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Reviewed by: Hans-Peter Haferkamp

Benjamin Lahusen, Alles Recht geht vom Volksgeist aus. Friedrich Carl v. Savigny und die moderne Rechtswissenschaft

Nicolai Verlagsbuchhandlung, Berlin 2013, 181 S.

1Es fällt nicht ganz leicht, Lahusens Monografie über Savigny gerecht zu würdigen. Das Buch liest sich wie ein historischer Roman. Es ist anregend, teilweise mitreißend in einer sehr bildhaften Sprache geschrieben. Die einzelnen Kapitel sind klug komponiert und überaus suggestiv erzählt. Savigny-Forscher werden freilich in dem Buch nichts Neues, sondern viel Altes zu Savigny finden und bemängeln, dass die Savigny-Literatur nur sehr lückenhaft verwendet und die sie interessierenden neueren Forschungsfragen kaum aufgegriffen werden. Das Buch ist erkennbar für das ‚breite Publikum’ geschrieben, es soll anscheinend eine Art Leistungsschau der Rechtsgeschichte sein. Und es sucht in der Rechtsgeschichte etwas, dessen wissenschaftstheoretische Angreifbarkeit dem Rechtstheoretiker Lahusen natürlich bewusst sein müsste, nämlich „nachhaltige Vergewisserung über den Zustand des gegenwärtigen Rechtsbetriebes“ (Umschlag und S. 12). Es ist ein Buch über Dauer und Vergänglichkeit: Recht ist flüchtig, dem Gesetzgeber anheimgestellt, beliebig, Zufall. Juristen sind damit „flüchtige Wesen“, „fremder Hand“ unterworfen, Anwender ohne Halt in Gerechtigkeit, Wahrheit, ewigem Recht. Aber: „Es gab einmal eine Epoche, in der die Jurisprudenz davon träumen durfte, ihre Arbeit über die Zeit zu retten“ (S. 7). Dafür steht Savigny, das macht für Lahusen Größe und Tragik dieses großen Rechtsgelehrten aus. Es war ein Traum und er ist „endgültig beseitigt“. Aber in dieser Rhetorik der Unwiederbringlichkeit schwingt Sehnsucht mit, eine Sehnsucht, die die erzählerische Kraft Lahusens trägt.

2Eingerahmt von einem biografischen Überblick und der Betrachtung des Nachruhms geht es Lahusen um vier Perspektiven auf Savigny: Vernunft, Geschichte, Wissenschaft, Praxis.

3„Gesetzgebung zur Abwehr von Juristenwillkür“ (S. 37) ist mit Blick auf das preußische Allgemeine Landrecht (ALR) die erste Perspektive, mit der Lahusen Savigny konfrontiert. Hier dominiert das alte Bild des Kodifikationsfeindes Savigny, der das antike Ideal eines Juristenrechts hervorhebt und einen innerjuristischen Rechtsdiskurs an die Stelle obrigkeitlicher Festlegung setzen will. Zentral dabei ist, dass Savignys Hermeneutik den scheinbaren Glauben an Gesetzesbindung zerstört und zugleich hofft, Rechtssicherheit über den Besitz der systematischen Zusammenhänge im seit der Antike übermittelten Wissen der Juristen zu gewährleisten. Auch das ein Traum, den Lahusen mit der heutigen Gegenwart konfrontiert: Zwar sind es immer noch die Juristen, die das Recht verwalten, aber von Rechtssicherheit durch System kann keine Rede sein. Texte produzieren Texte, Argumente werden ohne Qualitätsmaßstäbe aufgehäuft, alles „Fließbandarbeit“. Und erneut ist es unwiederbringlich: „Der Traum eines überschaubaren Rechtsganzen, einer vollständigen Enzyklopädie des Rechtswissens ist ausgeträumt“ (S. 53). Man kann Lahusens Ärger verstehen; auch sein Plädoyer für eine neue Grundlagenfundierung der Juristenausbildung, für „philosophische Rechtsgelehrte“ (S. 55) ist sympathisch. Aber stimmt es für Savigny? Immerhin trat Savigny bereits 1816 für Kodifikationen im Strafrecht ein, glaubte also sehr wohl, dass Rechtssicherheit durch Gesetzgebung in Teilbereichen sinnvoll ist. Vor allem aber ging es ihm doch vorrangig nicht um die Etablierung eines freien Juristendiskurses, den es jenseits des ALR doch schon seit dem Spätmittelalter gab. Seine Hermeneutik schuf doch nicht mehr Freiräume als die alte grammatisch-logische Hermeneutik angeboten hatte. Savigny kämpfte genau gegen die Jurisprudenz, die Lahusen nun beklagt und die Savigny im alten Usus modernus fand: Das kaum noch überschaubare Aufhäufen juristischer Argumente in einem selbstreferentiellen Diskurs ohne Richtigkeitskriterien. Es ist einigermaßen überspitzt zu behaupten, mit Savigny werde Rechtsschöpfung „von einer monologischen Angelegenheit des Staates zu einem diskursiven Geschäft der Juristen umgebaut“ (S. 52).

