne des Wortes genannt werden, nicht so, wie man gelegentlich auch die Pontifices Priester zu nennen pflegt. Er repräsentiert den Gott, er macht den Gott in einer Form präsent.11 Dies erklärt auch jene zahlreichen Tabus, mit denen das Leben des Jupiterpriesters umgeben war. Ebenso wurde der Triumphator für die Zeit seines Triumphzuges mit dem kapitolinischen Jupiter identifiziert, d.h. er trat aus der menschlichen Sphäre in die göttliche über.12 Der Autor zeigt also an zwei Beispielen ganz deutlich, was die Römer unter numen, bzw. Numinosum verstanden, und wie sie mit diesem in Form von Ritualen umgingen. Schließlich wendet er sich dem Problem der auctoritas zu,13 die er mit Hilfe des Begriffs des numen Augusti erläutert. Das Amt des Augurs, der mit großer Wahrscheinlichkeit ursprünglich dank seiner Mana für das Wachstum innerhalb der Gemeinde verantwortlich gewesen war, war zweifelsohne ebenfalls ein numinoses Element der römischen Religion. Der Autor mißt dabei dem Umstand besondere Bedeutung zu, dass Oktavian sich eben den Namen Augustus zulegte, um sich hiermit auch charismatisch zu legitimieren. Nótári untermauert seine These vom Numinosum für die ursprüngliche und dann bei Augustus wieder deutlich werdende Bedeutung vom Begriff der auctoritas auch durch Zitate von Carl Gustav Jung, und verwendet die Ergebnisse der analytischen Psychologie dazu, das Epithet numen Augusti in seiner Komplexität zu erklären. Dieser überaus schwierige, vielschichtige und tiefgründige Aufsatz gehört unserer Meinung nach zu den besonders wertvollen Beiträgen, in das Thema des numen und der auctoritas im römischen Denken erörtert worden ist.

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Der Aufsatz über die Lanzensymbolik hängt mit dem Beitrag über die Struktur der legis actio sacramento in rem inhaltlich zusammen, daher sollen beide Beiträge gemeinsam betrachtet werden. Der Autor setzt sich zwar fast kaum mit der Fachliteratur zur legis actio auseinander, was aber schon deswegen verständlich ist, weil allein die Aufzählung der in den letzten zwei Jahrhunderten entstandenen Thesen und Hypothesen den Rahmen eines Aufsatzes sprengen würde. Er entwirft stattdessen eine eigene, durchaus überzeugende These über die Herkunft, und damit über die Struktur der legis actio sacramento in rem. Er geht davon aus, dass in der Fachliteratur zwei grundverschiedene Überzeugungen über die legis actio sacramento in rem vorzufinden sind: einige glauben ihren Ursprung im Zweikampf,14 andere wiederum in der Wortmagie finden zu können.15 Hiergegen meint Nótári, die zwei Theorien in eine These harmonisch verschmelzen zu können, indem er zu beweisen versucht, dass der symbolische Zweikampf und die strikte Form des carmen einander gerade nicht widersprechende Elemente seien. Er untersucht hierbei einige Beispiele aus dem Bereich der römischen Religion, bei denen dem gesprochenen Wort eine wirklichkeitsgestaltende und wirklichkeitsschaffende Kraft beigemessen wurde, und erklärt damit die strenge Formgebundenheit der legis actio sacramento in rem. Bei der Erklärung der Lanzensymbolik geht er ausführlich auf die Verwendung der Lanze im Marskult ein und erörtert jene Rituale, bei denen die Römer in der Lanze Mars selbst verehrt hatten.16 Dies verleitet ihn zur Folgerung, dass Mars, im Grunde genommen, ebenfalls als Person-Bereich-Einheit aufzufassen ist, wodurch er wiederum Rückschlüsse auf die Struktur der legis actio sacramento in rem zieht, in der der Stab als Symbol der Lanze, die aber als Symbol des rechtmäßigen Eigentums gebraucht wurde.17 Nach der Herausarbeitung zahlreicher Parallelen zwischen dem ius fetiale und der legis actio sacramento in rem und einer Strukturanalyse der Casina, einer Komödie des Plautus, in deren Kernstück es um das Eigentum über eine Sklavin gleichzeitig mit Waffengewalt und Losorakel gekämpft wird, stellt der Autor die These auf, dass eben diese Indizien für eine Interpretation der legis actio sacramento als sacrum duellum, d.h. als ursprünglich durch tatsächlichen Zweikampf ausgetragenes Gottesurteil sprechen. Ohne Zweifel ist es überaus schwierig ein abgewogenes Urteil über eine Theorie bezüglich der legis actio sacramento in rem zu bilden, zumal da die Literatur überreich an Thesen und Hypothesen über die Ursprünge der römischen Legisaktion ist. Die Theorie von Nótári verdient allerdings Beachtung, weil sie bislang weniger beachtete Parallelen in den Vordergrund rückt, die hilfreich sein können, die Struktur dieses archaischen Rituals besser zu verstehen.

