Artikel vom 9. Oktober 2000
© 2000 fhi
Erstveröffentlichung

Harald Maihold:

„Der Sohn antwortet für den Vater nicht.“

Die deliktische Sippenhaftung:
Ein deutschrechtlicher Grundsatz?1)


I. Deutsche Rechtssprichwörter und deutsches Recht
II. Der Quellenkontext
1. Keine Haftung des Sohnes nach dem Tod des Vaters
2. Keine Haftung für Delikte
3. Haftung für erwiesene Delikte
4. Haftung bei Bereicherung
5. Keine Haftung des Vaters für den Sohn
6. Haftung für andere als Deliktsklagen
III. Einfluß der gelehrten Rechte
1. Das römische Recht: Keine Erbenhaftung für Delikte
2. Das kanonische Recht: Erbenhaftung für alle Delikte
3. Das „deutsche“ Recht: Sippenhaft?
IV. Die Entwicklung bis zum geltenden Recht

I. Deutsche Rechtssprichwörter und deutsches Recht

Rechtssprichwörter sind „im Volk umlaufende“ Sätze, die auf eine Rechtsregel oder ein Rechtsprinzip zurückgehen.2) Man hat sie auch als „Weisheit auf der Gasse“ bezeichnet.3) Doch trifft dies nur einen Teil der Wahrheit. Rechtssprichwörter waren im Mittelalter vor allem ein wichtiges Medium zur Vermittlung juristischer Kenntnisse.4) Nicht nur im Alltagsleben, sondern auch im Schulbetrieb war man stärker als heute auf das Behalten eines Satzes angewiesen. Die Rechtsregeln bilden dazu nur die Zwischenstufe. Sie bringen die zuweilen komplizierten rechtlichen Regelungen in verständlicher Kurzform auf den Punkt und erleichterten dadurch die Aufnahme des Stoffes in das Gedächtnis. Dies ermöglichte aber den Eingang in die juristische Praxis und in den „Umlauf“, die Rechtsregeln wurden dadurch also zu Rechtssprichwörtern. 1
Die Blütezeit erlebte das deutsche Rechtssprichwort in der Mitte des 13. Jahrhunderts, der Zeit des Sachsenspiegels. Bereits seit der Zeit des Humanismus wurden alle Arten von Sprichwörtern systematisch gesammelt und katalogisiert (Erasmus von Rotterdam, Johannes Agricola). Aber noch der ab 1716 in Leipzig erschienene „Teutsch-juristischer Sprichwörter-Schatz“5) ist trotz seines Titels eigentlich noch keine Sammlung von Rechtssprichwörtern. 2
Als grundlegende Sammlung dürften vielmehr erst die „Grund-Sätze der Teutschen Rechte in Sprich-Wörtern“ gelten, die 1745 von Franz Carl Conradi (1701-1748), Professor in Wittenberg und Helmstedt, herausgegeben6) und 1759 von Johann Friedrich Eisenhart (1720-1783), ebenfalls Professor in Helmstedt, fortgeführt wurden.7) Im Vorwort bemerkt Eisenhart, er habe sich „hierbey bemühet, gegenwärtige Sprüchwörter mehr aus den deutschen als römischen Rechten zu erläutern…“8) Auf dieses Werk wurde auch später immer wieder zurückgegriffen. 1792 erfolgte die zweite Auflage durch den Sohn Eisenharts, 1823 die dritte Auflage durch den Leipziger Rechtsprofessor Carl Eduard Otto (1795-1869),9) der darin auch die Arbeiten Jakob Grimms aufnahm. 3
Besonders die Germanistik des 19. Jahrhunderts hat sich den Rechtssprichwörtern angenommen, um auf diese Weise zu den Ursprüngen des deutschen Rechts vor der Rezeption des römischen Rechts vorzudringen. Von Bedeutung ist hier die Sammlung von Julius Hubert Hillebrand (1858),10) „die erste nicht blos in deutschen Worten, auch in deutschem Geiste geschriebene und überall streng wissenschaftliche Arbeit“.11) Bereits 1857 hatte die Ludwig-Maximilians-Universität München einen Preis ausgelobt für eine Sammlung deutscher Rechtssprichwörter aus den Quellen des 13. und 14. Jahrhunderts. Die daraufhin eingehenden Sammlungen von Eduard Graf und Mathias Dietherr, die 1864 vereint herausgegeben wurden,12) enthalten 3698 Sprichwörter, fast zehnmal so viele wie die Sammlung Hillebrands. Damit war ein vorläufiger Abschluß der wissenschaftlichen Arbeit erreicht.13) Der Oberlandesgerichtsrat Leonhard Winkler konnte auf dieser Grundlage 1927 ein „Lese- und Lernbuch für das deutsche Volk“ schreiben,14) ein Buch, das erstmals im Titel die „deutschen Rechte“ (bei Conradi, Eisenhart und Otto) auf das „deutsche Recht“ verkürzt und damit zeigt, daß „deutsche“ Rechtssprichwörter als ursprünglich und volkstümlich angesehen wurden. 4
Auch der Nationalsozialismus betrachtete die deutschen Rechtssprichwörter als Möglichkeit eines direkten Zuganges zum „deutschen Recht“. 1935 erschien unter dem Titel „Deutsches Recht in Sprichwörtern“ eine Neuauflage der Eisenhartschen Sammlung. In einem Begleitwort zum Abschnitt über Verbrechen und Strafen heißt es, das Strafrecht, wie es in den Rechtssprichwörtern zum Ausdruck komme, beruhe auf der sittlichen Verwerflichkeit des Täters: „Die nationalsozialistischen Leitsätze für ein neues deutsches Strafrecht… führen diese zu Zeiten Eisenharts noch durchaus erkennbaren Grundgedanken in voller Klarheit durch. Kein Wunder, daß sie zu einem neuen Rechtssprichwort kommen, das das ganze neue Strafrecht in seinen Grundgedanken darstellt: ‚Verdirbt das Blut, dann stirbt das Volk; erlischt die Treue, dann zerfällt die Gemeinschaft!'“.15) 5
Heute hat sich um die Sprichwörter eine eigene Wissenschaft gebildet, die Parömiologie. Ihr rechtshistorischer Zweig versucht auch heute, mit Hilfe der Rechtssprichwörter zum Rechtsverständnis des Mittelalters vordringen. Die jüngste, erst 1996 erschienene Sammlung16) schließt insofern eine Lücke, als sie die Sprichwörter erstmals alphabetisch nach Stichworten ordnet. 6
Die neuere Forschung erkennt jedoch zunehmend, daß auch „deutsche“ Rechtssprichwörter vielfach Inhalte des gelehrten römisch-kanonischen Rechts enthalten, das nicht zuletzt in den Rechtssprichwörtern eine frühe Rezeption in der breiten Bevölkerung erfuhr.17) 7
Wir wollen eines dieser Sprichwörter unter die Lupe nehmen und es mit dem gelehrten römisch-kanonischen Recht vergleichen: 8
„Der Sohn antwortet für den Vater nicht.“ 9
Das Rechtssprichwort wendet sich gegen die Verantwortlichkeit des Sohnes für den Vater. Der genaue Inhalt ergibt sich aber erst, wenn man das Sprichwort in dem Kontext untersucht, in dem es in den Quellen steht. Die Sammlungen Conradi, Eisenhart und Otto kennen das Sprichwort noch nicht. Erst Graf und Dietherr haben es dem Sachsenspiegel entnommen.18) 10

II. Der Quellenkontext

Das zitierte Rechtsprichwort findet sich zuerst im „Sachsenspiegel“, einer um 1230 von Eyke von Repgow (um 1180-nach 1233) verfaßten Aufzeichnung des sächsischen Gewohnheitsrechts. Die Formulierung wurde vom Deutschenspiegel aufgenommen, der den Sachsenspiegel auf der Grundlage einer um 1265 entstandenen Übersetzung auf süddeutsche Verhältnisse umarbeitete.19) 11
Ssp Ldr II 17 § 1: “Die sone ne antwordet vor den vater nicht, swen her stirft, swaz her ungerichtes hât getân.“20) Dsp Ldr 118 § 1: “Der sun en antwurt fur seinen vater niht. swenne er stirbet swaz so er vngerichtes hat getan.“21)
12
Eine etwas andere Anordnung kennen der Schwabenspiegel (um 1275) und, im Anschluß an ihn, das Rechtsbuch Ruprechts von Freising (1328): 13
Schwsp 178a: „der sun antwurtet vor den vater ouch nicht ob er stirbet vmbe kein vngerichte ez en si daz die schulde uf in erzuget si e das er sturbe.“22) Ruprecht von Freising I, cap. 115: „der sun antwurtt auch für den vater nicht ob er stirbt vmb kain vngericht. es sey dann als vil das dy schuld auf mer zeugt sey ee der vater starb. vnd hat er guet hinder jm lassenn man sol dem klager vnd dem richter davon puessen darnach vnnd dy schuld ist.“23)
14
Stellt man diese Quellen nebeneinander, so sieht es auf ersten Blick so aus, als wäre die Regelung, die unser Sprichwort enthält, in mehreren Stufen immer mehr erweitert worden. 15
Sprichwort: Der Sohn antwortet für den Vater nicht, … 16
Sachsenspiegel: … wenn der stirbt, für das, was er Unrechtes getan hat, … 17
Schwabenspiegel: … es sei denn, daß die Schuld auf ihn bezeugt war, bevor er starb … 18
Ruprecht v. Freising: … und hat er ein Gut hinterlassen, soll man dem Kläger und dem Richter davon büßen und danach ist die Schuld (zu bemessen). 19
Der Sachsenspiegel führt das Sprichwort indes noch an zwei weiteren Stellen auf. In beiden wird bestimmt, daß der Grundsatz nicht gilt, wenn der Erbe bzw. der Sohn das Gut, um das gestritten wird, „unter sich“ hat. In einer wird der Grundsatz außerdem für den Fall aufgehoben, daß bereits „geurteilt“ wurde: 20
Ssp Ldr III 31 § 2: „Stirft aber jene, ûph den die clage geit, sîne erben ne antwordet dâ vore nicht, se ne haben daz gût under ine, dâ umme jene beclaget was.“24) Ssp Lehnrecht 45 § 2: “Die sone ne antwordet aber nicht deme herren in des vater stat, iz ne sî daz her gût habe, dâ sîn vater um beclaget wêre, oder ob sîme herren wedde irteilet sî ûph sîn gût; daz mût her geben oder untreden mit rechte an des vaters stat.“25)
21
Einen ersten Überblick über die Regelung gewinnen wir durch die Glosse des märkischen Hofrichters Johann von Buch (1321-1356) zu Ssp Ldr II 17, der die Klagen in vier Gruppen einteilt: 22
Glosse zu Ssp Ldr II 17: „Dy erste vil by des vaders lyue dar antwerde dat kindt neyne wyß vor [C. 4, 13, 5]. Dy ander vallet na des vaders dode dy gat an den lyff oder an dat gesunt dat dy vader dorch syne myssedat vorwracht hedde in desser antwert ock dy sone nicht [Ssp Ldr I 6]. Dit is darumme dat dy sone nicht draget uppe sick des vaders sunde / noch dy vader des sones sunde wenne wes leuent breckt des leuent mùt sterzen. Alse Ezechiel spreckt [Inst. 4, 12, 2]. So vallet ock de drüdde klage umme unrecht dat schmaheit het. Dit vorant wert ock dy sone nicht na des vader dode / wen men antwert em darumme nicht offt he yd na synes vader dode klagede als klagen wolde [Ssp Ldr III 31, D. 47, 10, 11, 1]. Dy virde klage is. Efft dy dode schaden gedan hedde met düue oder met roue / des muste dy erue also vele alse he is ryker worden were oder in syne nuet komen were vorantwerden unde wedder dùn [Ssp Ldr I 6, Inst. 4, 12, § alioquin, D. 50, 17, 38]. Is ock de sake des schaden oder der schmaheit vor gerichte bracht by des doden leuende dy erzue mùt antwerden na deme dat men sy na penningen richtet. i. vorderet. al werdet unde anders nicht [D. 44, 7, 26, Inst. 4, 12, § poenales] Dat dar steit [D. 50, 17, 38] dat wan dy klage van des doden drogene sy dat is als dy drogene des des doden den eruen ryker maket het / des antwert he billick vor dat genyth / wan sick schal nymant ryken met des anderen schade oder gude thu unrechte [D. 12, 6, 13 pr u.a.]. 23
Daraus ergibt sich für Klagen 24
- zu Lebzeiten des Vaters: Keine Haftung des Erben. 25
- nach dem Tod auf Leib oder Leben: Keine Haftung. 26
- nach dem Tod um Unrecht bzw. Schmähung: Keine Haftung. 27
- nach dem Tod wegen Schaden aus Diebstahl oder Raub: Bereicherungshaftung. 28
Berücksichtigt man den Quellenkontext, so ergibt sich für unser Sprichwort der folgende Inhalt: 29

1. Keine Haftung des Sohnes nach dem Tod des Vaters

Das Sprichwort meint meist nur die Verantwortlichkeit nach dem Tod des Vaters. Es geht also um die Erbenhaftung bzw. die passive Unvererblichkeit von Klagen.26) Die Quellen machen dies durch den Zusatz „swen her stirft“ deutlich. Auch die Stelle aus dem Sachsenspiegel-Lehnrecht steht im Zusammenhang mit der Erbenhaftung, denn unmittelbar zuvor heißt es: „mach die man gût lîen unde erben sîn ûph sînen sone.“27) 30
Die passive Unvererblichkeit wird auch durch folgende Sprichwörter ausgedrückt: 31
- Der Tod hebt alles auf.28) 32
- Stirbt der Mann, so stirbt auch seine Klage.29) 33
- Der Tod zahlt alle Schulden.30) 34
Auch wenn diese Sprichwörter lange nicht so allgemein gelten, wie sie formuliert sind, dürften sie als Trost für den Schuldner eine gewisse Berechtigung gehabt haben. 35
Wie schon die Buchsche Glosse deutlich macht, gilt das Sprichwort jedoch auch vor dem Tod des Vaters: 36
Glosse zu Ssp Ldr II 17: „Dy erste vil by des vaders lyue dar antwerde dat kindt neyne wyß vor.“ 37
Allerdings haftet dann der Vater noch, so daß das Vermögen des Erben sich durch Zahlung der „Strafe“ durchaus indirekt vermindern kann. 38

2. Keine Haftung für Delikte

Das Sprichwort bezieht sich jedenfalls auf Deliktsklagen. Das ergibt sich aus dem Zusatz „swaz her ungerichtes hât getân“ (Ssp Ldr II 17 § 1, Dsp) bzw. „vmbe kein vngerichte“ (Schwsp, Ruprecht v. Freising). Auch die Stelle aus dem Sachsenspiegel-Lehnrecht bezieht sich mit der „wedde“ (das an den Richter zu zahlende Strafgeld) jedenfalls auch auf deliktische Sachverhalte. Nur die Stelle aus dem dritten Landrechtsbuch enthält keinen Hinweis auf einen deliktischen Zusammenhang. 39
Die Sprichwörtersammlungen stellen wegen des „ungerichtes“ unser Sprichwort auch in den Zusammenhang der Personalität der „Strafe“.31) Dabei ist zu bedenken, daß der Sachsenspiegel in erster Linie die sog. „Privatstrafe“ kennt, die an den Verletzten zu zahlen ist. Immerhin lassen die „Buße“ an den Richter bei Ruprecht von Freising und die ebenfalls an den Richter zu zahlende „wedde“ in Ssp Lnr 45 § 2 auch an die „öffentliche Strafe“ denken.32) Von einer „Strafe“ des Sohnes bzw. des Erben ist aber an keiner Stelle die Rede. Die übrigen Quellen zeigen zudem, daß das Sprichwort keinesfalls auf die „Strafe“ beschränkt ist, sondern sich auf alle Rechtsfolgen bezieht, die sich für den Erben aus dem Delikt des Erblassers ergeben. 40
Daß mit „ungerichte“ nur Delikte gegen die Person, nicht aber Delikte gegen Sachen, also nicht Diebstahl und Raub gehören, wie Rudolf von Sydow meinte, darf bezweifelt werden. Zwar führt die Buchsche Glosse Diebstahl und Raub nur im (vierten) Fall auf. Doch da er hier nur vom Schadenersatz handelt und diesen nur zuläßt, soweit die Erben bereichert sind, macht er über „Strafklagen“ wegen Diebstahl und Raub überhaupt keine Aussage. Eine „Strafklage“ wegen Diebstahl oder Raub dürfte demnach ebenfalls mit dem Tod des Täters enden. 41
Daß der Sohn aber auch zu Lebzeiten des Vaters für ein Delikt nicht einzustehen braucht, hat die Buchsche Glosse richtig bemerkt. Zu dieser Frage haben sich Sprichwörter gebildet, die dem unseren sehr nahekommen. 42
- Man soll den Sohn um des Vaters Schuld nicht schlagen [i.e. strafen].33) 43
- Kein Kind soll des Vaters Schuld entgelten.34) 44
- Dem Kind schadet der Mutter Bruch [i.e. Rechtsbruch] nicht.35) 45
Oder auch folgende: 46
- Stiehlt mein Vater/Bruder, so hängt ein Dieb.36) 47
- Jeder stiehlt auf seinen Hals.37) 48
- Jedermann stiehlt und raubt, borgt und ficht auf seinen eignen Hals und seine eigne Habe.38) 49
Aber: 50
- Jeder schlägt auf seinen Hals und nicht auf sein Gut.39) 51