4In der zweiten Perspektive („Im Klammergriff der Geschichte“) taucht nun genau diese eben ausgesparte Entwicklung gleich anfangs auf. Lahusen stellt heraus, dass es dem ALR eben nicht gelang das Gemeine Recht zu verdrängen. Im Festhalten an diesem Rechtsstoff und damit zugleich am Fachdiskurs des Ius Commune ist Savigny also nur pars pro toto. Ein Widerspruch? Offenbar geht es nun um eine andere Frage und damit entsteht ein anderer, freilich ebenfalls altbekannter Savigny: Der „Antiquarische“. Lahusen zeichnet das Bild des Romliebhabers Savigny, der den Römischen Rechtssätzen eine Herrschaft über die moderne Welt sichern will. „Die Vergangenheit erdrückt jede Zukunftsvision“ (S. 73). Freilich habe Savigny, ja die Historische Rechtsschule, sich gar nicht für die „Wirklichkeit des römischen Rechts“ interessiert, sondern in einer Quellenkritik die (mit Kantorowicz) ans „Wunderbare“ grenze, nur das im Römischen Recht gefunden, was die „notwendige Gewordenheit des eigenen Daseins“ betreffe, also noch fortwirkt. Daher also der Klammergriff der Geschichte: Die „Verweigerung der Zukunft“ (S. 77). Das hier ansetzende Bild des „Quietisten“ (S. 78) Savigny wurde schon von Zeitgenossen bedient, es geht um „restauratives Denken“ (S. 79) und Angst vor dem Volk. Auch dieses Bild ist nicht nur zugespitzt, sondern auch schief. Dass in der „Geschichte des Römischen Rechts seit dem Mittelalter“ die Aspekte des Römischen Rechts, die fortwirken, betont werden, ist schlichte Folge seiner Fragestellung, aber nicht Prämisse seiner Rechtstheorie. In der Rechtsquellenlehre gilt Gesetzesrecht, nicht einfach antikes Römisches Recht. Eine schlichte Hofierung der Antike ist seine Rechtslehre doch gerade nicht. An den Römischen Juristen bewunderte er ihre Methode, nicht primär ihr Recht. Er schieb ein System des „heutigen“ Römischen Rechts, worin liegt, dass er nicht alles heutige Recht als Römisches Recht und nicht alles Römische Recht als heutiges Römisches Recht ansah. Er untersuchte, wie Joachim Rückert gezeigt hat1, darin genau die antike Rechtslage, fragte dann nach „Modificationen“ infolge der Rezeption, untersuchte die Ansichten der „neueren Schriftsteller“ und „neuerer Gesetzgebungen“ und diskutierte diese „heutige Anwendung“ auch mit Blick auf ihren „praktischen Werth“. Jhering als Kenner dieser Dogmatik meinte dazu 1858, Savigny habe wie kein anderer vor ihm die Anwendbarkeit des römischen Rechts beschränkt!2 Nun ist es sicher richtig, Savigny nicht als Vorkämpfer der Demokratie zu sehen. Das ist aber nicht schlichte Folge eines „Quietismus“. Auch ein gesetzgebungspolitischer Aktionismus hätte im Preußen des Vormärz keine Demokratie hervorgebracht. Andererseits hat sich Savigny sehr für das antike auch nicht mehr fortlebende Recht interessiert. Seine Beiträge in der Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft und seine, allerdings unveröffentlichte Institutionenvorlesung zeigen, wie intensiv sich Savigny auch mit dem Römischen Recht beschäftigte, das keine Fortwirkung hatte. Im Ergebnis wird von Lahusen nicht nur die Vergangenheit durch die Gegenwart verzerrt, sondern zugleich die Gegenwart durch die Vergangenheit. Im Fortdenken der alten Savigny-Bilder wird nun der Hamburger Max-Planck-Direktor Reinhard (nicht wie bei Lahusen durchgängig „Reinhold“) Zimmermann zum antiquarischen Quietisten, weil er in den Debatten um eine Europäische Zivilrechtsvereinheitlichung auf die gemeinsame Vergangenheit des Ius Commune verweist. Auch er muss sich nun sagen lassen: „Die Zukunft liegt nicht in der Vergangenheit“ (S. 83), – was auch er nie behauptet hat.