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Im Aufsatz über das Rechtssprichwort „summum ius summa iniuria” analysiert der Autor die Entwicklungsstadien des in seiner endgültigen Form in Ciceros De officiis18 überlieferten Rechtssprichwortes.19 Von Terenz20 bis Hieronymus21 sind uns verschiedene Versionen des bis zum heutigen Tag gültigen Rechtssprichwortes überliefert worden, die allerdings nicht nur in ihrer Form, sondern auch ihrem Inhalt nach verschiedene Bedeutungen haben. Interesse verdient der Versuch des Autors, den Gedanken des ciceronianischen Rechtssprichwortes mit der Sentenz „ius est ars boni et aequi” des Celsus in Gleichklang zu bringen und aufgrund dieser zwei bekannten Sätze Rückschlüsse auf den römischen Gerechtigkeitsgedanken zu ziehen. Seine Thesen über die Rolle der aequitas bei Cicero führte der Autor in seiner neulich erschienenen Monographie über Ciceros Rede für Murena weiter aus.22

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Der letzte Aufsatz, der sich mit einem antiken, bzw. römischrechtlichen Thema befaßt, behandelt die väterliche Gewalt. Hier wendet sich der Autor wieder seiner – allem Anschein nach – liebsten Epoche des römischen Rechts, der archaischen Periode zu. Das ius vitae ac necis und das ius exponendi bilden bekanntlich einen wichtigen Teil der patria potestas, bei ihrer Beurteilung ist sich die Wissenschaft durchaus nicht einig.23 Der Autor trennt diese beiden Gewalten konsequent von einander, indem er behauptet das ius vitae ac necis sei ein Tötungsrecht entweder aufgrund des Beschlusses des Hausgerichts oder als Folge der väterlichen Gewalt über die beim Ehebruch ertappte Tochter gewesen, während er den Ursprung des ius exponendi im Sakralrecht, und zwar im Brauch der procuratio prodigii finden will. Nótári behandelt zwar auch jene Quellen, die vom Status der ausgesetzten Kinder handeln, interessanter sind allerdings seine Erörterungen über die Etymologie des Wortes Prodigium. Das etymologische Wörterbuch leitet das Wort aus prod-aio ab,24 der Autor schlägt aber eine andere, sprachlich ebenfalls zufriedenstellende, aber religionsgeschichtlich plausiblere Etymologie vor. Er stellt fest, dass das Prodigium an sich noch nichts ’aussagte’, denn ansonsten wären die Pontifices, die Haruspices und die sibyllinischen Bücher nicht zu Hilfe gerufen worden. Er argumentiert, dass das Wort Prodigium vielmehr aus prod-ago abgeleitet werden sollte, da nach dem Glauben der Römer beim Erscheinen oder bei der Geburt eines Prodigiums die bis dahin unter der Oberfläche wirkenden übernatürlichen Kräfte deutlich ans Licht getreten seien. Da die römische Religion in der Epiphanie etwas Unnatürliches und Unheilbringendes sah und da für die Römer die pax deoum das im Alltag unsichtbare Wirken ihrer Gottheiten bedeutete, können wir dieser Interpretation des Autors beipflichten.