3. Haftung für erwiesene Delikte

Bis hierher bezogen wir uns auf die von den Sprichwörtersammlungen angegebene Stelle Ssp Ldr II 17 § 2. Die übrigen Rechtsbücher machen weitere Bemerkungen: 52
Das Sprichwort bezieht sich jedoch nicht auf Deliktsklagen, über die bereits vor dem Tod des Erblassers gerichtlich verhandelt wurden. Die Formulierungen der süddeutschen Rechtsbücher decken sich weitgehend, indem sie verlangen, daß die Schuld des Toten zu seinen Lebzeiten „erzeugt“, also erwiesen sein müsse. 53
Schwsp. 178a: „ez en si daz die schulde uf in erzuget si e das er sturbe.“ Ruprecht v. Freising I, cap. 115: „es sey dann als vil das dy schuld auf mer zeugt sey ee der vater starb.“
54
Anders noch der Sachsenspiegel: Er verlangte, daß die Strafe nicht nur bezeugt, sondern auch abgeurteilt sein müsse.40) 55
Ssp Lnr 45 § 2: „oder ob sîme herren wedde irteilet sî ûph sîn gût; daz mût her geben oder untreden mit rechte an des vaters stat.“ 56
Dabei handelt es sich nicht lediglich um eine Besonderheit des Lehnrechts. Da der Lehnsherr des Vaters hier gleichzeitig Gläubiger der „wedde“ ist, müßte das Erfordernis des Urteils auch für andere Gläubiger gelten. Das Sachsenrecht stellt mithin strengere Anforderungen an die Vererblichkeit der Strafe. 57
Die Buchsche Glosse geht übrigens so weit nicht: 58
Glosse zu Ssp Ldr II 17: „Is ock de sake des schaden oder der schmaheit vor gerichte bracht by des doden leuende dy erue mùt antwerden na deme dat men sy na penningen richtet. i. vorderet. al werdet unde anders nicht.“ 59
So lassen sich auch diejenigen Sprichwörter erklären, nach denen die Buße bzw. das Blutgeld auf den Erben übergeht:41) 60
- Das geborene Blut nimmt Erbe und Buße.42) 61
- Die Bußen gehen und fallen nach den Erbschaften.43) 62
- Das Blutgeld soll ins Erbe gehen.44) 63
- Die Brüche soll beim Erbe bleiben.45) 64
Dahin gehört auch die Eigenart des Freiburger Stadtrechts von 1120, wonach die Erben des geflohenen Mörders, die dessen niedergerissenes Haus wieder aufbauen wollten, dem Stadtherrn 60 Goldgulden zahlen mußten. 65
Freiburger Stadtrecht § 45: „Si homicida aufugerit, domus eius funditus destruetur et per annum integrum inedificata manebit; post revolutionem anni heredes eius si voluerint, destructam domum reedificabunt et libere possidebunt, impensis tamen prius Domino LX. solidis. Predictus vero reus si postmodum in urbe capietur, statute pene subiacebit.“46) 66
Rudolf von Sydow, der diese Bestimmung als Ausnahme von dem in unserem Sprichwort enthaltenen Rechtssatz interpretiert,47) übersieht, daß hier das Delikt nicht nur gerichtlich erwiesen, sondern die Strafe bereits vollstreckt war. Die Zahlung der Erben kann also die Schuld des Geflohenen nicht mehr tilgen und hat andere Gründe. 67

4. Haftung bei Bereicherung

Das Rechtsbuch Ruprechts von Freising macht noch eine zweite Ausnahme von dem in unserem Sprichwort mitgeteilten Rechtssatz: Wenn der Erblasser Güter hinterlassen hat, dann soll die Buße an den Kläger und den Richter daraus bezahlt werden. Bestimmungen über diesen Fall finden sich auch schon im Sachsenspiegel an den Stellen, die nicht explizit von der Deliktshaftung handeln: 68
Ruprecht v. Freising I, c. 115: „vnd hat er guet hinder jm lassenn man sol dem klager vnd dem richter davon puessen darnach vnnd dy schuld ist.“ 69
Sachsenspiegel Ldr III 31 § 2: „se ne haben daz gût under ine, dâ umme jene beclaget was.“ 70
Sachsenspiegel Lnr 45 § 2: „iz ne sî daz her gût habe, dâ sîn vater um beclaget wêre.“ 71
Auch die Buchsche Glosse begründet die Zulassung der vierten Klage wegen Diebstahl und Raub unter Berufung auf D. 50, 17, 38 damit, daß der Erbe sich nicht bereichern darf. 72
Glosse zu Ssp Ldr II 17: „Efft dy dode schaden gedan hedde met düue oder met roue / des muste dy erue also vele alse he is ryker worden were oder in syne nuet komen were vorantwerden unde wedder dùn. […] Dat dar steit […] dat wan dy klage van des doden drogene sy dat is als dy drogene des des doden den eruen ryker maket het / des antwert he billick vor dat genyth / wan sick schal nymant ryken met des anderen schade oder gude thu unrechte.“ 73
Dennoch besteht zwischen beiden Rechtsbüchern ein gravierender Unterschied. Die beiden Sachsenspiegel-Stellen erstrecken die Haftung nämlich nur auf das Gut, auf das der Tote beklagt war. Es handelt sich also um Bestimmungen über die Sachverfolgung. So versteht es sich auch, warum sie nicht explizit von Delikten sprechen. 74
Ruprecht von Freising spricht hingegen ausdrücklich von Buße. Außerdem beschränkt er die Haftung nicht auf das streitbefangene Gut, so daß die Verpflichtung zur Bußzahlung allein davon abhängt, ob der Erbe überhaupt etwas aus der Erbschaft erlangt hat. Die Haftung der Erben für Delikte des Erblassers erweitert sich damit grundsätzlich auf die ganze Erbschaft! 75
Auch die Buchsche Glosse beschränkt die Haftung nicht mehr grundsätzlich auf das streitbefangene Gut, denn sie stellt dem „Genuß“ des Gutes die Bereicherung gleich. Allerdings geht es ihr, anders als Ruprecht von Freising, nur um Schadenersatz, nicht um Buße oder Strafe. 76

5. Keine Haftung des Vaters für den Sohn

Den süddeutschen Quellen können wir auch entnehmen, daß das Sprichwort auch umgekehrt gilt: Der Vater haftet nicht für den Sohn: 77
Schwsp. 178a: „Der vater antwurtet vor den sun nicht den er uz gesturet hat wan so vil als er sins gutes inne hat.“ 78
Ruprecht v. Freising I, c. 115: „Der vater annttburt für den Sun nicht den er aus geheyrat hat vnd sein aignn guet jnnen hat.“ 79
Wie beide Texte betonen, gilt das jedoch nur für den ausgesteuerten, also nicht für den im Hausverband lebenden Sohn. 80
An dieser Stelle sei auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die die Darstellung von Ssp Ldr II 17 in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels verursacht. Die Oldenburger Handschrift von 1336, die Dresdner Handschrift aus dem dritten Viertel des 14. Jahrhunderts und die vor 1375 aufgezeichnete Wolfenbütteler Handschrift zeigen vier Personen: ganz rechts den Richter, vor ihm einen Vater, der einen Sohn an der Hand hält und einen Eid auf die Reliquie schwört, und ganz links wiederum einen Sohn, der eine bedauernde bis abweisende Handbewegung in Richtung des Vaters macht.48) 81
Brigitte Janz deutet das Bild so, daß die mittlere Gruppe einen Meineid des Vaters darstellt, also ein „ungericht“, das der Sohn von sich weise. Das führt, wie sie selbst sieht, allerdings zu einer Unverträglichkeit, weil die Meineidsgruppe zugleich auch auf den zweiten Absatz der Stelle gedeutet werden müsse, wo es sich aber um einen korrekten Eid handelt. Anderenfalls bleibt nur die von Almira vorgeschlagene Lösung, der Rechtssatz sei überhaupt nicht illustriert, sondern lediglich die Figuren.49) 82
Wenn wir hingegen auch den Schwabenspiegel berücksichtigen, erhalten wir eine weitere denkbare Lösung. Es wäre doch möglich, daß die späteren Handschriften um die Regelung im Schwabenspiegel wissen und auch die Umkehrung des Sprichwortes illustrieren wollen. Die mittlere Gruppe zeigt dann keinen Meineid, sondern sie illustriert sowohl den korrekten Eid im zweiten Absatz wie auch die Umkehrung des Rechtssatzes im ersten Absatz: „Der Vater antwortet für den Sohn nicht.“ Die Sohn-Figur am linken Bildrand würde dann die Regel „Der Sohn antwortet für den Vater nicht.“ illustrieren. 83

6. Haftung für andere als Deliktsklagen

Bisher ist die Frage bewußt offen gelassen worden, ob das Sprichwort „Der Sohn antwortet für den Vater nicht.“ nur für Deliktsklagen oder auch für alle übrigen Klagen gilt. Der Vergleich von Ssp Ldr III 31 § 2 und Ssp Lehnrecht 45 § 2 mit den übrigen Quellen zeigt, daß diese beiden Stellen den Zusatz über das „ungericht“ nicht enthalten. Das legt nahe, daß der Grundsatz prinzipiell auch für nichtdeliktische Klagen galt. Wir werden jedoch über die generelle Erbenhaftung an einer anderen Stelle des Sachsenspiegels informiert: 84
Ssp Ldr I 6 § 2: „Swer sô daz erve nymt, de sal durch recht die schult gelden alse verne, als daz erve geweret an varender have.

Dûve noch rouf noch dopelspel en is her nicht pflichtich zu geldene, noch nichêne schult, wenne die, der he wederstadunge untfînc, oder burge was worden: die schult schal die erve gelden, ob her iz innerit wirt alse recht is mit zweên unde sevenzich mannen, die alle vrî schepenbâre sîn oder echt borene lâte.“50)

Schwsp 5b: „wer erbe nympt der sol ze recht die schuld gelten die der tod man gelten solt die man wais. der man aber nicht wais die sol man erzewgen auf den toten man selb sibent. hat aber der tod man der gült veriehen vor den läwten do er gesünt was oder an dem totpette vnd mag er das erzewgen selb dritt er hat sein güt behabt vnd hat die siben zewgen verleit.

dewphait noch raub noch spil noch wücher des ist niemant schuldig ze gelten für den andern noch ob er wider dehain gericht icht getan hat. ist aber ain schulde auf in erzewget ane die ich hie vor genant han die erzewgten schulde süllen die erben dem chlager vnd dem richter püssen. ist aber chain schulde auf den toten man erzewget so püssent auch die erben nicht.“51)

85
Von Diebstahl und Raub handelt auch die vierte Klage nach der Glosse Johanns von Buch: 86
Glosse zu Ssp Ldr II 17: „Efft dy dode schaden gedan hedde met düue oder met roue / des muste dy erue also vele alse he is ryker worden were oder in syne nuet komen were vorantwerden unde wedder dùn.“ 87
Die Befreiung von der Haftung gilt demnach nur für bestimmte Schulden, nämlich für Schulden aus Diebstahl, Raub, Spiel, Wucher und alle Schulden, für die der Erblasser keine Gegenleistung erhalten hat. Für alle übrigen Schulden hat der Erbe regelmäßig einzustehen, insbesondere für Bürgschaftsschulden. Und wenn der Erbe das beklagte Gut genießt oder sonst bereichert ist, muß er auch für die anderen Fälle haften, für die Buch pars pro toto Diebstahl und Raub nennt.52) 88
Dies führt zur Gegenfassung unseres Sprichwortes: 89
- Wenn der Tote beklagt wird, so müssen die Erben darauf antworten.53) 90
- Des Toten Erbe soll antworten für die Schuld.54) 91
Versteht man die Erbschaft als umfassende Rechtsnachfolge (weiter Erbschaftsbegriff), erbt der Erbe auch die Schulden: 92
- Wer das Erbe nimmt, der soll die Schuld gelten.55) 93
- Wer erben will, der soll auch gelten.56) 94
- Die Nächsten gelten den Toten.57) 95
- Die Schulden sind der nächste Erbe.58) 96
Verfolgt man den engen Erschaftsbegriff, erbt er das zu Unrecht in der Erbschaft befindliche Gut erst gar nicht:59) 97
- Alte Treuschaft verstirbt nicht.60) 98
- Unrecht [Gut]61) folgt dem Erbe nicht.62) 99
Der Sachsenspiegel beschränkt die Haftung noch auf die fahrende Habe, während die süddeutschen Quellen auch das unbewegliche Vermögen einbeziehen. Die Haftung geht aber weder hier noch dort über den Nachlaß hinaus, was sich ebenfalls in den Sprichwörtern finden läßt: 100
- Ist kein Gut da, so sind die Erben ledig.63) 101
- Wo nichts ist, da hat der Kaiser sein Recht verloren.64) 102
Andere Sprichwörter betonen hingegen, daß die Erbschaft für den Erben auch einen Verlust bedeuten kann. 103
- Erbe ist kein Gewinn (Erfniß is geen Winste).65) 104
- Wer einen Heller erbet, muß einen Taler bezahlen.66) 105
Wenn allerdings der Sachsenspiegel für den Erinnerungsbeweis einer vererblichen Schuld das Zeugnis von zweiundsiebzig schöffenbarfreien und ehelich geborenen Männern fordert,67) so wird der Anspruch des Gläubigers gegen den Erben zu einer nahezu aussichtslosen Rechtsposition. Wie Eisenhart berichtet, soll dies für Papst Gregor XI. ein Grund gewesen sein, „die Reptovische Sammlung von sächsischen Gewohnheitsrechten zu verwerfen und für ein gefährliches Buch zu erklären, weil er glaubte, daß es wider die heilige Schrift liefe, einem Gläubiger die Erhaltung seiner Forderung so schwer zu machen.“68) 106
Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, daß das Sprichwort „Der Sohn antwortet für den Vater nicht.“ ohne den Zusammenhang der Quellen, denen es entnommen wurde, kaum zu verstehen ist. Erst durch diesen Zusammenhang wird klar, daß es sich um eine Regelung über die Erbenhaftung handelt, daß keineswegs alle, sondern nur bestimmte Schulden von der Haftung ausgenommen sind und daß die Erben bei gerichtlich erwiesenen Delikten oder bei Bereicherung gleichwohl haften. 107

III. Einfluß der gelehrten Rechte

Aber entspricht der in unserem Sprichwort mitgeteilte Rechtssatz überhaupt dem „deutschen“ Recht? Nimmt er nicht vielmehr bereits das gelehrte römisch-kanonische Recht auf? 108