5Im Folgekapitel zur „Freiheit der Rechtswissenschaft“ bringt Lahusen nun erneut die Differenzierungen, die ihm im vorherigen Kapitel die Zuspitzung des Savigny-Bildes vereitelt hätten. Nun stellt er klar, dass Savigny „innerhalb seiner rückwärtsgewandten Rechtsform durchaus zu Reformen imstande ist“ (S. 98). Wenig später heißt es mit Blick auf seine Nachfolger sogar: „Ein Römer würde dieses römische Recht freilich nicht mehr wiedererkannt haben“ (S. 101). Nun geht es um etwas anderes. Die Rechtswissenschaft wird selbstreferentiell und schliddert in Kontingenz. Nun genießt die Herrschaft der Rechtswissenschaft, von gesetzgeberischen Vorgaben befreit, die Freiheit der Quellenexegese. Jetzt geht es um den oft bewunderten „Olympier“ Savigny, den Herrn über die Quellen. Über den unmetaphysischen Hugo hinaus, den Lahusen etwas zweifelhaft auch zum Vorbild Savignys in Methodenfragen macht, beginnt die Zeit „kunstvoller Komposition“ (S. 98). Der „Klammergriff der Geschichte“ gebiert nun offenbar die „Freiheit des Rechts“ (S. 99). Puchta, der entgegen Lahusen nicht von einer Begriffspyramide sprach (S. 100 – das taten Heck und Larenz), erhebt das System zum Produktionsmittel. Recht gebiert Recht ohne andere als logische Richtigkeitskriterien. Das BGB wird dann zum Totenschein dieser Jurisprudenz. Erneut herrscht Unwiederbringlichkeit: Mit dem BGB ist „die Vereinigung von Vernunftgründen und Geschichtsgründen, die den Rechtssätzen innere Nothwendigkeit verleihen sollte, für immer zerbrochen“ (S. 105). Das Bild von einem „unerschütterlichen Glauben an die Macht der Begriffe“ (S. 129), das hier wieder erzählt wird, hat in den letzten Jahren vielfache Kritik erfahren. Bei Puchta blieben „praktische Bedürfnisse“ Richtigkeitskriterium, Logik gab ähnlich der alten Analogie dem Richter eine Hypothese an die Hand, konnte gegen andere Rechtsquellen aber kein Recht produzieren. Auch Windscheid stellte bei seinen Lösungen stets auch auf ‚praktische Bedürfnisse’ ab. Man mag diese Lebensbezüge in ihrem intuitiven Zugriff für naiv halten. Es ging jedenfalls um mehr als um selbstreferentielle Begriffsproduktion. Der Begriff war Mittel, nicht Zweck, Recht nicht einfach nur „politikfrei, interesselos, nüchtern“ (S. 129). Lahusen geht es mit seinem Gegenwartsblick hier um eine Betonung damaliger Freiheit gegen heutige Abhängigkeit der Juristen. Ist der Übergang von „Konstruktion“ im 19. zu „Interpretation“ im 20. Jahrhundert wirklich dieser „Schichtwechsel“: Die Herren wurden zu Knechten? Für das 19. Jahrhundert unterstellt er, dass die Rechtsquellen Gesetzesrecht, also insbesondere das Corpus Juris und Gewohnheitsrecht, also insbesondere der Gerichtsgebrauch, hermeneutisch bloße Spielbälle im Konstruktionseifer waren. Klingt schon das zu frei, ist doch andererseits das 20. Jahrhundert nicht derart gebunden. Die Rechtswissenschaft und vor allem die Rechtsprechung haben doch heute nicht weniger Freiraum in der Interpretation als zuvor in der Konstruktion. Gerade der Rechtstheoretiker Lahusen macht sonst doch die volitiven Momente der Rechtsanwendung stark. Was sind „objektive Auslegung“ und „teleologische Interpretation“ anderes als eine tarnende Strategie der Bindungsvermeidung? Wurde andererseits die Rechtsgeschichte wirklich erst mit dem BGB als Normbeschaffer entmachtet? Es ist die Zeit der „Wendepunkte“ in den 1850er Jahren, in der sich die Dogmatik von der Rechtsgeschichte emanzipiert. Zuletzt: Ist die Philosophie wirklich im 20. Jahrhundert bloß ‚entfernter Beobachter’ (S. 107) gewesen? Das 20. Jahrhundert war weitgehend antipositivistisch, stets auf der Suche nach Metaphysik. Dies hatte in den 1920-1960er Jahren Auswirkungen bis in die Rechtspraxis. Keineswegs wurde das Recht im 19. Jahrhundert ‚endgültig positiviert’. Auch wenn man Lahusen zugesteht, dass besonders im Zivilrecht in den letzten vierzig Jahren eine dramatische Entwissenschaftlichung stattgefunden hat, überzeugen die dagegen mobilisierten Großlinien nicht.