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Ohne auf die Aufsätze „Comments on Bishop Virgil’s Activity in Bavaria” (S. 179–202), „Tasilo III’s Dethronement – Remarks on an Early-Medieval Show Trial” (S. 203–232), „The Trial of Methodius in the Mirror of the Conversio Bagoariorum et Carantanorum” (S. 233–282) und „Die Geschichte des Ingo bei Enea Silvio Piccolomini” (S. 283–304) über die frühmittelalterliche Rechtsgeschichte allzu detailliert eingehen zu wollen, sollen über sie doch einige kurze Bemerkungen gemacht werden. Die ersten drei Aufsätze behandeln überaus interessante Themen aus dem Bereich der frühmittelalterlichen bayerischen Rechtsgeschichte, der vierte befaßt sich mit dem Fortwirken einer bayerischen Legende aus dem 9. Jh. im De Europa des Enea Silvio Piccolomini, d.h. er gehört thematisch eher zur frühmittelalterlichen bayerischen Historiographie und Rechtsgeschichte als zur humanistischen Geschichtsschreibung. Im Aufsatz über Bischof Virgil, einen Salzburger Abtbischof irischer Abstammung, der die bayerischen Geschichte in der zweite Hälfte des 8. Jh. sowohl in geistiger wie auch in politischer Hinsicht stark geprägt hat, behandelt der Autor den Konflikt zwischen Bonifaz und Virgil, nimmt Stellung zur Datierung der Bischofsweihe Virgils und untersucht den Besitzstreit zwischen dem Abtbischof und Odilo, dem Herzog von Bayern.

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In vielerlei Hinsicht bemerkenswerter ist allerdings die Arbeit über die Entthronung Tassilos III., des letzen Herzogs des unabhängigen Bayern.25 Der Autor erörtert zuerst mit welchen Schwierigkeiten bezüglich der Quellenlage man konfrontiert wird, wenn man eine wahrheitsgetreue Rekonstruktion des im Jahr 788 von Karl dem Großen veranstalteten Schauprozesses anstrebt, der zur Entthronung des letzten Agilolfingerherzogs führte. Diese lassen sich kurz in dem Satz zusammenfassen, dass die Geschichte immer von den Siegern geschrieben wird, d.h. dass die fränkischen Quellen größtenteils bemüht sind, das Vorgehen des Frankenkönigs zu legitimieren. Nach Erörterung des historischen Hintergrundes wendet sich der Autor dem eigentlichen Schauprozeß zu und formuliert nach beispielhaft präziser Quellenanalyse die Meinung, dass einige Anklagepunkte bzw. Vergehen die vom Frankenkönig bzw. den prokarolingisch eingestellten bayerischen Adligen gegen Tassilo III. vorgebracht wurden, vom Bayernherzog mit Sicherheit nicht begangen werden konnten bzw. Erfindungen des Verfassers der Reichsannalen gewesen sein mussten.