1. Das römische Recht: Keine Erbenhaftung für Delikte

Das römische Recht kennt ebenfalls den Grundsatz, daß die Verfolgung des Verbrechens mit dem Tod endet: crimen extinguitur mortalitate. 109
Die Quellen sprechen davon, daß die Anklage (accusatio), das Verfahren (iudicium), die „Strafe“ (poena) oder die „Verfolgbarkeit“ (crimen)69) durch den Tod wegfallen (extinguitur, solvitur, perimitur, desinit).70) Als Begründung wird von Paulus angegeben, daß die Besserungsfunktion (emendatio hominum) der Strafe am toten Täter nicht mehr eintreten könne, weil ein Toter die Strafe nicht fühlen kann.71) Es wird also nur auf die Straffunktion und nicht auf eine Verantwortlichkeitsregel abgestellt.72) 110
Dementsprechend sind auch nach römischem Recht die „Pönalklagen“ passiv unvererblich: 111
Gaius Inst. 4, 112: „… ex maleficiis poenales actiones in heredem nec conpetere nec dari solere…“ 112
Ulpianus D. 47, 1, 1 pr: „Civilis constitutio est poenalibus actionibus heredes non teneri nec ceteros quidem successores: idcirco nec furti conveniri possunt.“ 113
Paulus D. 48, 19, 20: „Si poena alicui irrogatur, receptum est commenticio iure, ne ad heredes transeat.“ 114
Der Grund für die passive Unvererblichkeit liegt in der höchstpersönlichen Natur der „Strafe“, in der Individualität der Sanktion, wie sie in den Quellen häufig zum Ausdruck kommt.73) Deshalb braucht der Sohn auch zu Lebzeiten die „Strafe“ des Vaters nicht zu tragen: 115
Arcadius und Honorius C. 9, 47, 22, pr-2: „Sancimus ibi esse poenam, ubi et noxa est. Propinquos notos familiares procul a calumnia submovemus, quos reos sceleris societas non facit: nec enim adfinitas vel amicitia nefarium crimen admittunt. Peccata igitur suos teneant auctores nec ulterius progrediatur metus, quam reperietur delictum.“ 116
Callistratus D. 48, 19, 26 (= Decretum Gratiani C. 1, q. 4, c. 6): „Crimen vel poena paterna nullam maculam filio infligere potest: namque unusquisque ex suo admisso sorti subicitur nec alieni criminis successor constituitur…“ 117
Klagbar sind jedoch „Strafklagen“, die bereits durch Streitbefestigung (litis contestatio) zwischen dem Kläger und dem Beklagten vor Gericht gelangt sind, da damit der Klage eine bedingte Verurteilung zugrunde liegt. 118
Ulpianus D. 44, 7, 26: „Omnes poenales actiones post litem inchoatam et ad heredes transeunt.“ 119
Paulus D. 44, 7, 33: „Constitutionibus, quibus ostenditur heredes poena non teneri, placuit, si vivus conventus fuerat, etiam poenae persecutionem transmissam videri, quasi lite contestata cum mortuo.“ 120
Für die crimina publica reicht indes nicht die Streitbefestigung aus, sondern hier bedarf es, wie im Sachsenspiegel, des Urteils: 121
Modestinus D. 48, 2, 20: „Ex iudiciorum publicorum admissis non alias transeunt adversus heredes poenae bonorum ademptionis, quam si lis contestata et condemnatio fuerit secuta …“ 122
Abweichend von den deutschen Quellen wird allerdings bei bestimmten Verbrechen, die sich gegen die religiöse Basis des Staates richten, der Grundsatz ganz aufgegeben und die Söhne für die Väter „bestraft“. Berühmt-berüchtigt ist die lex Quisquis, ein Reskript der Kaiser Arcadius und Honorius vom Jahr 397 (C. 9, 8, 5), das noch in der gemeinrechtlichen Wissenschaft des 16. Jahrhunderts viel diskutiert wird (Buch nennt es allerdings nicht). 123
Das römische Recht kennt (seit der Kaiserzeit) auch die Bereicherungshaftung in id quod ad eum pervenit für Delikte des Erblassers, wie wir sie im deutschen Recht kennengelernt haben. Sie beruht auf dem Gedanken, daß der Erbe keinen Nutzen aus der Straftat ziehen darf, man den „unsittlichen Gewinn“ also abschöpfen muß. 124
Pomponius D. 50, 17, 38: „Sicuti poena ex delicto defuncti heres teneri non debeat, ita nec lucrum facere, si quid ex ea re ad eum pervenisset.“ 125
Diocletianus C. 4, 17, 1: „Post litis contestationem eo qui vim fecit vel concussionem intulit vel aliquid deliquit, defuncto successores eius in solidum, alioquin in quantum ad eos pervenit conveniri iuris absolutissimi est, ne alieno scelere ditentur.“ Glosse scelere ditentur (Accursius): „turpia enim lucra ab herede sunt extorquenda.“ 126
Klagen, deren Zweck nur die „Sachverfolgung“ ist, wie z. B. die condictio furtiva, sind dagegen immer vererblich. Bei der Abgrenzung rein „sachverfolgender“ (sog. reipersekutorischer) Klagen von den „Strafklagen“ sind die römischen Quellen allerdings recht unsicher, so daß es wenig sinnvoll erscheint, die Unvererblichkeit als absolutes Kriterium für eine „Strafklage“ zu nehmen, wie es Ernst Levy versucht hat.74) 127
Die Haftung des Erben ist, anders als im Sachsen- und Schwabenspiegel, prinzipiell nicht auf den Nachlaß beschränkt. Sie ist aber beschränkbar, und zwar nach klassischem Recht durch Nichtantritt oder Ausschlagung der Erbschaft (ius abstinendi), nach justinianischem Recht durch Aufstellung eines Inventars (beneficium inventarii).75) 128
Insgesamt stellen wir fest, daß das Sprichwort „Der Sohn antwortet für den Vater nicht.“ nach dem Inhalt, wie er sich anhand der deutschen Quellen zeigt, sehr wohl auch Grundsätze des römisch-kanonischen Rechts ausdrückt. 129

2. Das kanonische Recht: Erbenhaftung für alle Delikte

Auch das kanonische Recht kennt den Grundsatz, daß die Söhne nicht für die Väter „bestraft“ werden sollen, wenn sie ihnen nicht in der Sünde nachfolgen. Allerdings werden zahlreiche Ausnahmen zugelassen, die den Grundsatz weitgehend aushöhlen. Die Diskussion entzündet sich bis ins 17. Jahrhundert hinein immer wieder an zwei Bibelstellen, von denen die eine die Verantwortlichkeit der Söhne für die Väter, die andere die Befreiung von dieser Verantwortung propagiert: 130
Exodus 20, 5: „Ego sum Deus zelotes, visitans peccata patrum in filios usque in tertiam et quartam generationem.“ 131
Ezechiel 18, 20: „Anima quae peccaverit ipsa morietur. Filius non portabit iniquitatem patris et pater non portabit iniquitatem filii.“ 132
Vgl. Deuteronomium 24, 16: „Non occidentur patres pro filiis nec filii pro patribus, sed unusquisque pro suo peccato morietur.“76) 133
Schon Gratian bezieht in seinem Dekret die Ezechiel-Stelle nur auf die ewige Strafe Gottes (poena aeterna) und läßt dementsprechend zeitliche Strafen an den Söhnen zu.77) Ausgebaut hat diese Lehre des Schöpfer des Liber Extra, Raymundus von Peniaforte. Noch der Liber Sextus läßt grundsätzlich neben der Schuld auch einen sonstigen Grund für die Strafe ausreichen: 134
Bonifacius VIII. VI 5, 13, 23: „Sine culpa, nisi subsit causa, non est aliquis puniendus.“78) 135
Erst im 16. Jahrhundert wird diese Lehre unter Rückgriff auf Thomas von Aquins engerem Strafbegriff überwunden.79) 136
Hinsichtlich der Schwerstverbrechen lehnt sich das kanonische Recht mit einem argumentum a minore ad maius an das römische Recht an: Wenn die Kinder schon für die Verletzung der irdischen Majestät bestraft werden, dann erst recht für das schwerere Verbrechen der Verletzung Gottes.80) 137
Der Gratianischen Lehre entsprechend setzt sich im kanonischen Recht die Erbenhaftung für sämtliche Delikte durch. Die Glosse des Johannes Teutonicus zum Dekret Gratians macht dies in prägnanten Worten deutlich: 138
Glosse ab heredibus ad C. 12, q. 2, c. 34: „Generaliter enim omnis heres tenetur ad omnia onera defuncti… hoc tamen teneas quod secundam canones in contractibus & in delictis… heres semper tenetur in solidum.“81) 139
Das Dekret Gratians und noch der Liber Extra hatten den Umfang der Haftung der Erben nicht genau bestimmt. Die Kanonisten nutzen diese Lücke, um die Haftung der Erben über das Erlangte hinaus auszudehnen und von der Streitbefestigung unabhängig zu machen. Zur Begründung berufen sich die Kanonisten einmal auf die kanonische aequitas, ein anderes Mal auf eine (unwiderlegliche) Bereicherungsvermutung. Schließlich wird die erweiterte Haftung unter moraltheologischer Zielsetzung mit dem Zweck der Buße und Genugtuung (satisfactio) begründet, der den Toten von der zeitlichen Sünde reinigen soll. 140
Wie man sieht, hat das kanonische Recht weniger Parallelen zu unserem Sprichwort, ist doch der Grundsatz, daß der Sohn sich für den Vater nicht veranworten soll, hier fast aufgegeben. Es ist deshalb kaum vorstellbar, daß das kanonische Recht bei der Fassung unseres Sprichwortes Pate gestanden hat. 141