6In der abschließenden Perspektive kommt der „Praktiker“ Savigny in den Blick: der Richter und der Gesetzgebungsminister. Lahusen sieht hier ein „Nacheinander von Wort und Tat“, das sich als „verhängnisvoll“ erweise (S. 120). Hier lässt der Reaktionär Savigny für Lahusen die Maske fallen. Im Ergebnis vielleicht richtig wird Savignys Arbeit als Gesetzgebungsminister als ein Scheitern dargestellt. Die Erweiterung dieses Befundes auf den „Praktiker“ insgesamt (S. 128) hätte freilich einer genaueren Untersuchung von Savignys Tätigkeit als Richter bedurft. Schon das hätte das Bild wohl differenziert. Was beim Bild des Kodifikationsfeindes fehlt, wird nun klargestellt: dass Savigny durchaus begrenzt für Gesetzgebung war. Erneut ein anderer Savigny. Zentral für Lahusens Deutung wird nun ein Widerspruch zwischen Freiheitspathos in der privatrechtlichen Theorie und Eingriffen in der gesetzgeberischen Praxis. Savignys Gesetzgebungswissenschaft sei die Aufgabe zugewiesen, „frei von sittlicher Bevormundung Freiheitsräume zu definieren, die das Individuum zur Entfaltung seiner Vorstellungswelten benötigt“ (S. 120). Lahusen liest hier Kant in Savigny hinein und unterschiebt ihm die Prämisse, Recht stelle „lediglich die Mittel bereit, die jeder zur Verwirklichung seiner eigenen Ideale benötigt“ (S. 121). Savigny unterstellt jedoch nicht sittliche Autonomie im kantischen Sinne, sondern schafft Raum für eine freiwillige Hinwendung zum Guten in Christus. Seine „christliche Lebensart“, der er das Privatrecht unterwirft, ist nicht sittliche Beliebigkeit. Hier wie auch sonst bleibt die in den letzten Jahren stärker thematisierte religiöse Fundierung Savignys als „frömmlerische Tendenzen“ (S. 123) ausgeklammert, was aus Geschichte bloße Teleologie, aus Freiheit bloße Autonomie und aus Savignys Ehebild bloßen Konservativimus macht. Nur wenn Savigny Kant gewollt hat, ist eine „politisch alles andere als neutrale Sittlichkeit“ eben ein Widerspruch (S. 129). Lahusen stellt nun auch klar, dass Savignys Bild als bloße Begriffsjurisprudenz verzerrt wurde. So ganz ernst scheint er das aber nicht zu nehmen. Der Irrtum resultiert für ihn daraus, dass man ein Wissenschaftsideal zu einem Praxisideal umgedeutet habe. In der Theorie wollten die Wissenschaftler demnach Begriffsjuristen sein, von der Praxis verlangten sie das nicht. Das in diesem Zusammenhang gebrachte Zitat vom Richterstand, der „mit lebendigem Denken und nicht auf mechanische Weise sein Geschäft vollbringe“ (S. 130), passt dazu nicht, da auch die Rechtswissenschaft nicht auf ‚mechanische Weise’ arbeiten sollte. Savignys Vorrede zum System, die Lahusen nur streift, kreist um die Vorstellung, dass Theorie und Praxis eben nicht verschieden in ihrer Methode sind. Man wollte den wissenschaftlichen Praktiker, aber gleichwohl – auch deshalb waren so viele Professoren Richter – den praktischen Wissenschaftler. Auch an einem anderen überkommenen Bild hält Lahusen fest: Er folgt dem alten Bild Wieackers und macht das BGB zum späten Sieg des Besitzbürgertums. Die vielen Einwände gegen dieses Bild tut er ab. Immerhin sieht Lahusen ein zentrales Argument gegen die Wieackersche Deutung, dass man den Nebengesetzen nämlich diese Entwicklungsaufgabe zusprach (S. 133), also sozialpolitisch nicht einfach blind war. Gleichwohl lag genau in diesem Regel (BGB)-Ausnahme (Nebengesetz) -Verhältnis eine klare rechtspolitische Stellungnahme für ein „in dubio pro liberate“ und wenn Lahusen resümiert: „Die Gesellschaftsarbeit überlässt das BGB in seiner ursprünglichen Form anderen“, dann hätte man wohl hinzufügen können: Der Gesellschaft selbst. Auch hier bestimmt die Gegenwart die historischen Irrtümer: Freiheit ist als Regel zu begrenzen, „sobald dadurch die Freiheit aller faktisch erweitert wird“ (S. 138) – wer ist „aller“?