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Im Aufsatz über den Prozeß gegen den Slavenaposten Method und die dazu verfasste Klageschrift, die 870 verfaßte Conversio Bagoariorum et Carantanorum, gibt Nótári eine detaillierte Darstellung über die Missionsarbeit des Salzburger Erzbistums in Karantanien, Moravien, Pannonien und Bulgarien, und macht damit die Hintergründe des Schauprozesses gegen Methodius transparent. Hiernach behandelt er ausführlich die von den bayerischen Bischöfen in Regensburg gegen den päpstlichen Legaten vorgebrachten Anklagepunkte, die schließlich zu einer zweijährigen Haft des Method in Schwaben führten, aus der er nur dank energischer päpstlicher Intervention freikam.26 Der Aufsatz über die Legende des Ingo behandelt ebenfalls eine Stelle der Conversio Bagoariorum et Carantanorum, und gibt zugleich wertvolle Informationen über die Verwendung frühmittelalterlicher Texte in der spätmittelalterlichen und humanistischen Geschichtsschreibung. Der Autor gelangt zur Ansicht, dass der von Enea Silvio Piccolomini als karantinischer Herzog erwähnte Ingo keine historische Person sei, diese Figur ihr Dasein nur einer grammatischen Fehlinterpretation verdanke, und zeigt, dass der in der Conversio genannte Ingo mit großer Wahrscheinlichkeit ein Priester in Karantanien gewesen sein mußte. Der zwölfte Aufsatz im Band „Portrait zweier ungarischer Mediävisten, Gyula Kristó und Samu Szádeczky Kardoss” (S. 305–313) gewährt einen kurzen Einblick in das Lebenswerk jener zwei 2004 verstorbenen Professoren, die das wissenschaftliche Profil des Autors am meisten geprägt haben. Hierzu hat der Rezensent nicht viel zu sagen, dies ist ein pietätsvoller Nachruf zweier hervorragender Gelehrten der ungarischen klassischen Philologie, bzw. Mediävistik und Byzantinistik, der allerdings auch wertvolle Hinweise über ihre bedeutendsten Arbeiten enthält.

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Die Arbeiten über die frühmittelalterliche bayerische Rechtsgeschichte und Historiographie zeugen, obwohl sie natürlich einen schmaleren Leserkreis ansprechen als die romanistischen Aufsätze, einerseits von der gründlichen Kenntnis des mittelalterlichen Quellenmaterials, andererseits von den vielfältigen Interessen des Autors. Gut erkennbar ist die Kohärenz zwischen den mediävistischen Arbeiten, da sie sich mit rechtshistorischen Problemen des frühmittelalterlichen Bayerns befassen.

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In allen Aufsätzen werden Fragen der griechischen und römischen Rechts- und Religionsgeschichte, Rechtssymbolik und der frühmittelalterlichen Rechtsgeschichte und Geschichtsschreibung erörtert, die thematisch ziemlich weit auseinander gehen. Es fragt sich, ob wir es beim Sammelband Nótáris dennoch mit einer kohärenten Arbeit zu tun haben. Ein Bindeglied zwischen den romanistischen und den mediävistischen Arbeiten lässt sich schwer finden, dafür aber werden wir durch den Facettenreichtum des Bandes entschädigt, zumal da der Autor auch nicht behauptet, dass es sich bei seinem Sammelband um eine thematisch geordnete Arbeit handelt. Im Vorwort zum Band formulierte György Németh, der Herausgeber der Reihe Hungarian Polis Studies folgendes: Als Gemeinsamkeit der vielfältigen Aufsätze ist hervorzuheben, dass der Verfasser – Romanist und Mediävist zugleich – sich seinen Themen auf einer Weise nähert, in der sich das Philologische und Rechtshistorische zu einer Synthese ergänzen, wobei mal der eine, mal der andere Aspekt deutlicher in den Vordergrund tritt. Unabhängig davon, ob in der jeweiligen Studie streng genommen philologische, oder aber rechts-, religions- oder kirchengeschichtliche Themen behandelt werden, bildet das Bindeglied zwischen den Studien – da sich der Verfasser mutatis mutandis den programmatischen Satz von Hermann Heimpel „alle mittelalterliche Forschung ist Philologie” zu eigen gemacht hat – die konsequente Anwendung der philologischen Methodik in der Analyse der Quellen.”