3. Das „deutsche“ Recht: Sippenhaft?

Damit kommen wir zu unserer Frage zurück, ob das Sprichwort „Der Sohn antwortet für den Vater nicht.“ überhaupt einen genuin „deutschrechtlichen“ Einschlag hat oder der Rezeption des gelehrten, in diesem Fall des römischen Rechts zu verdanken ist. 142
So jedenfalls versteht Johann von Buch die Stelle. Er betrachtet sie nicht als Ausdruck des „deutschen“ bzw. „sächsischen“ Rechts, sondern meint, das Sprichwort nehme das römische Kaiserrecht auf, das zwischen vergänglichen und ewigen Klagen unterscheide, und weist auch auf Ezechiel hin. 143
Glosse zu Ssp Ldr II 17: „Vnde ruret hir dat keyserrecht dat dar spreckt van den klagen dy vorgencklick sint / vnde van den klagen dy ewichlick sint. Dy vorgencklike klagen syn dy met deme manne vorgan vp den men klaget. Dy ewigen klagen syn dy men vorbat vp dy eruen vorderen mach. […] Dit is darumme dat dy sone nicht draget uppe sick des vaders sunde / noch dy vader des sones sunde wenne wes leuent breckt des leuent mùt sterzen. Alse Ezechiel spreckt.“82) 144
Diese Erklärung ist andererseits bezeichnend für die Sachsenspiegelglosse, denn deren Eigenart besteht gerade darin, den Sachsenspiegel vom römisch-kanonischen Recht her zu verstehen. Das machen schon die vielen Stellen deutlich, die Buch zu Ssp Ldr II 17 aus Institutionen, Codex und Digesten zitiert. Der Sachsenspiegel wurde damit Teil des gelehrten Rechts. Wie die Kommentierung von Pistorius zu „Stiehlt mein Vater, so hängt ein Dieb.“83) und von Eisenhart zu „Erben ist kein Gewinn.“84) zeigt, wurden aber „deutsche“ Rechtssprichwörter noch im 18. Jahrhundert ganz im Lichte des gemeinen, zumeist des römischen Rechts ausgelegt. Eisenhart etwa führt den Bedeutungsrückgang des genannten Sprichwortes auf die Einführung der justinianischen Rechtswohltat des Inventars zurück und erwähnt mit keinem Wort, daß nach deutschem Recht die Haftung ohnehin auf den Nachlaß beschränkt war. 145
Ganz anders sieht die landläufige Vorstellung der Germanistik vom „älteren deutschen Recht“ aus. Sie geht vom Grundsatz der „Sippenhaftung“ aus, nach dem die ganze Sippe für die Straftaten ihrer Mitglieder einzustehen hat. Schon Rudolf von Sydow hält in seiner „Darstellung des Erbrechts nach den Grundsätzen des Sachsenspiegels“ von 1828 unser Sprichwort für außergewöhnlich, da es „dem altdeutschen System der Familienbürgschaft durchaus entgegen gesetzt“ sei.85) Die „Übertragung der Schuld auf die Nachkommen“ ist auch für Freiherr Leopold von Borch (1828-1896) ein „altgermanischer Grundsatz“ und nach deutschem Recht „ganz gewöhnlich“. Er trauert diesem Grundsatz angesichts der neueren Gesetze regelrecht nach.86) Das „deutsche“ Recht wäre dann, wie Leonhard Winkler meint, vom Grundsatz der Sippenhaftung „im Laufe der fortschreitenden Gesittung“ zum Grundsatz der persönlichen Haftung übergegangen.87) Noch Brigitte Janz geht von der „Sippenhaftung“ im älteren deutschen Recht aus, erklärt die Änderungen im Sachsenspiegel aber nicht mit fortschreitender Gesittung, sondern mit der These von der „Frührezeption“. Daß die Frage zur Zeit Eike von Repgows nicht ganz unumstritten gewesen sei, belege auch die negative Formulierung.88) 146
Doch diese Meinung ist noch viel älter: Schon die von dem Leipziger Professor Ludwig Fachsius begründete, im 16. Jahrhundert unter dem Titel „Differentiarum Iuris civilis et Saxonixi libri duo“ sehr verbreitete Gegenüberstellung des römischen und sächsischen Rechts bezeichnet die Übertragung des Ehrmangels vom Vater auf den Sohn als einen der wesentlichen Unterschiede beider Rechte.89) 147
Hat der Sachsenspiegel also einen guten alten deutschen Grundsatz durch Rückgriff auf das römische Recht beseitigt? 148
Inzwischen ist die Lehre von der „Sippe“ in die Kritik geraten. Schon vor zehn Jahren hat Ekkehart Kaufmann resümiert, man könne die „Sippe“ nicht mehr „als rechtlich genau bestimmbares Rechtsgebilde, als verfassungsmäßige Institution erfassen“. Mit dem Begriff der „Sippe“ fällt auch das „Sippenstrafrecht“.90) 149
Unter diesem Blickwinkel scheint es sinnvoll, auch die Lehre von der „Sippenhaftung“ neu zu hinterfragen. Hat es sie überhaupt gegeben? Inwieweit darf sie als prägender Grundsatz des älteren deutschen Rechts betrachtet werden? Steht sie wirklich im Gegensatz zu unserem Sprichwort? Wir werden nicht umhinkommen, die von der Literatur für eine Sippenhaftung angeführten Stellen zu überprüfen. Zunächst wollen wir uns dabei den bereits genannten Autoren zuwenden. Dabei fällt die neueste Arbeit von vornherein aus, denn Brigitte Janz verweist nur auf die ältere Literatur, nämlich auf Hermann Conrad und Rudolf von Sydow.91) 150
Die „Differentiae iuris civilis et Saxonici“ beziehen sich auf die Glosse zum Sachsenspiegel, wonach der Sohn durch ein Verbrechen des Vaters bis ins dritte Glied befleckt wird dadurch gerichtsunfähig wird: 151
Glosse zu Ssp Ldr I 51: „Nu wete wes vader unn eldervader hir mede nicht beflecket wat was / dy vntgelt des nicht of wol syn ouer olderuad[er] alsus gewesen were / wen der olderen ere genùt man nicht mer edder vorder / unn orer schande vntgeldet men nicht mer oder vorder / wen in dat drüdde kny al kindt / dar umme dat men des nicht vorder genytet.“92) Glosse zu Ssp Ldr I 51, zit. nach „Differentiarum iuris civilis et Saxonici“: „Wo eines Mannes gemelte Eltern bescholten sein / den mag man auch wol an seiner Geburt beschelten / und also geneust man der Eltern Ehre / und entgilt irer Schande in das dritte Glied.“93)
152
Die Gerichtsfähigkeit dürfte allerdings weniger in den Bereich zumal „strafrechtlicher“ Haftung fallen, da bei ihr, ähnlich wie bei der kanonischen Weiheuntauglichkeit (Irregularität), auch unverschuldete, objektive Fehler zu einem Verlust führen. Mit der Beschränkung der Ehrbefleckung auf das dritte Glied wird zudem eindeutig auf die Generationenverantwortlichkeit nach dem Exodus angespielt. Buch rezipiert hier also das biblische Recht. Eine Aussage über das „ältere deutsche Recht“ wird gar nicht getroffen. 153
Leopold von Borch nennt drei Beispiele aus dem älteren Recht: 154
1. Gregor von Tours, Historia Francorum (591) lib. 7, c. 21. Der fränkische König Guntchram „schwor, […] das Haus eines Empörers bis in das neunte Glied zu vertilgen“. 155
2. Reichsregesten von Böhmer-Fricker: Der Papst habe „die Königswahl Philipps von Schwaben hauptsächlich auch wegen der Vergehen seiner Verwandten […] nicht zulassen“ wollen, und Friedrich II. habe „die Söhne des Heinrich von Ravensburg (Mörder des Kanzlers Konrad und Bischofs von Würzburg), welche wegen des Verbrechens ihrer Eltern von der Erbfolge in Lehen und Eigen ausgeschlossen waren, durch Ausspruch der Fürsten in den Besitz der Erbgüter - also wohl nicht der Lehen - 1234 wieder eingesetzt.“ 156
3. Goldene Bulle (1356) cap. 24. Karl IV. sage hier „von den Verschwörern gegen das Leben der Kurfürsten“: „Sin kint dem wir von kayserliche genade vorlihen das leben, sie soltent mit vetterlicher pine sterben das bilde vetterlicher erbsunde halt an in mit grimmerpine gemessen werden.“ 157
In allen drei Beispiele geht es um Fälle von Hochverrat: Nicht nur die „Empörer“ und „Verschwörer“, sondern zweifellos auch der Mörder des Kanzlers gehören dazu. Für diese galt aber auch nach römischem Recht eine Ausnahme. Das Kapitel aus der Goldenen Bulle stellt sogar weitgehend nichts anderes dar als eine wortwörtliche Übernahme der lex Quisquis (C. 9, 8, 5), was nicht gerade für ein typisch „deutschrechtliches“ Institut spricht. Daß überdies die Verfolgung der Kinder in diesen Fällen eine allgemeine Rechtsansicht beinhalten soll, darf angesichts der politischen Motivation, die hinter den Hochverratsfällen steckt, bezweifelt werden. Der „Schwur“ des Frankenkönigs muß jedenfalls so nicht verstanden werden, das zweite Beispiel beruht ohnehin nur auf einer Vermutung. Und das dritte Beispiel zeigt, daß die volle Härte gegenüber den Kindern eben doch nicht durchsetzbar war, weshalb die „Gnade“ ein Korrektiv setzen mußte. 158
Albrecht Foth beruft sich in seiner Abhandlung über die Beziehungen zwischen deutschen Rechtssprichwörtern und gelehrtem Recht auf die Lex Burgundionum (nach 501), die, anders als die oben erwähnten Lex Romana Burgundionum und die Lex Visigothorum, eine Haftung der Kinder vorsähen:94) 159
Lex Burgundionum cap. 47 [1]: „… ut quicumque ingenuus, tam barbarus quam romanus… caballos aut boves furto abstulerit, et uxor eius commissum crimen non statim prodiderit, et occiso marito suo ipsa quoque libertate privetur, et in servitium eius, cui furtum factum fuerit, sine dilatione tradatur; quia dubitari non potest… eas maritorum suorum criminibus esse participes. circa filios… ut quicumque ex eis eo tempore, quo furtum admissum fuerit, quartum decimum aetatis annum excesserit, eo quo mater ipsius amissae libertatis praeiudicio condemnetur, eiusque dominio perpetua obnoxietate deserviat, cui furtum factum fuisse constiterit…“95) 160
Diese Stelle bezieht sich zwar auf den eher „gewöhnlichen“ Fall des Diebstahls, taugt aber ebenfalls nicht, um die „Sippenhaftung“ zu beweisen, stellt sie doch ausdrücklich auf eine vermutete Teilnehmerschaft ab, die sich darauf stützt, daß das Verbrechen nicht sofort angezeigt wurde. Nicht die ominöse „Sippe“, sondern die Teilnahme - und mithin eine eigene Schuld - ist Zurechnungskriterium. 161
Auch die Bestimmungen anderer „Volksrechte“ wie der Lex Romana Burgundionum (506)96) und der Lex Visigothorum (um 654)97) ähneln mehr dem römischen Recht. 162
Rudolf von Sydow gibt für seine Ansicht nur eine einzige Quelle aus dem thüringischen Volksrecht an:98) 163
Lex Angliorum et Werinorum hoc est Thuringorum 2 § 27: „Ad quemcunque hereditas terrae pervenerit ad illum vestis bellica, id est lorica, et ultio proximi, et solutio leudis, debet pertinere.“99) 164
Ernst Theodor Gaupp (1796-1859), der das Gesetz 1834 mit einem Kommentar herausgegeben hat, gibt die Stelle wie folgt wieder: „Wer das Landerbe nimmt, der ist verpflichtet zur Blutrache, und an den fällt auch das Wergeld, wenn derjenige, welchen er beerbt, getödtet worden ist.“ 100)Unter anderem dieser Stelle über die Blutrache wegen, „worin sich unverkennbar die reine Ansicht des höchsten Alterthums ausspricht“, aber auch wegen der fehlenden Bezüge zum Christentum, will Gaupp das Gesetz nicht in die karolingische, sondern bereits in die merowingische Zeit, also auf das 6. oder 7. Jahrhundert, datieren.101) Von einer Verpflichtung zur Blutrache sagt die Stelle jedoch genau genommen nichts. Die ultio proximi steht nämlich in einer Reihe mit anderen Aktiva, auf die sich das Landerbe erstreckt, nämlich auf das Heergewäte (vestis bellica) und das Wergeld (solutio leudis).102) Aber selbst, wenn man hier von einer Rachepflicht ausgehen wollte, so beträfe die Stelle doch nur den Erbfall des Erschlagenen, also des Opfers. Über eine Verpflichtung der Tätersippe gibt die Stelle überhaupt nichts her. 165
Gaupp nennt noch zwei weitere Stellen aus den karolingischen Leges: Nach der Lex Salica (803) geht die für einen Totschlag zu zahlende „compositio“ zur Hälfte an die Söhne, zur anderen Hälfte an die Eltern, hilfsweise an den Staat. Die Lex Frisonum (802?) weicht davon nur im Verhältnis ab: 166
Lex Salica 65 § 1: „Si alicuius pater occisus fuerit, mediaetatem conpositionis filii colligant, et aliam mediaetatem parentes qui proximiores fuerint tam de paterna quam de materna generatione, dividant.“103) 167
Lex Frisonum I § 1: „Si nobilis nobilem occiderit, LXXX solidos componat; de qua mulcta II partes ad haeredem occisi, tertia ad propinquos eius proximos pertineat.“104) 168
Auch der Sachsenspiegel kennt noch eine Bestimmung, wonach das Wergeld105) für den Tod des in Notwehr Erschlagenen unter den Verwandten des Verletzten aufzuteilen ist. 169
Ssp Ldr II 14: „… unde den mâghen [sol men irdielen] ir wergelt.“106) 170
Auch diese Stellen sprechen nur von der Verteilung der compositio bzw. des wergeldes, betreffen mithin nur die Beteiligung der Sippe an den Aktiva. 171
Hermann Conrad (1904-1972) erwähnt in seiner „Deutschen Rechtsgeschichte“ den „Gedanken der Sippenhaftung“ nur an zwei Stellen: In der einen bezieht er sich auf die bereits erwähnte Stelle aus der Goldenen Bulle,107) in der anderen auf die Strafe der Verbannung. Zu letzterer gibt Conrad das zweite sächsische Königsgesetz Karls des Großen von 797 als Beleg an:108) 172
Capitulare Saxonicum 10: „De malefactoribus, qui vitae periculum secundum ewa Saxonum incurrere debent, placuit omnibus ut qualiscumque ex ipsis ad regiam potestatem confugium fecerit aut in illius sit potestate utrum interficiendum illis reddatur aut una cum consensu eorum habeat licentiam, ipsum malefactorem cum uxore et familia et omnia sua foris patriam facere et infra sua regna aut in marcu, ubi sua fuerit voluntas collocare, et habeant ipsum quasi mortuum.“109) 173
Diese Stelle bezieht sich indes nur auf eine besondere Strafe, nämlich die Verbannung, was sie schon nicht geeignet erscheinen läßt, in ihr den Ausdruck eines allgemeinen Rechtsinstituts zu sehen. Zudem hat die Verbannung hier weniger den Zweck einer „Strafe“ als einer Schutzmaßnahme, denn durch sie soll gerade die nach dem Recht der Sachsen eigentlich verwirkte Todesstrafe verhindert werden. Von daher ist es nicht verwunderlich, wenn auch die Verwandtschaft in diesen Schutz miteinbezogen wird. Daß dabei die Zustimmung „derer“ (gemeint sind wohl die Verfolger) erforderlich ist, schränkt zwar das Schutzrecht des Königs ein, vermag aber am Charakter der Maßnahme nichts zu ändern und macht den König nicht etwa zum Strafvollstrecker der Verfolger. 174
Als Zwischenergebnis dürfen wir festhalten, daß die Belege, die in Zusammenhang mit der Herkunft unseres Sprichwortes für die „Sippenhaftung“ angeführt werden, nicht dafür sprechen, daß die „Sippenhaft“ ein allgemeines Rechtsinstitut des älteren deutschen Rechts gewesen ist. Wir wollen die Untersuchung jedoch nicht schließen, bevor wir nicht einen Blick auf Rudolf His (1870-1938) und Heinrich Brunner (1840-1915) geworfen haben, die sich am intensivsten mit der „Sippenhaftung“ auseinandergesetzt haben.110) Diese beiden Autoren behaupten nicht nur, daß die „Sippe“ des Täters in Anspruch genommen wurde, sondern belegen ihre Ansicht mit einer Fülle von Zitaten. Wir können an dieser Stelle unmöglich auf alle angegebenen Stellen eingehen, sondern müssen uns auf eine kleine Auswahl beschränken. Da Brunner den Stoff nach Landstrichen und His systematisch ordnet, bietet es sich an, die Ausführungen des letzteren zugrundezulegen. 175
Gleich zu Beginn betont er, daß die „Sippenhaft“ im Mittelalter nicht mehr die Bedeutung hat, die sie in der Germanen- und Frankenzeit gehabt hatte.111) His untersucht die Beteiligung der Sippe an Fehde112) und Sühne,113) an Wergeld und Buße114) sowie an den öffentlichen Brüchen.115) 176
Für die Beteiligung der Tätersippe an der Fehde kann auch His nur einige wenige Stelle aus dem nordfriesischen, niedersächsischen und holländischen Recht anführen. 177
Das nordfriesische Recht: 178
Eiderstedische krone der rechten Wahrheit von 1426 § 15: „Van dem boynen schalmen de bothe vnd de veyde holden, also de boyne to enem manne baren is vnd to sinen fründen is baren al dar schölense en to leggen, vnde nicht al dar na alse sine fründe to em baren sin, wente is de boyne in dat ander lidt baren to enem fründe, vnd is de fründ van em nedder gekamen wente int drüdde lidt edder in dat veerde lidt, so schal he doch also veyde holden vnd schal en also to leggen, efft dat de fründ dem boynen in dat ander lidt were wedder to gebaren. Item is de boyne in dat veerde lidt baren to enem fründe, vnde is de fründ ander edder drüdde wedder to dem boynen baren, so schal he ock also veyde holden vnd to leggen efft he veerde were wedder to dem boynen. Item wo na de boyne baren to enem fründ, und is de fründ in dat vöffte kamen, so endarff he nicht veyde holden, wente dat vöffte dat is frembd.“116) 179
Tatsächlich wird hier mit dem vierten Glied eine Grenze angegeben, bis zu der die „fründen“ Fehde für den Totschläger halten sollen, vor allem aber, über welchen Grad hinaus sie nicht mehr dürfen. Legt man das „Sollen“ schwach aus, dann ist damit weniger die Verpflichtung als die Berechtigung gemeint, an der Fehde des Totschlägers teilzunehmen. 180
Das niedersächsische Recht: 181
Rechte von Altenbruch, Lüdingwort und Nordleda 1439 § 2: „Wäre es aber sache, dasz der handthätiger sich wolle fürheben v. den todten nicht gelten wolte, wenn er vor de herrschaft verklagt ist, so soll man den tädter verfolgen zum ersten an seinem leibe u. gute, darnach sinen nechsten vettern wente ins 4. glid, alle denjennen, die des handthätigers sollen neten und entgelden, die soll man verfolgen in ihrem gute, sünder brandt.“117) 182
Hier ist tatsächlich von einer Verfolgung der Tätersippe die Rede. Wie sie haftet, („entgilt“), so würde sie im umgekehrten Fall auch am Wergeld teilhaben („genießen“). Die Pflicht tritt jedoch erst ein, wenn der Täter flüchtig ist. Es handelt sich also um eine subsidiäre Ausfallbürgschaft. Zudem haften die „vettern“ nur auf das Gut, also nicht in gleicher Höhe wie der Täter, der mit dem Leben haftet. So sehr die Stelle belegt, daß die „Sippe“ in irgendeiner Weise an der Fehde beteiligt war, so wenig spricht sie für eine originäre Schuld der Gemeinschaft. Letztere ist und bleibt beim Täter. Im übrigen weist die Beschränkung auf das „vierte Glied“ hier wie anderenorts auf die Exodus-Stelle hin. Es ist durchaus vorstellbar, daß hier nicht „älteres deutsches Recht“ vermittelt wird, sondern Rezeption kanonistischen, besser: biblischen Gedankenguts. 183
Aus dem holländischen Recht werden nur zwei kurze Stellen angeführt, die nur etwas über die Fehdegrenze sagen.118) Die von Brunner noch angeführte Stelle aus dem Dithmarscher Recht119) beschäftigt sich nur mit der Verteilung des Wergeldes, also mit der aktiven Beteiligung der Verwandten. 184
In allen Quellen handelt es sich schließlich um Fälle von Fehde oder Blutrache, die, gerade was die Einbeziehung Dritter anlangt, von den staatlichen Gewalten allenfalls geduldet, nach Möglichkeit aber eingeschränkt oder abgeschafft wurde. In zahlreichen Quellen, die wir hier nicht im Einzelnen verfolgen können, werden Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Fehde und Blutrache laut,120) so daß die wenigen Berichte, in denen die Rechtmäßigkeit nicht ausdrücklich angezweifelt wird, die Regel nur bestätigen können. Die Befehdung der Verwandten des Totschlägers kann also durchaus nicht als ein allgemeines „deutsches“ Rechtsinstitut beurteilt werden. 185