7Friedrich Carl v. Savigny hat es seinen Kritikern nie leicht gemacht. Der „Antiquarische“ konnte in seinem System des heutigen römischen Rechts entspannt ganz andere Lösungen als die Römer präsentieren. Der „Quietist“ und „Kodifikationsfeind“ wurde durchaus aktiver Gesetzgebungsminister. Der „weltfremde Wissenschaftler“ war zugleich begeisterter Richter. Dem arroganten „Olympier“ war Eitelkeit wissenschaftliche Todsünde. Der „Unphilosophische“ hatte eine ziemlich durchdachtes philosophisches Fundament etc. Es fiel und fällt daher konsequent nicht leicht, ihn in bestimmte Lager zu stecken, denen er sich zeitlebens vielmehr entzog: Volksgeist und Gesetz, Intuition und Begriff, Religion und Wissenschaft, Theorie und Praxis etc. Das macht Savignys Denken nicht beliebig, sondern uns heutigen zunächst nur einmal schwer zugänglich. Man verschließt sich diesem Zugang, wenn man Aspekte aus seinem Denken, die heute interessant sind, herausgreift. Es entstehen nur zu schnell verschiedene, in sich widersprüchliche Proto-Savignys. Sein Antijudaismus verweist dann auf Ausschwitz, sein Volksgeist ist eben undemokratisch, sein Freiheitskonzept ist bloß neoliberal etc. Historisierung ist für Lahusen besinnliche Flucht in die Vergangenheit: „Ohne Verwendungsmöglichkeit für die praktischen Bedürfnisse der Gegenwart gerinnt Savigny zur historischen Autorität, die man umso höher preisen kann, je weiter sie in die Tiefen der Vergangenheit hinabsinkt“ (S. 147)? Geschichte als Werkzeugkasten für Gegenwartsrhetorik. Also doch applikativ?

Review by Feb. 11, 2014
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First publication
Feb. 11, 2014

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