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Neben dieser methodologischen Kohärenz lassen sich aber unserer Meinung auch andere Aspekte hervorheben, die dafür sprechen, diese Aufsätze in einem Sammelband zu bündeln. Jene Aufsätze, die antike Themen behandeln, verbindet gewissermaßen die Fragestellung der Autors, die sich entweder auf die antike Rechtssymbolik oder aber auf die damit stark zusammenhängende Verbindung zwischen Recht und Religion im Altertum richtet. Für Lösungsversuche – und meistens für durchaus überzeugende Lösungen – rechtshistorischer Probleme zieht der Autor reiches religionsgeschichtliches Material heran und stellt damit neuartige Zusammenhänge, bislang in der Literatur kaum präsente Parallelen und plausible Assoziationen zwischen Elementen frührömischen Rechts und des religiösen Denkens her. Einige der Gedankengänge und Lösungsversuche Nótáris sollten deswegen wohl in die Fachliteratur Eingang finden.

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[1] Hierzu siehe J. Gonda: ΔΕΙΚΝΥΜΙ: Semantische Studie over den Indo-Germanische Wortel DEIK, Amsterdam 1929; M. Gagarin: Dikē in the Archaic Greek Thought, in: Classical Philology 69 (1974), S. 186–197.

[2]Il. 22, 209213.

[3] So auch B. C. Dietrich: The Judgement of Zeus, in: Rheinisches Museum 107 (1964), S. 97–125.

[4]Verg. Aen. 12, 725727.

[5]Zur Epik Hesiods siehe H. M. Hays: Notes on the Works and Days of Hesiod, Chicago 1918; F. Krafft: Vergleichende Untersuchungen zu Homer und Hesiod, Göttingen 1963; J. Blusch: Formen und Inhalt von Hesiods individuellem Denken, Bonn 1970; T. Nótári: Bürgergemeinschaft und Rechtsgedanke bei Hesiod, in: Gy. Németh–P. Forisek(Hrsg.): Politai et Cives. Epigraphica III., Hungarian Polis Studies 13, Debrecen 2006, S. 7–26.

[6] Vgl. W. Pötscher: Das Person-Bereichdenken in der frühgriechischen Periode, in: Wiener Studien 72 (1959), S. 5–25.

[7]Hes. Erga 213–285.

[8] Vgl. T. Nótári: From auctoritas to Authority – Remarks on the Roman Concept of Numinousity, in: Orbis Iuris Romani 11 (2006), S. 117–140.

[9] Zum Begriff von numen siehe ausführlich H. Wagenvoort: Roman Dynamism. Studies in Roman Literature, Culture and Religion, Leiden 1956; K. Latte: Römische Religionsgeschichte. München 21967, S. 41ff.; W. Pötscher: ‘Numen’ und ‘numen Augusti’, in: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt II. 16. 1. Berlin–New York 1978, S. 355–392; H. J. Rose: Ancient Roman Religion, London 1948.

[10] Über die Rolle des Flamen Dialis im römischen Privatrecht, besonders in der Eheschließungszeremonie siehe T. Nótári: The Function of the Flamen Dialis in the Marriage Ceremony, in: Annales Universitatis Scientiarum Budapestinensis de Rolando Eötvös nominatae Sectio Iuridica 45 (2004), S. 157–165.

[11] W. Pötscher: Flamen Dialis, Memosyne 21 (1968), S. 215–239.

[12] Th. Köves-Zulauf: Reden und Schweigen. Römische Religion bei Plinius Maior, München 1972, S.144ff.

[13] R. Domingo: Das binom auctoritas – potestas im römischen und modernen recht, in: Orbis Iuris Romani 4 (1998), S. 7–17.

[14] So z.B. H. Lévy-Bruhl: Le simulacre combat dans le sacramentum in rem, in:Studi in onore di P. Bonfante, vol. III., Milano 1930, S. 81–90.