Auch das Material für die Beteiligung der „Sippe“ an der Sühne hält sich in Grenzen. Für die Totschlagssühne benennt His fünf, für sonstige Vergehen (Entführung) zwei Quellen.121) Wie er selbst bemerkt, ist es dabei „nicht nötig, daß die Verwandten des Totschlägers selber den Sühnvertrag abschließen“.122) Die angeführten Stellen belegen also gar nicht, daß die „Sippe“ wirklich beteiligt ist, sondern lediglich, daß der Täter sich für die Haltung des Friedens durch seine Verwandten verbürgt: „Der Täter gelobt für alle seine Freunde, die Sühne zu halten.“123) Die Nennung der Verwandten bezeugt außerdem nur, daß man von den Verwandten des Täters eine Beteiligung an Racheakten befürchtete, nicht aber, daß der Verletzte oder seine „Sippe“ von Rechts wegen gegen die „Sippe“ des Täters einschreiten durften. 186
Die für eine Beteiligung der „Sippe“ bei der Beschaffung von Wergeld und Buße sowie den öffentlichen Brüchen genannten Quellen sind im Gegensatz zu Fehde und Sühne so zahlreich, daß wir ihnen unmöglich allen nachgehen können. Wir müssen uns deshalb weitgehend auf die Angaben von His beschränken. 187
Zunächst ist auch die Beteiligung der „Sippe“ an Wergeld, Buße und Brüchen am häufigsten für den Totschlag belegt und nur in seltenen Fällen für andere Delikte wie Lähmung, Notzucht, Raub und Brandstiftung. Eine allgemeine Formulierung ist nur in den Langewolder Küren belegt: 188
Langewolder Küren von 1230 § 33: „Werso een egenarvet man umme roeff, umme manslagte, omme diefte en omme andere ondaden voervluchtig worde, so sullen de naeste ses vrenden den redgen de broeke boeten, en varen in des voervluchtigen guet uuter stryt, en des sal de redger em behelpen.“124) 189
Aber ansonsten ist auch diese Stelle alles andere als der Beweis für ein allgemeines Rechtsinstitut: Die Haftung tritt hiernach nämlich nur bei Flucht des Täters ein, sie betrifft nur das Gut des Flüchtigen und nur die an den Richter zu zahlenden Brüche. Wir werden später auf diese Stelle noch einmal zu sprechen kommen. 190
Wie His selbst angibt, ist etwa für den Diebstahl in einigen Satzungen die Haftung ausdrücklich ausgeschlossen. 191
Rüstringer Rechtssatzungen: „Thet is ak frisesk riucht, theter allera monnik stele opa sinne eynene hals, and allera monnik borge opa sina eyna haua.“125) 192
Dithmarscher Landrecht von 1447 § 56: „Item efft dar en deif stele, so mach de deif vorstelen sinen hals unde al sin ghud unde nicht siner vrunde ghut.“126) 193
Auch für den Totschlag wird etwa in Friesland die Haftung für Brüche ausdrücklich ausgeschlossen: 194
Landrecht für Fivelgo, Hunsingo und die Stadt Groningen von 1448 II § 19: „Soe wanner enych mensche doet gheslaghen is, soe sullen de vrenden niet hoger beswaert wesen dan de twe deel van enen mangelde, ende dat derden deel ende de broke sal staen op des doetslaghers hals.“127) 195
Die Aussagekraft der Quellen wird aber überspannt, wenn man, wie His es tut, die Quellen, die eine Beteiligung der „Sippe“ vorsehen, aber ja auch nur bestimmte Delikte betreffen, als Ausdruck eines allgemeinen Rechtssatzes der „Sippenhaftung“ ansieht, diese beiden Stellen aber als Ausnahmen betrachtet. Die angebliche „Sippenhaftung“ beschränkte sich, wie schon bei der Fehde, so auch bei Wergeld und Buße vielmehr nur auf wenige, besonders schwerwiegende Delikte. 196
Als „Brüche“ versteht His übrigens auch Abgaben, die mit Verbrechen nicht das geringste zu tun haben, wie z. B. Deichabgaben128) oder Ausgleichsabgaben, die für einen Grundstücksverkauf nach außerhalb anfallen.129) In anderen Fällen ist häufig unklar, ob es sich bei den „Brüchen“ nicht einfach um Gerichtsgebühren handelt. Auch für diese Abgaben haften die Verwandten aber immer nur subsidiär, wenn der eigentlich Verpflichtete die Summe nicht aufzubringen vermag. 197
Wie aber ist die Verpflichtung der Blutsfreunde ausgestaltet? His unterscheidet drei Fallgruppen, die man wie folgt zusammenfassen kann: 198
Haftung der Sippe Innenverhältnis Außenverhältnis
1. Fall (urspr. Form)130) immer Haftung: i.d.R. auf 1/3 oder 1/2 des Wergeldes, bei Insolvenz ggf. auf das Ganze bei Insolvenz / Flucht: Ganzes, z.T. auf Quote gemindert
2. Fall (Abschwächung)131) nur bei Armut des Täters: Teil dto.
3. Fall (Abschaffung)132) keine Haftung dto.
199
Daraus folgt: 200
1. Eine unbedingte, d.h. ohne weitere Umstände eintretende Haftung besteht nur im Innenverhältnis gegenüber dem Täter und zudem niemals in voller Höhe. Die „Sippenhaftung“ ist also weitgehend eine innerhalb der Blutsverwandtschaft bestehende Solidarität. Die Verwandten sollen dem Täter durch anteilige Zahlung des Wergeldes helfen, wieder in den Genuß des Friedens zu gelangen. 201
2. Eine unmittelbare, auch im Verhältnis zum Opfer wirksamen Haftung trifft die „Sippe“ nur bei Insolvenz oder Flucht des Täters. 202
Die hierfür angegebenen Stellen wollen wir wenigstens ansatzweise überprüfen. 203
Betrachten wir die Quellen, die His zur Insolvenz angibt, dann stellen wir fest, daß auch sie nur in Ausnahmefällen eindeutig eine Haftung im Außenverhältnis meinen. 204
In der Lex Salica geht es noch nicht eindeutig um das Außenverhältnis, denn in der einschlägigen Bestimmung heißt es abschließend, daß, wenn die Verwandten das Wergeld nicht zahlen wollen, der Täter mit dem Leben büßt. Es handelt sich also nur um eine dem Täter gegenüber bestehende Solidaritätspflicht: 205
Lex Salica LXI: „Et si eum per conpositionem nullus suorum voluerit redimere, de vita conponat.“133) 206
Auch die in zahlreichen Fassungen überlieferten Allgemeinen Friesischen Küren sind diesbezüglich unklar, denn sie sprechen nur allgemein von einer Hilfspflicht. 207
Friesische Küren XV: 208
Hunsingoer lateinischer Text: „Cognati eius tenetur eum iuuare, secundum asega iudicium et secundum plebis londriucht, si ipse soluere non habet.“ Emsigoer friesischer Text: „Thet is riucht thet him sine friund ther to helpe, ief hit fia nebbe, truch thet hia ne mughen cuma fon hira berna bloda.“ Emsiger plattdeutscher Text: „Syn vründe synt em schuldich to helpen nae der asighen dome end by der lude lantrechte, ofte he suluen so vele nycht enhebbe; ofte myt synen halse to betalen.“134)
209
Allerdings enthält das Drenther Landrecht eine Formulierung, die für eine Außenhaftung der „Sippe“ spricht: 210
Drenter Landrecht von 1412 § 31: „… een man die broke gedaen heft, ende een houetman ys, soe salmen den houetheren eerst soeken eer men die magen soeckt. Ende heft die houethere erfnisse, de mach die here veyle bieden ende verkopen, ende wat hy dar van krygen kan, dat mach hy nemen; ende ontbreket den here dar yeet an, dan sollen de sesse naeste hande gelden…“135) 211
Gerade diese Stelle betont jedoch auch besonders, daß die Magen erst „gesucht“ werden dürfen, wenn der Täter selbst nach Verkauf seiner Erbteile nichts mehr hat. 212
Dennoch ist diese Feststellung sehr wichtig, da nach holländischem Recht der Täter aufgrund der Vermögenseinziehung regelmäßig insolvent war und dies also zwangsläufig zu einer Haftung der „Sippe“ in voller Höhe führte. Brunner nennt dafür u.a. folgende Stelle: 213
Handfeste von Delft von 1245: „si oppindanus interficiatur, solvetur xxxii libris a consanguineis malefactoris et omnia bona malefactoris erunt mea.“136) 214
Wie aus dem Volksbrauch geschöpft sieht aber auch diese Bestimmung nicht aus. Prägend ist vielmehr der Satz über die Güterkonfiskation. Der Landesherr mußte dem Verletzten, der sich ja nicht mehr an den Täter halten konnte, eine andere Möglichkeit der Befriedigung geben. Und dies tat er, indem er ihm den Zugriff auf die Verwandten erlaubte. Diese Regelung war denn auch nicht sehr beständig, wie Brunner berichtet: „Da diese ausgedehnte Haftung den Vermögensverfall zahlreicher Geschlechter herbeizuführen drohte, sah sich die öffentliche Gewalt genöthigt [wiederum!] eine Erleichterung und Beschränkung eintreten zu lassen.“137) 215
Die unmittelbare und unbeschränkte „Sippenhaftung“ ist also zum einen eine holländische Besonderheit, zum anderen galt sie offenbar auch dort nur vorübergehend, zeitlich eingegrenzt von der Einführung der Güterkonfiskation in der Mitte des 13. Jahrhunderts einerseits und von der Gewährung von Privilegien seit dem 14. Jahrhundert andererseits. 216
Im übrigen muß die Haftung bei Insolvenz des Täters unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, daß die Verwandten in diesem Fall zum Unterhalt verpflichtet sind. Dies würde vielleicht erklären, weshalb vor allem der Täter einen Anspruch auf die Beteiligung der „Sippe“ an der Wiederherstellung seines Friedens hat und weshalb die Haftung im Außenverhältnis nicht eindeutig geregelt wurde. 217
Nachdenklich sollte auch folgende friesische Bestimmung stimmen, die die Haftung für Buße (nicht für die öffentlichen Brüche) sogar auf Landsmannen erweitert, wenn keine Blutsverwandten da sind. 218
Langewolder Küren von 1282 § 11: „So waer een bloet man een schade bevechtet ofte doet, so sullen de naeste ses handen den schade boeten buten broecke up rechte; of he geene vrinden enhevet binnen lande, so sal de ryke man voer syn lantsate, voer ruiter of voer synen knaep, den schade boeten sonder broeke.“138) 219
Die „Sippenhaft“ erfaßt also z.T. wesentlich mehr als die „Sippe“. Sie ist nichts anderes als eine allgemeine (innerhalb der „Sippe“ gesteigerte) Solidaritätspflicht, dem Täter bei der Wiederherstellung des Friedens zu helfen. Deshalb begründet sie eine Pflicht allererst im Verhältnis zum Täter. 220
Diese Stelle zeigt auch, daß „Sippenhaft“ kaum eine „Schuld“ der „Sippe“ bedeuten kann.139) Denn sonst hätte das Delikt eines Landsmannes die „Schuld“ einer ganzen Nation herbeigeführt. 221
Betrachten wir nun die Haftung bei Flucht des Täters, so ist diese im Gegensatz zu der Insolvenzhaftung immer Haftung im Außenverhältnis. Sie ist aber etwa in den Langewolder Küren an die Befugnis gekoppelt, sich am Gut des Täters schadlos zu halten: 222
Langewolder Küren von 1230 § 7: „Waerso een bloet man eenen anderen man doet slacht, ende de voervluchtig wort, so gelden hem ses de sibbeste handen, buten de hovetlosene dat is de boeke. So nemense aller eerste des voervluchtigen goet, en gevent in dat gelt, wat hem dan ontbreket, dat gaderense binnen dat derde knee, ende gelden den man, buten broecke.“140) 223
§ 33: „Werso een egenarvet man umme roeff, umme manslagte, omme diefte en omme andere ondaden voervluchtig worde, so sullen de naeste ses vrenden den redgen de broeke boeten, en varen in des voervluchtigen guet uuter stryt, en des sal de redger em behelpen.“141) 224
Wie bei der Erbschaft wird hier also zunächst aus dem Gut des Flüchtigen gehaftet. Man könnte in diesem Fall sogar sagen, daß nicht die Verwandten, sondern der Flüchtige selbst mit seinem Gut haftet. 225
Darüber hinaus wird die „Sippe“ nur bis zum „derde knee“ (= vierte Parentel von den Eltern ab gerechnet)142) in Anspruch genommen, was wieder auf eine Rezeption der Exodus-Stelle hinweist. Das ist jedenfalls viel naheliegender als die Vermutung von His, daß die Haftung der vierten Parentel ursprünglicher sei und die Ausdehnung auf die sechste Parentel unter dem Einfluß des kanonischen Eherechts steht.143) Die „ses de sibbeste handen“ begegnen gerade in den friesischen Quellen häufig, haften hier aber nicht über das Gut des Flüchtigen hinaus, was mit dem kanonischen Recht nicht recht in Einklang steht. Die unmittelbare, z.T. unbeschränkte Haftung der „Sippe“ könnte also auch hier eine Rezeption fremden Rechts sein und muß nicht unbedingt eine Aussage über das „ältere deutsche Recht“ sein. 226
An dieser Stelle sei bemerkt, daß die Haftungsgrenze regelmäßig zugleich die Erbrechtsgrenze ist. Es werden also nur diejenigen Glieder in Anspruch genommen, die auch an der Erbschaft teilhaben.144) Wenn man dann noch berücksichtigt, daß in allen Fällen, in denen die Verwandten an der Aufbringung des Wergeldes beteiligt sind, das Delikt gerichtlich erwiesen ist, dann stellt sich die „Sippenhaftung“ als vorweggenommene Erbenhaftung dar, wie sie sowohl nach dem Sachsenspiegel wie nach römischem Recht üblich war. Die Verwandten werfen ihren Anteil an der Erbschaft vorab zur Regulierung der Schuld des Flüchtigen ein. Das würde erklären, weshalb zuerst das Gut des Flüchtigen haftet. Etwas typisch „Deutschrechtliches“ liegt darin aber nicht. 227
Ein letzter Blick lohnt sich auch auf das Dithmarscher Recht, nach dem, wie His mitteilt, das Geschlecht (slachte) zunächst (1447) nur für Buße, später (1539) auch für Friedensgeld haftet, „falls es nicht den Schuldigen an Kläger und Richter ausliefert“. Besonders deutlich werde dies in den Bestimmungen aus den 80er Jahre des 15. Jahrhunderts.145) His nennt dazu die folgenden Stellen: 228
Dithmarscher Landrecht von 1447 § 72: „Item est dar en man enen man dale sloghe unde he dat gud nicht en hedde, dar he ene mede betalen konde, so schullen sine neghesten to tasten unde betalen den man, unde de hatdadighe schal ghan vor den vrede.“146) 229
Dithmarscher Landrecht von 1539 § 30: „Vortmer offt dar en man enen dale (dodt) sloghe unde he so vele nicht en hadde, dat he sin antal holden konde, so schal dat slachte allike wol den man betalen, unde den hantdadigen moghen se ouergeuen vor den vrede, unde wil dat slachte den man ouergeuen, dat schollen se don des anderen sonnauendes darna alse de man geslagen is. Vorsümen se den vorscreuen dach, so schollen se den vrede beteren, offt he id sülues nicht en hadde.“147) 230
§ 49: „… unde weret auers sake, dat de dothsleger so arme were, dat he des gheldes nicht en hadde, so moghen de vrünt den hantdadigen ouergeuen also vor de söstich marck, unde de vorigen artikel van der hüsinge sint utgedan unde bygelecht.“148) 231
§ 221 (1483): „Vortmer efft jenichman in sin slache geuen were, edder de dat slache wedder to sick namen hebben, efft de denne jenigen schaden don na düsseme dage, lifflick offte dotlick, so schal dat slachte vor den dotslach effte liffliken schaden antworden, unde ock vor den vrede. […] Weret sake, dat dat slachte den vrede nicht vor em gilden wilt, so schollen se den handtdadigen dem kleger unde richte antworden.“149) 232
§ 227 (1489): „Offt ein slachte einen losen quaden bouen hadde manck sick, de dar schaden dede, eth were lifflick offte dotlick, so magh dat sülftige slachte den hantdadigen angripen, und öhn den klegeren, de den schaden geleden hebben, unde deme rechten richte antwerden, unde darmede schal dat slachte van solcker quaden dat, id sy lifflick offte dotlick, ledich unde los wesen van aller sake, laten denne sine fründe den sülftigen hantdadigen lopen, so scholen se den schaden holden und beteren na einem vullenkamen lantrechte, unde efft we is, id were ein slachte effte wol dat were, und wolde den fründen solcken hantdadigen vorentholden, so scholen de sülftigen, de den hantdeder entholden, solcken schaden beteren und betalen na einem vullenkamen lantrechte.“150) 233
Während die ersten drei Stellen Wergeld und Friedensgeld (Brüche) regeln, geht es in den letzteren beiden nur um das Friedensgeld. Die Nächsten haften auf das Wergeld wiederum nur subsidiär im Fall der Insolvenz bzw. der Armut des Täters. Daß diese Haftung auch im Außenverhältnis gelten soll, kommt nicht deutlich zum Ausdruck, es ist nur von einem „Sollen“ und „Mögen“ die Rede. 234
Für das Friedensgeld scheinen die Nächsten zunächst überhaupt nicht zu haften, wenn man denn den Ausdruck, der Täter solle „für den Frieden gehen“, mit His so verstehen will. Möglich erscheint mir aber auch, daß schon diese Bestimmung im Landrecht von 1447 eine Auslieferung des Täters an die verletzte Partei meint, an deren Unterlassung jedoch erst die späteren Rechte Folgen knüpfen. 235
Nach dem jüngeren Landrecht hat das Geschlecht hinsichtlich des Friedensgeldes ein Wahlrecht: Entweder liefert es den Täter „für den Frieden“ aus, oder es muß selbst diesen Frieden beschwören. Diese Regelung bedeutet aber eigentlich keine genuine „Sippenhaft“, sondern erinnert eher an die römische Noxalhaftung und scheint auf einer vermuteten Teilnahme der „Sippe“ an der Tat zu beruhen. Dieser Verdacht wird dadurch ausgelöst, daß die „Sippe“ den Täter bei sich beherbergt. Angesichts des gestörten Friedens müssen deshalb die Mitglieder der „Sippe“ zunächst erweisen, daß sie nicht selbst den Frieden gebrochen haben, was sie durch Auslieferung des Täters an die verletzte Partei tun können - oder indem sie selbst den Frieden beschwören. 236
Auch wenn wir längst nicht alle Quellen geprüft haben, die His und Brunner für ihre Lehre von der „Sippenhaft“ angeben, wollen wir an dieser Stelle die Prüfung abbrechen. Bisher können wir für die Lehre von der „Sippenhaft“ folgende zehn Punkte festhalten: 237
1. Die überlieferten Fälle von „Sippenhaftung“ sind alles andere als Ausdruck eines allgemeingültigen Prinzips. Von einem allgemeinen deutschrechtlichen Grundsatz der „Übertragung der Schuld auf die Nachkommen“ (Borch) kann keine Rede sein. Schon eher haben wir es mit einem „System der Familienbürgschaft“ (Sydow) zu tun, an dessen Allgemeingültigkeit jedoch Zweifel bestehen. 238
2. Die „Sippenhaftung“ ist fast ausschließlich ein niederdeutsches bzw. nordeuropäisches Phänomen. 239
3. Die „Sippenhaftung“ geht von der Fehde aus, deren Berechtigung, gerade was die Beteiligung der „Sippe“ betrifft, keinesfalls als gesichert gelten darf. 240
4. Die Beteiligung der „Sippe“ an Fehde, Sühne, Wergeld, Buße und Brüchen ist zumeist nur auf aktiver Seite belegt. 241
5. Die passive Inanspruchnahme der Sippe beschränkt sich auf wenige, besonders schwerwiegende Verbrechen wie Hochverrat, Totschlag u.s.w. 242
6. „Sippenhaftung“ bedeutet keine „Schuld“ der „Sippe“, sondern nur, daß die „Sippe“ in bestimmten Fällen bei der Unrechtsverfolgung teilnahm. 243
7. Die „Sippenhaftung“ betrifft fast ausschließlich das Innenverhältnis zum Täter, nur in besonderen Ausnahmefällen, nämlich bei Insolvenz und Flucht, auch das Außenverhältnis. 244
8. Die „Sippenhaftung“ für Insolvenz beruht weitgehend auf einer allgemeinen, innerhalb der Sippe gesteigerten Solidaritätspflicht, dem Täter bei der Wiederherstellung des Friedens zu helfen. 245
9. Die „Sippenhaftung“ im Außenverhältnis ist eine vorweggenommene Erbenhaftung. 246
10. Die „Sippenhaftung“ beruht in weiten Teilen auf einer Rezeption des kanonischen bzw. biblischen Rechts. Die Haftung für Hochverrat ist dem römischen Recht entlehnt. 247
Nach alldem können wir weder den vielbeschworenen Grundsatz der „Sippenhaftung“, noch das Sprichwort „Der Sohn antwortet für den Vater nicht.“ mit einiger Sicherheit im „älteren deutschen Recht“ verankern. In beiden Fällen macht sich der Einfluß der gelehrten Rechte bei der Formulierung der Rechtssätze bemerkbar. Die zeitliche Ablösung der „Sippenhaft“ durch die persönliche Haftung ist also möglicherweise ein Irrbild. Ebenso möglich ist es, daß das kanonische und das römische Recht zeitgleich für eine solche Auseinandersetzung sorgten.151) 248

IV. Die Entwicklung bis zum geltenden Recht

Abschließend wollen wir einen kurzen Überblick über die folgenden Jahrhunderte bis zum geltenden Recht geben: 249
Der Tod des Verbrechers war auch für das gemeine Recht Grund für das Ende der Strafbarkeit. Der Grundsatz „Der Sohn antwortet für den Vater nicht.“ galt auch hier. In seiner schon eingangs erwähnten Sprichwörtersammlung schreibt etwa Johann Friedrich Eisenhart: „Die Kinder sollen keinen Antheil an der Schande und dem Verluste der Ehre haben, welche ihre Eltern sich durch ein lasterhaftes Leben zugezogen.“ Allerdings mag die Strafe der Eltern „das Vorurtheil herfürgebracht haben, als ob die Schande der Eltern auch den Kindern anklebe“. So hätten die Zünfte bis 1731 die Kinder ehrloser Eltern nicht angenommen. Die Gesetze über den Hochverrat und das Majestätsverbrechen hält Eisenhart für zulässige Ausnahmen, doch meint er, daß der Richter in bestimmten Fällen von der Strenge des Gesetzes absehen dürfe.152) Die Erben haften für Geldstrafe und Güterkonfiskation auch ohne Urteil, wenn der Täter gestanden hatte oder überführt war.153) Der Umfang der Haftung wird im Zuge der Rezeption auf das gesamte Vermögen des Erben ausgedehnt, doch die Naturrechtslehre beschränkt die Haftung wieder auf den Nachlaß mit der Begründung, daß der Erblasser und der Erbe eine persona moralis bilden.154) 250
Lange gehalten haben sich die Strafen am Leichnam. Selbst so bedeutende Autoren wie der Leipziger Richter und Professor Benedikt Carpzov (1595-1666),155) der Helmstädter Professor Johann Friedrich Eisenhart (1720-1783),156) der u.a. in Halle wirkende Rechtsprofessor Johann Samuel Friedrich Böhmer (1704-1772)157) und besonders der Rostocker Professor Johann Christian Ernst Quistorp (1737-1795)158) sprachen sich bei den Schwerstverbrechen für eine Bestrafung des Leichnams aus - allerdings nicht als „eigentliche Strafe“, sondern unter dem Aspekt der Abschreckung (destandi facinoris). Erst die Aufklärung sorgte diesbezüglich für ein Umdenken.159) 251
Aber noch Anselm von Feuerbach (1775-1833), der Präsident des bayerischen Appellationsgerichts, der als Staatsrat im Münchener Justizministerium das bayerische StGB von 1813 maßgeblich mitgeprägt hat, erklärt in seinem berühmten, 1801 erstmals erschienenen „Lehrbuch des Gemeinen in Deutschland gültigen Peinlichen Rechts“: „Die Vollstreckung am Leichnam oder im Bildnisse mag nur als besondere Form der Ehrlosigkeit auszusprechen oder als ein Symbol, dass dem drohenden Gesetze unter allen Bedingungen Genüge geschehen müsse, gerechtfertigt werden.“160) Ansonsten gilt aber auch für Feuerbach der römische Grundsatz: „poena suos teneat auctores“, woraus nicht nur das Verbot folgt, einen Unschuldigen zu bestrafen, sondern auch: „Eine Strafe, die nicht zugleich als öffentliche Schuld auf dem Eigenthume des Verbrechers haftet, geht nie auf die Erben über.“ Er ergänzt jedoch, getreu den römischen Quellen: „Nur Vermögensstrafen, wenn entweder á. der Verbrecher schon bei seinen Lebzeiten verurtheilt worden, oder â. das begangene Verbrechen ein solches ist, bei welchem, nach den Gesetzen, in dem Augenblicke der begangenen That das Vermögen oder ein Theil desselben unmittelbar von Rechtswegen (ipso jure) dem Staate zufällt.“161) 252
Feuerbachs stärkster Gegner, der Gießener Professor Karl Ludwig Wilhelm von Grolman (1775-1829), formuliert ganz ähnliche Grundsätze: „Die Strafe soll ein Uebel für den Strafbaren seyn. Der Unschuldige darf um des Strafbaren willen nicht leiden.“ Daraus folgt: „Keine Strafe daher gegen Todte.“ Im Unterschied zu Feuerbach ergänzt Grolman: „Dass die Observanz mancher Orte bey schweren Capitalverbrechen Straf-Executionen an Todten zuläßt, ist zwar nicht unrechtlich, aber nicht gemeinrechtlich und auf jeden Fall verwerflich.“ Hinsichtlich der Erbenhaftung hält sich Grolman ganz an das römische Recht: „Selbst auf die Erben kann daher keine Strafe übergehen, wenn sie nicht durch die Sentenz, oder doch sonst, wie bey ipso iure eintretenden Confiscationen, schon bey Lebzeiten des Erblassers an dem Vermögen desselben begründet war.“162) 253
Auch August Wilhelm Heffter (1796-1880), der vor der Professur in Berlin eine Zeitlang in Halle gelehrt hatte, entnimmt dem römischen Recht die Grundsätze, daß die Strafe mit dem Tod endet, daß bei bestimmten Verbrechen eine damnatio memoriae stattfinden kann und daß die Erben auf eine bereits erkannte Geldstrafe haften, auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig geworden ist.163) 254
Ausführlicher und kritischer hat sich der Tübinger Strafrechtslehrer Reinhold Köstlin (1813-1856) in seinem eng an Hegels Rechtsphilosophie angelehnten „System des deutschen Strafrechts“ mit dem Tod des Verbrechers auseinandergesetzt: Ihm zufolge ist der Tod nicht nur ein faktischer, sondern auch ein rechtlicher Grund für die Strafaufhebung. Er liegt „nicht darin, daß die Strafe bloß den Schuldigen treffen darf, mithin nicht vererblich ist, sondern lediglich in der Natur der Strafe selbst, die nur den Willen zum Gegenstand hat und daher schlechthin wegfallen muß, wo dieser Wille nicht mehr existiert.“164) Dieser Grundsatz gilt nach Köstlin auch für Vermögensstrafen, die deshalb nur übergehen, wenn sie bereits rechtskräftig geworden sind: „Daß in diesem Falle die Vollziehung auch noch nach dem Tode des Schuldigen erfolgt, bildet keine Ausnahme von dem Prinzip, da hier die Strafe den noch Lebenden getroffen hat und als noch bei seinen Lebzeiten vollzogen gedacht werden muß, daher sein Vermögen eben nur nach Abzug der verfallenen Summe an seine Erben übergehen kann.“165) In Anbetracht dieses Grundsatzes rügt Köstlin „mancherlei Mißgriffe“ des römischen und gemeinen Rechts, nämlich (1) die damnatio memoriae bei Hochverrat und Selbstmord, (2) die Entziehung des ehrlichen Begräbnisses, (3) den Übergang der nicht rechtskräftigen Vermögensstrafe bei crimina extraordinaria und (4) die Fortsetzung des Prozesses bei den crimina ordinaria sowie (5) die stillschweigende Konfiskation bei Hochverrat und Selbstmord (3 und 5 nur für das römische Recht).166) 255
Nicht nur die Grundsätze des römischen Rechts, auch die Kritik findet Eingang in die Territorialgesetzgebung. 1845 kann Carl Franz Wilhelm Jerome Haeberlin (1813-1898) feststellen, daß alle neueren Strafgesetzbücher die Strafbarkeit mit dem Tod des Verbrechers enden lassen. Vermögensstrafe allerdings „finden auch selbst nach dem Tode des Verbrechers in dessen Vermögen noch einen Gegenstand der Execution, da dasselbe auf seine Erben nur deducto aere alieno übergeht.“ Mit der Rechtskraft wird die Geldstrafe „zu einer auf dem Vermögen haftenden Schuld“.167) 256
Nach dem preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 gingen Geldstrafen auch in den Nachlaß über „als sie gegen den Erblasser wirklich schon erkannt, oder doch die Untersuchung gegen ihn schon so weit geschlossen worden, daß der rechtlichen Festsetzung ferner nichts im Wege steht. Sachen aber, die wegen eines daran begangnen Verbrechens dem Fiskus verfallen sind, müssen demselben aus dem Nachlasse verabfolgt werden, auch wenn der Erblasser den Abschluß der Untersuchung und die Eröffnung des Confiskationsurteils nicht mehr erlebt hat.“168) Auch nach dem sächsischen Strafgesetzbuch von 1838 waren Geldstrafe vollstreckbar, wenn der Täter während der Rechtsmittelfrist verstorben war. Den Erben blieb es aber unbenommen, sich durch Nachholung des Rechtsmittels zu verteidigen, denn sie durften nicht schlechter stehen als der Erblasser.169) 257
Aber auch mit den Strafen gegen die Person war noch nicht überall Schluß: Die Bestimmung des sächsischen Gesetzes, „die Leichname der bereits zur Todesstrafe verurteilten Verbrecher an die anatomischen Lehranstalten abzugeben“ bzw. „an einem abgesonderten Platze auf dem Todtenacker… in der Stille zu begraben“,170) bedeutete unter veränderten Vorzeichen eine Wiederbelebung der Leichnamsstrafe, auch wenn der Täter zumindest in geweihter Erde bestattet wurde. Und wenn es im Bayerischen StGB von 1813 über die Strafe des Hochverräters heißt: „Auf seinem Grabe wird eine Schandsäule errichtet. Seine Familie soll ihren Namen verändern.“,171) so ist damit ein letztes Mal die römische damnatio memoriae gesetzlich verankert. Köstlin sieht in solchen Bestimmungen einen „Rest alter Barbarei“, eine „Rohheit verjährter Vorurtheile“.172) 258
Trotz dieser Vorbereitungen enthielt die deutsche Strafprozeßordnung vom 1. 2. 1877 noch keine Bestimmung darüber, ob mit Tod des Verurteilten das Verfahren oder die Vollstreckung enden. Hinsichtlich der Vermögensstrafen war vielmehr die ZPO anwendbar (§ 495 StPO 1877, ähnlich § 459 StPO 1987). § 779 I ZPO aber bestimmt: „Eine Zwangsvollstreckung, die zur Zeit des Todes des Schuldners gegen ihn bereits begonnen hatte, wird in seinen Nachlaß fortgesetzt.“ Eine Haftungsbeschränkung sah das Gesetz nur hinsichtlich der Verfahrenskosten bei noch nicht rechtskräftig gewordenen Entscheidungen vor; hiervon wurde der Nachlaß durch § 497 II StPO 1877 (§ 465 III StPO 1987) ausdrücklich befreit. Nach § 401 StPO 1877 (§ 361 StPO 1987) kann auch nach dem Tod des Verurteilten das Verfahren auf Antrag des Ehegatten, eines Verwandten oder der Geschwister wiederaufgenommen werden. Für diese Bestimmung stand das französische Recht Pate.173) 259
Erst in unserem Jahrhundert wurde auch der Vollstreckung von rechtskräftigen Geldstrafen in den Gesetzen ein Ende bereitet.174) Noch der Entwurf des OWiG sah 1965 in § 89 eine abgeschwächte Version des gemeinen Rechts vor: „In den Nachlaß darf nur vollstreckt werden, wenn die Bußgeldentscheidung bei Lebzeiten des Betroffenen rechtskräftig geworden ist. Von der Vollstreckung kann ganz oder teilweise abgesehen werden.“ In den Beratungen fand man diese Regelung dann zu hart und bestimmte (§ 101 OWiG n.F.): „In den Nachlaß des Betroffenen darf eine Geldbuße nicht vollstreckt werden.“175) 260
Dieses „Vollstreckungshindernis“ wurde anläßlich der Strafprozeßreform 1974 auch in das Strafrecht eingeführt, um die Erben vor einer Geldschuld zu schützen, „die den Strafzwecken einer Geldstrafe nicht mehr dienen kann“.176) § 459c III StPO bestimmt seitdem: „In den Nachlaß des Verurteilten darf die Geldstrafe nicht vollstreckt werden.“ Eine entsprechende Regelung findet sich auch hinsichtlich der Zwangsgelder aus Steuerschuldverhältnissen in § 45 I 2 AO. 261
Alle diese Vorschriften haben den Nachteil, daß sie nur die Vollstreckung ausdrücklich regeln, so daß weiterhin umstritten ist, inwieweit der Tod des Angeklagten auch das Verfahren beendigt.177) 262
Wenn die Erben auch vollständig von der Haftung für Geldstrafen und Geldbußen befreit sind, so gilt dies nicht für sonstige Rechtsfolgen und für die Verfahrenskosten, so daß diese weiterhin ab Rechtskraft vollstreckbar sind.178) Der Zweck dieser Schulden ist ja auch kein Strafzweck. 263
Anders steht es um den Schmerzensgeldanspruch nach § 847 BGB. Die Novelle vom 14. 3. 1990 betrifft nur die aktive Vererblichkeit (bei Tod des Verletzten), die passive Vererblichkeit war auch vor dieser Novelle uneingeschränkt gegeben, da eine den o.g. Vorschriften entsprechende Ausnahme von § 1967 I BGB bezüglich des Schmerzensgeldes fehlt. 264
Diese Regelung ist allerdings deshalb problematisch, weil das Schmerzensgeld nach der von der Literatur heftig angegriffenen Auffassung der Rechtsprechung neben dem Ausgleich des immateriellen Schadens auch eine Genugtuungsfunktion erfüllen soll (BGHZ GrZS 18, 149). Wenn der Schmerzensgeldanspruch in der Gewichtung seiner Funktionen und in der Höhe wesentlich von einer inzwischen ausgesprochenen Strafe abhängt, so wird er dadurch zu einer „(Privat)strafe“. Auch das geltende Recht kennt mithin einen Fall der passiven Vererblichkeit von Strafe, der sich bislang gehalten hat, obwohl er nach den Entwicklungen im öffentlichen Strafrecht als systemfremd einzustufen ist. Der Gesetzgeber sollte deshalb den Charakter des Schmerzensgeldes klarstellen. Will er ihm mit der Rechtsprechung eine Genugtuungsfunktion zuweisen, sollte er den bestehenden Anachronismus auflösen und seine passive Vererblichkeit ausschließen. 265


Fußnoten:

1 Der Aufsatz versteht sich als Beitrag zum Europäischen Forum Junger Rechtshistoriker / innen Leipzig 26. - 28. Mai 2000, das unter dem Titel „Ius commune propriumque - Sachsen im Spiegel des Rechts“ stand.