[15] So auch F. Wieacker: Ius. Die Entstehung einer archaischen Rechtsordnung,in: Rechtswissenschaft und Rechtsentwicklung, Göttingen 1980, S. 33–52. Über die ältere Literatur siehe M. Kaser: Das römische Privatrecht I., München 1971, S. 20ff.

[16] Hierzu siehe F. J. M. de Waele: The Magic Staff or Rod in the Graeco-Italian Antiquity, Gent 1927; G. Hermansen: Studien über den italischen und den römischen Mars, Kopenhagen 1940.

[17] Gai. inst. 4, 16.

[18] Cic. off. 1, 33.

[19] Hierzu ausführlicher siehe J. Stroux: ’Summum ius, summa iniuria’, Ein Kapitel der Geschichte der interpretatio iuris, Berlin–Leipzig 1926; K. Büchner: Summum ius summa iniuria, in: Historisches Jahrbuch 73 (1954), S. 11–35; M. Fuhrmann: Philologische Bemerkungen zur Sentenz ’Summum ius, summa iniuria’, in: Studi in onore di E. Volterra, vol. II., Milano 1969. S. 53–81. Über die Konnotationen dieses Proverbs im Corpus Ciceronianum siehe T. Nótári: Summum Ius Summa Iniuria – Comments on the Historical Background of a Legal Maxim of Interpretation, in: Acta Juridica Hungarica 44 (2004/1–2), S. 301–321; ders.: De summo iure summaque iniuria apud Ciceronem, in: Vox Latina 43 (2007), 346–350.

[20] Vgl. Ter. Heaut. 792ff.

[21] Hier. epist. 1, 44.

[22] T. Nótári: Law, Religion and Rhetoric in Cicero’s Pro Murena, Passau 2008.

[23] Hierzu siehe ausführlicher A. Watson: The Law of Persons in the Late Roman Republic, Oxford 1967; W. Kunkel: Das Konsilium im Hausgericht, in: ZSS RA 83 (1966), S. 219–251; M. Kaser: Der Inhalt der patria potestas, in: ZSS RA 83 (1971), S. 62–87; ders.: Ehe und conventio in manum, in: Iura 1 (1959), S. 64–101; M. Memmer: Ad servitutem aut ad lupanar. Ein Beitrag zur Rechtsstellung von Findelkindern nach römischem Recht, in: ZSS RA 108 (1991), S. 21–93.

[24] A. Walde–J. B. Hofmann: Lateinisches etymologisches Wörterbuch, Vol. II., Heidelberg 21954. S. 368.

[25] Hierzu siehe L. Kolmer–Chr. Rohr (Hrsg.): Tassilo III. von Bayern. Großmacht und Ohnmacht im 8. Jahrhundert, Regensburg 2005. Der Autor erweiterte in der Zwischenzeit seinen Aufsatz über die Entthronung des letzten Bayernherzogs, und präzisierte seine Ansichten in mancher Hinsicht; vgl. T. Nótári: An Early-Medieval Show Trial – Tasilo III’s Dethronement, in L. Beck Varela–P. Gutiérrez Vega–A. Spinosa (Hrsg.): Crossing Legal Cultures, München 2009, S. 141–158.

[26] Dazu siehe Th. Piffl-Perčević–A. Stirnemann (Hrsg.): Der heilige Method, Salzburg und die Slawenmission, Innsbruck–Wien 1987; H. Wolfram: Salzburg, Bayern, Österreich. Die Conversio Bagoariorum et Carantanorum und die Quellen ihrer Zeit, Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, Ergänzungsband 31., Graz–Wien–Köln 1995; M. Eggers: Das Erzbistum des Method. Lage, Wirkung und Nachleben der kyrillomethodianischen Mission, München 1996; T. Nótári: Show Trials and Lawsuits in Early-Medieval Bavaria, Rechtsgeschichtliche Vorträge 53., Budapest 2008.

 

Review by Feb. 24, 2010
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Feb. 24, 2010

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