2 Zum Begriff des Rechtssprichwortes: Ruth Schmidt-Wiegand, Einleitung, in: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter. Ein Lexikon, hrsg. von Ruth Schmidt-Wiegand unter Mitarbeit von Ulrike Schowe, München 1996. Vgl. auch Ulrike Schowe, Mit Haut und Haar. Idiomatisierungsprozesse bei sprichwörtlichen Redensarten aus dem mittelalterlichen Strafrecht, Frankfurt am Main 1994, S. 23ff.

3 Julius Hubert Hillebrand, Deutsche Rechtssprichwörter, Zürich 1858.

4 Dazu Ruth Schmidt-Wiegand, Sprichwörter und Redensarten aus dem Bereich des Rechts, in: Überlieferung, Bewahrhung und Gestaltung in der rechtsgeschistlichen Forschung, hrsg. von Stephan Buchholz, Paul Mikat und Dieter Werkmüller, Paderborn u.a. 1993, S. 277ff; dies., Wissensvermittlung durch Rechtssprichwörter. Das Beispiel des „Sachsenspiegels“, in: Wissensliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Bedingungen, Typen, Publikum, Sprache, hrsg. von Horst Brunner und Norbert Richard Wolf, Wiesbaden 1993, S. 258ff. Vgl. ferner meinen Beitrag für das Forum 1999: „Wenn das Haupt schmerzt, dann schmerzen alle Glieder.“ Die Strafe für fremde Schuld in Cervantes „Don Quijote“, in: Verein Junger RechtshistorikerInnen Zürich (Hrsg.), ¿Rechtsgeschichte(n)? Europäisches Forum Junger Rechtshistorikerinnen und Rechtshistoriker Zürich 28.-30. Mai 1999, Bern u.a. 2000, S. 189ff.

5 Georg Tobias Pistorius, Thesaurus paroemiarum germanico-iuridicarum, Teutsch-Juristischer Sprichwörter-Schatz, Leipzig ab 1716.

6 Franz Carl Conradi, Grund-Sätze der Teutschen Rechte in Sprich-Wörtern, Helmstädt 1745.

7 Johann Friederich Eisenhart, Grundsätze der deutschen Rechte in Sprüchwörtern mit Anmerkungen erläutert, Helmstädt 1759.

8 Ebd., Vorrede a3.

9 Carl Eduard Otto, Johann Friedrich Eisenhart's Grundsätze der deutschen Rechte in Sprüchwörtern durch Anmerkungen erläutert, 3. Ausgabe, Leipzig 1823.

10 Julius Hubert Hillebrand, Deutsche Rechtssprichwörter, Zürich 1858.

11 Deutsche Rechtssprichwörter, unter Mitwirkung der Professoren von J. K. Bluntschli und K. Maurer gesammelt und erklärt von Eduard Graf und Mathias Dietherr, 2. Ausgabe, Nördlingen 1869, S. IV.

12 Ebd.

13 Abgesehen von der Sammlung allgemeiner Sprichwörter: Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Ein Hausschatz für das deutsche Volk, hrsg. von Karl Friedrich Wilhelm Wander, 5 Bände, Leipzig 1867-1880, Neudruck Darmstadt 1977.

14 Leonhard Winkler, Deutsches Recht im Spiegel deutscher Sprichwörter. Ein Lese- und Lernbuch für das deutsche Volk, Leipzig 1927.

15 Deutsches Recht in Sprichwörtern, von D. Johann Friedr. Eisenhart, neu bearbeitet von Dr. Waldmann, Berlin 1935, S. 171f.

16 Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter. Ein Lexikon, hrsg. von Ruth Schmidt-Wiegand unter Mitarbeit von Ulrike Schowe, München 1996 (zit: Schmidt-Wiegand/Schowe).

17 Dazu Albrecht Foth, Gelehrtes römisch-kanonisches Recht in deutschen Rechtssprichwörtern, Rübingen 1971; Ferdinand Elsener, Deutsche Rechtssprichwörter und Rezeption. Nebenpfade der Rezeption des gelehrten römisch-kanonischen Rechts im Spätmittelalter, in: Tradition und Fortschritt im Recht, Festschrift gewidmet der Tübinger Juristenfakultät zu ihrem 500jährigen Bestehen 1977, Tübingen 1977, S. 47ff.

18 Graf/Dietherr S. 222 Nr. 279, S. 300 Nr. 123; Winkler S. 137; Schmidt-Wiegand/Schowe S. 289. Siehe außerdem Foth S. 127; Brigitte Janz, Rechtssprichwörter im Sachsenspiegel. Eine Untersuchung zur Text-Bild-Relation in den Codices picturati, Frankfurt am Main 1989 S. 172ff.

19 Heinrich Mitteis, Heinz Lieberich, Deutsche Rechtsgeschichte, 19. Auflage, München 1992, Kap. 37 III 1a, b (S. 300f).

20 Sachsenspiegel Land- und Lehnrecht, hrsg. von Karl August Eckhardt (Monumenta Germaniae Historica, Fontes iuris germanici antiqui, nova series, tom. I), Hannover 1933, S. 73 num. 66.

21 Deutschenspiegel mit Augsburger Sachsenspiegel, hrsg. von Karl August Eckhardt und Alfred Hübner (Monumenta Germaniae Historica, Fontes iuris germanici antiqui, nova series, tom. III), Hannover 1930.

22 Schwabenspiegel Kurzform I und II, Fassungen Km, Kb, Ks, ed. altera, hrsg. von Karl August Eckhardt (Bibliotheca Rerum Historicarum, Land- und Lehnrechtsbücher 4), Aalen 1974.

23 Das Stadt- und das Landrechtsbuch Ruprechts von Freising, hrsg. von Georg Ludwig von Maurer, Stuttgart 1839, Nachdruck Aalen 1969.

24 Sachsenspiegel S. 122 num. 128.

25 Sachsenspiegel S. 199 num. 228.

26 Darauf weisen auch Foth S. 127 und Janz S. 172f hin.

27 Sachsenspiegel Lehnrecht 45 § 1 (S. 199 num. 228).

28 Pistorius S. 1023; Eisenhart V num. 35 (S. 452, Otto S. 508); Hillebrand S. 197 Nr. 282; Graf/Dietherr S. 222 Nr. 287.

29 Sächsisches Weichbild, Glosse zu art. 116: „Wan der man stirbet, stirbet ouch syne clage.“, in: Das Sächsische Weichbildrecht. Jus municipale saxonicum, hrsg. von A. von Daniels und Fr. von Gruben (Rechtsdenkmäler des deutschen Mittelalters, Bd. 1), Berlin 1857/58, Sp. 425 Z. 36; Graf/Dietherr S. 301 Nr. 136; Schmidt-Wiegand/Schowe S. 207. Zur aktiven und passiven Bedeutung des Sprichwortes Graf/Dietherr S. 305 oben.

30 Hillebrand S. 197 Nr. 281; Graf/Dietherr S. 341 Nr. 341. Es gilt allerdings insbesondere im Fall der Todesstrafe;. vgl. Graf/Dietherr S. 343 unten.

31 Graf/Dietherr S. 300 Nr. 123. Eisenhart bereits stellte das Sprichwort „Der Tod hebt alles auf“ in den Zusammenhang von Verbrechen und Strafen (V num. 35 § 2, S. 452, Otto S. 509).

32 Vgl. Victor Friese Das Strafrecht des Sachsenspiegels, Breslau 1898 S. 196ff. Unverständlich ist daher, weshalb Rudolf von Sydow, Darstellung des Erbrechts nach den Grundsätzen des Sachsenspiegels, mit Rücksicht auf die verwandten Quellen, Berlin 1828 S. 364 meint, daß „nur in Beziehung auf die Privatstrafen von einer Succession des Erben in die activen oder passiven Obligationen des Erblassers die Rede sein“ kann.

33 Max Freiherr von Freyberg, Historische Schriften und Urkunden, Stuttgart und Tübingen 1827ff, cap. 212: „Mann soll den Sun umb des vatters Schuld nicht slahen.“; Graf/Dietherr S. 300 Nr. 126; Schmidt-Wiegand/Schowe S. 289.

34 Schwabenspiegel Lehenrecht 61, 9: „keyn kint sol des vatters schuld entgelten.“; Graf/Dietherr S. 222 Nr. 277.

35 Melchior Klingen, Das Gantze Sechsisch Landrecht mit Text und Gloß, Leipzig 1572, S. 243 a. 1; Graf/Dietherr S. 300 Nr. 127; Schmidt-Wiegand/Schowe S. 289.

36 Pistorius cent. I. num. 17; Eisenhart II/3 num. 5 (S. 86, Otto S. 90); Graf/Dietherr S. 300 Nr. 125; Winkler S. 137; Foth S. 124ff; Schmidt-Wiegand/Schowe S. 72.

37 Gesetze der Rüstringer, in: Karl Freiherr von Richthofen, Friesische Rechtsquellen, Berlin 1840, S. 123 Z. 12: „allera monnik stele opa sinne eynene hals.“; Graf/Dietherr S. 299 Nr. 108; Winkler S. 136; Schmidt-Wiegand/Schowe S. 154.

38 Recht der Rüstringer von 1327, § 50, in: Richthofen S. 542: „Alra monna ek stele and raue, borge and fiuchte opa sinne eynene hals and opa sina eyna haua.“; Graf/Dietherr S. 299 Nr. 113; Schmidt-Wiegand/Schowe S. 154.

39 Lüneburger Stadtrecht art. 93: „islik sleyt up sinen Hals, und nicht up sinen Guth“, in: Das alte Stadtrecht von Lüneburg, hrsg. von Wilhelm Theodor Kraut, Nachdruck Göttingen 1846, S. 75; Graf/Dietherr S. 222 Nr. 276; Schmidt-Wiegand/Schowe S. 154.

40 Sydow, der Lnr 45 nicht nennt, kommt deshalb zu dem Schluß, der Sachsenspiegel schweige sich über diese Frage aus (S. 367).

41 Vgl. Graf/Dietherr S. 226.

42 Gesetze der Nordfriesen, Eidestedtische krone der rechten wahrheit von 1426, § 14, in: Richthofen S. 563: „dat barne bloet dat nimpt det erue vnd bothe.“; Graf/Dietherr S. 222 Nr. 290; Schmidt-Wiegand/Schowe S. 55.

43 Landrecht für Fivelgo, Hunsingo und die Stadt Groningen von 1448, 2. Buch, § 9, in: Richthofen S. 321: „de bote gaen ende vallen na den erfnyssen.“; Graf/Dietherr S. 222 Nr. 291.

44 Georg Wilhelm Dittmer, Sachsen- und Holstenrecht in praktischer Anwendung auf einige im 16ten Jahrhunderte vorgekommener Civil- und Criminalfälle, Lübeck 1843, S. 35: „dat Bloetgeld schal in dat Erve gaen.“; Graf/Dietherr S. 222 Nr. 289; Schmidt-Wiegand/Schowe S. 55.

45 Dittmer S. 34: „de broke schal bi dem Erve bliven.“; Graf/Dietherr S. 222 Nr. 288; Schmidt-Wiegand/Schowe S. 58.

46 Instrumentum Conditae Frigurgi Civitatis In Brisgovia, in: Ernst Theodor Gaupp, Ueber Deutsche Städtegründung, Stadtverfassung und Weichbild im Mittelalter, besonders über die Verfassung von Freiburg im Breisgau verglichen mit der Verfassung von Cöln, Jena 1824 S. 397.

47 Sydow S. 365.

48 Abbildung bei Janz S. 174.

49 Janz S. 175f.

50 Sachsenspiegel S. 25 num. 7.

51 Schwabenspiegel S. 53. Ebenso Deutschenspiegel Ldr 9 § 2 (S. 230f) und Freisinger Rechtsbuch art. 156, bearb. von Hans-Kurt Claußen (Germanenrechte Neue Folge, Abt. Stadtrechtsbücher), Weimar 1941, S. 172.

52 Vgl. auch Sydow S. 366 unter Hinweis auf Ssp Ldr II 60 § 2.

53 Emsiger Landrecht von 1312, in: Montanus de Haan Hettema, Het Emsiger Landregt van het Jaar 1312, Leeuwarden 1830, I 1, 42: „Hweer dij dada om byclaged wirth, deer moten da eerffnamen ffoer anderda.“; Graf/Dietherr S. 221 Nr. 257. Bei Richthofen, der das Emsiger Landrecht auch bringt, findet sich der Spruch nicht.

54 Sächsisches Weichbild, art. 116 § 2, in: Daniels/Gruben Sp. 165 Z. 9: „des toten erbe sal abir antwerten vor dy schult.“ (Im Zusammenhang mit der Bürgenhaftung).

55 Ssp Ldr I 6 § 2; Schwsp 5b; Dsp 9 § 2; Freisinger Rechtsbuch art. 156; Eisenhart III/3 num. 17 (S. 284, Otto S. 311); Hillebrand S. 138 Nr. 197; Graf/Dietherr S. 221 Nr. 260; Janz S. 417ff; Schmidt-Wiegand/Schowe S. 93, 301.

56 Kais. Ludw. Rechtsb. art. 95: „De erben vil, de sal auch gelden.“, zit. nach Graf/Dietherr S. 221 Nr. 259; Foth S. 129; Schmidt-Wiegand/Schowe S. 97.

57 Langewolder Küren von 1282, § 17, in: Richthofen S. 371: „de naesten gelden den doeden.“; Graf/Dietherr S. 221 Nr. 266; Schmidt-Wiegand/Schowe S. 320.

58 Eisenhart III/3 num. 17 (S. 284, Otto S. 311); Hillebrand S. 138 Nr. 197; Graf/Dietherr S. 221 Nr. 263.

59 Vgl. Ssp Ldr I 24 § 3 a.E.

60 Westerwolder Landrecht von 1470, § 12, in: Richthofen S. 259: „alle truwescap… verstarvet niet.“; Graf/Dietherr S. 183 Nr. 7; Schmidt-Wiegand/Schowe S. 321.

61 Graf/Dietherr S. 185.

62 Sächsisches Weichbild, Glosse zu art. 26: „das unrecht volghet dem erbe niht.“, in: Daniels/Gruben Sp. 299 Z. 22; Graf/Dietherr S. 183 Nr. 8.

63 Schwabenspiegel 20, 2: „is niht gudes da, so sint di erben ledic.“; Graf/Dietherr S. 222 Nr. 272.

64 Pistorius cent. I. num. 68; Conradi S. 24 Nr. 32; Graf/Dietherr S. 222 Nr. 273; Schmidt-Wiegand/Schowe S. 190.

65 Eisenhart III/3 num. 18 (S. 285, Otto S. 312); Hillebrand S. 139 Nr. 198; Graf/Dietherr S. 223 Nr. 292.

66 Eisenhart III/3 num. 19 (S. 286, Otto S. 313); Hillebrand S. 139 Nr. 199; Graf/Dietherr S. 223 Nr. 296.

67 Wenn übrigens der Kläger selbst den Dieb oder Räuber bei Ausführung seines Verbrechens erschlagen hatte, so reichte zwar ein Eid selbsiebt aus, erhob jedoch ein Verwandter des Toten Einspruch, so konnte der Tote nur durch Zweikampf überführt werden; Ssp Ldr I 64.

68 Eisenhart III/1, num. 19 § 2 (S. 288, Otto S. 314).

69 Dazu Wilhelm Rein, Das Kriminalrecht der Römer von Romulus bis auf Justinian, Leipzig 1844, Nachdruck Aalen 1962, S. 280; Arlette Lebigre, Quelques aspects de la responsabilité pénale en droit Romain classique, Paris 1967, S. 92.

70 Ulpianus D. 3, 6, 5 pr: crimina extinguantur. Ulpianus D. 48, 1, 3: Publica accusatio… perimitur. Marcianus D. 48, 1, 6: poena extincta / criminis extincti. Ulpianus D. 48, 4, 11: extinguitur enim crimen. Macer D. 48, 16, 15, 3: iudicium solvitur. Marcianus-Papinianus D. 48, 17, 1, 4: criminis causa expirat et perit. Antoninus C. 9, 6, 3: poena extinctum. Papinianus D. 48, 10, 12: cessante. Paulus D. 48, 19, 20: poena… desinit. Modestinus D. 49, 14, 9: crimine extincto. Alexander C. 7, 66, 3: crimen… evanuerit… extincto crimine. Gordianus C. 9, 6, 6: crimen morte finitum est.

71 Paulus D. 48, 19, 20: quod poena constituitur in emendationem hominum: quae mortuo eo, in quem constitui videtur, desinit.

72 Vgl. Lebigre S. 10, 93f.

73 Lebigre S. 7, 10.

74 Ernst Levy, Privatstrafe und Schadenersatz im klassischen römischen Recht, Berlin 1915.

75 Max Kaser, Das Römische Privatrecht, Bd. II, 2. Auflage, München 1975, § 295. - Ob die Inventarerrichtung zu einer gegenständlich (cum viribus hereditatis) oder nur zu einer rechnerisch (pro viribus hereditatis) beschränkten Haftung führt, ist umstritten. Glossatoren und Kommentatoren gingen, mit Ausnahme von Azo, von einer gegenständlich beschränkten Haftung aus. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts setzte sich die Gegenauffassung durch, die heute beinahe wieder überwunden ist. Mißverständlich Iustinianus C. 6, 30, 22, 4: „in quantum res substantiae ad eos devolutae valeant.“ Vgl. dazu Gunter Wesener, Zur Erbenhaftung in historischer Sicht; in: Tradition und Fortentwicklung im Recht. Festschrift zum 90. Geburtstag von Ulrich von Lübtow, hrsg. von Klaus Slapnicar, Berlin 1990, S. 113.

76 Zit. nach: Biblia sacra iuxta vulgatam versionem, recensuit Robertus Weber, praeparavit Roger Gryson, 4. Auflage, Stuttgart 1994.

77 Decretum Gratiani C. 1, q. 4, in: Corpus Iuris Canonici, ed. Emil Friedberg I, Lipsiae 1879.

78 Liber Sextus, in: Corpus Iuris Canonici, ed. Emil Friedberg II, Lipsiae 1881.

79 Vgl. dazu meine in Arbeit befindliche Dissertation sowie meinen Beitrag für das Forum 1999: „Wenn das Haupt schmerzt, dann schmerzen alle Glieder.“ Die Strafe für fremde Schuld in Cervantes „Don Quijote“, in: Verein Junger RechtshistorikerInnen Zürich (Hrsg.), ¿Rechtsgeschichte(n)? Europäisches Forum Junger Rechtshistorikerinnen und Rechtshistoriker Zürich 28.-30. Mai 1999, Bern u.a. 2000, S. 189ff.

80 Glosse exhaeredatio ad X 5, 7, 10: „… quod bona haereticorum confiscantur: sive habeant filios, sive non: nec catholicis filiis haereticorum aliquid relinquendum est, ut hic dicitur…“, in: Decretales Gregorii IX… una cum glossis, ed. Gregorii XIII., Lugduni 1584

81 Zit. nach: Decretum Gratiani… una cum glossis, ed. Gregorii XIII., Lugduni 1584.

82 Glosse zu Ssp Ldr II 17, in: Sassenspegel… S. 161.

83 Pistorius, cent. I. num. 17.

84 Eisenhart III/3 num. 18 § 2 (S. 286, Otto S. 312).

85 Sydow S. 365.

86 Leopold von Borch, De poena post mortem, in: ZStW 15 (1895), 559ff.

87 Winkler S. 135ff.

88 Janz S. 173.

89 Differentiarum iuris civilis et Saxonici libri duo, quorum prior vulgo adscribitur D. Ludovico Fachsio quondam Cos. et Ordinario Lipsensi: posterior vero D. Benedicto Reinhardo olim Cancellario Schwartzburgensi… Ienae 1598, lib. 2, pars 6, num. 26 (fol. 273).

90 Ekkehart Kaufmann, „Sippe“ und „Sippenstrafrecht“, in: Handwörterbuch der deutschen Rechtsgeschichte, hrsg. von Adalbert Erler und Ekkehart Kaufmann unter philologischer Mitarbeit von Ruth Schmidt-Wiegand. Mitbegründet von Wolfgang Stammler, Red. Dieter Werkmüller, Bd. IV, Berlin 1990 Sp. 1668-72.

91 Janz S. 173.

92 Glosse Johanns von Buch zu Ssp Ldr I 51, in: Sassenspegel mit velen nyen addicien san dem Leenrechte vnde Richtstige [Augsburg 1516], ed. Hans Rynmann von Öhringen, ed. altera Karl August Eckhardt (Bibliotheca rerum Historicarum, Neudrucke 10), Aalen 1978, S. 86.

93 Differentiarum iuris civilis et Saxonici libri duo, quorum prior vulgo adscribitur D. Ludovico Fachsio quondam Cos. et Ordinario Lipsensi: posterior vero D. Benedicto Reinhardo olim Cancellario Schwartzburgensi… Ienae 1598, lib. 2, pars 6, num. 26 (fol. 273).

94 Foth S. 126f.

95 Leges Burgundionum, ed. Ludwig Rudolf de Salis (Monumenta Germaniae Historica, legum sectio I: Leges Nationum Germanicarum, tomi II pars I), Hannoverae 1892, S. 77f.

96 Lex Romana Burgundionum tit. 24: „Si criminosi convicti fuerint, ipsi puniantur; nec crimen illorum filios aut uxorem, qui conscii non probantur, poterit inplicare, secundum iuris constitutionem.“, in: Leges Burgundionum S. 146.

97 Lex Visigothorum VI, 1, 7: „Omnia crimina suos sequentur auctores. Nec pater pro filio, nec filius pro patre, nec uxor pro marito, nec maritus pro uxore, nec frater pro fratre, nec vicinus pro vicino, nec propinquus pro propinquo ullam calumniam pertimescat; sed ille solus iudicetur culpabilis, qui culpanda conmittit, et crimen cum illo, qui fecit, moriatur. Nec successores aut heredes pro factis parentum ullum periculum pertimescant.“, in: Gesetze der Westgoten, hrsg. von Eugen Wohlhaupter (Germanenrechte Band 11), Weimar 1936 S. 154.

98 Sydow S. 365 Fn. 1135, der irrtümlich § 3 angibt, aber § 5 zitiert.

99 Lex Angliorum et Werinorum hoc est Thuringorum, in: Die Gesetze des Karolingerreiches III, hrsg. von Karl August Eckhardt, (Germanenrechte Band 2/III), Weimar 1934, S. 40.

100 Ernst Theodor Gaupp, Das alte Gesetz der Thüringer oder die Lex Angliorum et Werinorum hoc est Thuringorum in ihrer Verwandtschaft mit der Lex Salica und Lex Ripuaria dargestellt und mit erklärenden Anmerkungen herausgegeben, Breslau 1834, Neudruck Aalen 1968 S. 359.

101 Ebd. S. 234ff.

102 So heißt es denn auch in der Übersetzung von Karl August Eckhardt, Lex Angliorum et Werinorum S. 41: „An wen auch immer das Erbe an Grundbesitzt gelangt, dem soll auch die Kriegsausrüstung, d.h. der Harnisch, und die Rächung des Verwandten und die Zahlung des Manngeldes zukommen.“

103 Lex Salica, in: Die Gesetze des Karolingerreiches I, hrsg. von Karl August Eckhardt, (Germanenrechte Band 2/I), Weimar 1934, S. 96.

104 Lex Frisonum, in: Die Gesetze des Karolingerreiches III S. 62.

105 Zum Charakter des Wergeldes im Sachsenspiegel als Komposition von „Schadenersatz“ und „Privatstrafe“ vgl. Friese S. 174f.

106 Sachsenspiegel S. 71 Nr. 63.

107 Hermann Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. I, 2. Auflage, Karlsruhe 1962 S. 445.

108 Ebd. S. 171.

109 Capitulare Saxonicum, in: Die Gesetze des Karolingerreiches III S. 14-16.

110 Heinrich Brunner, Sippe und Wergeld nach niederdeutschen Rechten, in: SZ Germ Abt. 3, 1; Rudolf His, Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. I, Leipzig 1920 (zit.: Strafrecht), zusammenfassend, aber ohne Quellenangaben: ders, Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina, München und Berlin 1928 (zit.: Karolina).

111 His, Strafrecht I § 27 S. 646.

112 Ebd. § 15 S. 266f.

113 Ebd. § 16 S. 302f.

114 Ebd. § 27 S. 646ff.

115 Ebd. § 27 S. 648.

116 Gesetze der Nordfriesen, Eiderstedische krone der rechten Wahrheit, in: Richthofen S. 563. Zitiert von Brunner, SZ Germ 3, 23; His § 15 S. 267 Fn 3.

117 Jakob Grimm, Weisthümer, Bd. IV, Göttingen 1861, S. 703. Vgl. Brunner, SZ Germ 3, 12.

118 Darunter Jan Matthijssens Brieler Rechtsbuch: „teerste lit gelt den man.“, zit. nach Brunner, SZ Germ 3, 83 Fn 1. Zur Bedeutung des „ersten Glieds“ ebd.

119 Dithmarscher Landrecht von 1447 § 79: „Vortmer efft dar eyn man geslaghen worde, so schal de bane bliven by der swert siden, unde dat andere manghelt dar id van rechte bliven schal.“, in: Das Dithmarscher Landrecht, nach der Ausgabe von Andreas Ludwig Jacob Michelsen hrsg. von Karl August Eckhardt (Germanenrechte Band 16), Witzenhausen 1960, S. 21. Zitiert von Brunner, SZ Germ 3, 24.

120 His, Strafrecht I § 15 S. 270ff.

121 His, Strafrecht I § 16 S. 302 Fn 4 und 5. Die weiteren in Fn 5 genannten Quellen belegen nur eine Beteiligung der Opfersippe.

122 Ebd. Fn 4.

123 Ebd.

124 Gesetze der Langewolder, in: Richthofen S. 369.

125 Gesetze der Rüstringer, in: Richthofen S. 123 rechte Spalte Z. 12.

126 Dithmarscher Landrecht S. 18.

127 Gesetze der Fivelgoer, in: Richthofen S. 322.

128 Humsterländer Deichrecht § 1, Gesetze der Humsterländer, in: Richthofen S. 364.

129 Appingadammer Bauerbrief von 1327 § 18, Gesetze der Fivelgoer, in: Richthofen S. 297.

130 His, Strafrecht I § 27 S. 649ff.

131 Ebd. S. 653.

132 Ebd. S. 653ff.

133 Lex Salica, in: Gesetze der Karolinger I S. 92.

134 Die XVII Küren, in: Richthofen S. 24f (Sp. 1, 3 und 6).

135 Gesetze der Drenther, in: Richthofen S. 528.

136 Brunner, SZ Germ 3, 80.

137 Ebd.

138 Gesetze der Langewolder, in: Richthofen S. 370.

139 So aber His, Karolia S. 100.

140 Ebd. S. 366. Ebenso Langewolder Küren von 1282 § 10, ebd. S. 360.

141 Ebd. S. 369.

142 His, Strafrecht I § 15 S. 266.

143 His, Karolina S. 100. Ausführlicher behandelt His die Frage in: Strafrecht I § 27 S. 660ff, stellt dort aber die These von dem kanonistischen Einfluß auf die sechs Parentel noch nicht auf.

144 His, Strafrecht I § 15 S. 266 Fn 3 mwN.

145 Ebd. § 27 S. 648.

146 Das Dithmarscher Landrecht S. 20.

147 Andreas Ludwig Jakob Michelsen, Sammlung altdithmarscher Rechtsquellen, Altona 1842, S. 104.

148 Ebd. S. 108.

149 Ebd. S. 163.

150 Ebd. S. 165f.

151 Was die germanische und fränkische „Sippenhaft“ betrifft, will hier bemerkt sein, daß zahlreiche Urkunden des frühen Mittelalters und insbesondere Karls des Großen der Fälschung verdächtigt worden sind. Folgt man Heribert Illig, Das erfundene Mittelalter, 2. Auflage, München 1999 S. 51ff, so hat das Frühmittelalter sogar überhaupt nicht stattgefunden, sondern ist eine Fälschung der Ottonen. Auch wenn diese These von der rechtshistorischen Forschung erst noch überprüft werden muß, so ist doch rätselhaft, weshalb die karolingischen Gesetze, die doch für jedermann verständlich sein sollten, durch die Bank in Latein abgefaßt wurden, während erst die Stauferkaiser eine Renaissance dieser Sprache begründeten. Illig zeigt an zahlreichen Beispielen, daß sich in frühmittelalterlichen Schriften häufig Gedanken des Hochmittelalters finden. Für die Bußkataloge der Volksrechte gilt dies ebenfalls, haben sie doch eine starke Ähnlichkeit mit den Katalogen, die im Zuge der Pflichtbeichte entstanden. Diese wurde allerdings erst auf dem Laterankonzil im Jahr 1215 eingeführt. Sind also die wenigen Stellen, die von der germanischen und fränkischen „Sippenhaft“ zeugen, erst im 13. Jahrhundert von Klerikern verfaßt worden, um Maßnahmen gegen die „Sippe“ des Täters zu begründen?

152 Eisenhart II/3 num. 5 (S. 86, Otto S. 90).

153 Benedikt Carpzov, Practica nova Imperialis Saxonica rerum criminalium…, Wittebergae 1652, qu. 131, num. 6ff; anders Johann Samuel Friedrich Böhmer, Observationes selectae ad Benedict. Carpzovii Practicam novam rerum criminalium, Francofurti 1759, qu. 131 obs. 1.

154 Wesener S. 118f.

155 Carpzov, qu. 131, num. 27ff, qu. 141, num. 1ff.

156 Eisenhart V num. 35 § 3 u. 4 (S. 453, Otto S. 509). Eisenhart berichtet von der Gewohnheit, nach dem Tod des Schuldners eine dreißigtägige Seelenruhe einzuhalten, die auch in den protestantischen Ländern noch beobachtet würde; Eisenhart III/3 num. 17 § 1 (S. 284, Otto S. 311).

157 Böhmer, Elementa iurisprudentiae criminalis, editio quarta, Halae 1749, sect. 1, cap. 20, § 344f (p. 209f); ders., Observationes, qu. 131, obs. 3.

158 Johann Christian Ernst Quistorp, Grundsätze des deutschen peinlichen Rechts, 3. Auflage, Rostock und Leipzig 1783, § 94 (S. 861). Er hält sogar nicht einmal eine Verurteilung für erforderlich.

159 Z.B. Reinhold Köstlin, System des deutschen Strafrechts, I. Abteilung, Tübingen 1855, § 126 S. 476, 478. Vgl. dazu auch Friedrich Schaffstein, Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen in ihrer Entwicklung durch die Wissenschaft des gemeinen Strafrechts, Neudruck der Ausgaben 1930-32, Aalen 1973, S. 207f.

160 Anselm Ritter von Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen Peinlichen Rechts, hrsg. von C.J.A. Mittermaier, 14. Auflage, Giessen 1847, § 137 S. 236.

161 Ebd. § 138 S. 237.

162 Karl von Grolman, Grundsätze der Criminalrechts-Wissenschaft, 4. Auflage, Gießen 1825, §150 S. 153f.

163 August Wilhelm Heffter, Lehrbuch des gemeinen deutschen Criminalrechts mit Rücksicht auf die nicht exclusiven Landesrechte, Halle 1833, § 169 (S. 186ff), § 191f (S. 211f), § 688 (S. 675).

164 Köstlin, System § 126 S. 475.

165 Ebd. S. 475, 477.

166 Ebd. S. 477f.

167 Carl Franz Wolf Jerome Haeberlin, Grundsätze des Criminalrechts nach den neuen deutschen Strafgesetzbüchern, Erster Band, Leipzig 1845, S. 181f.

168 Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794, hrsg. von Hans Hattenhauer, Frankfurt am Main 1970, I 9 § 363f S. 116.

169 Criminalgesetzbuch für das Königreich Sachsen…, von Christian Ernst Weiß, 2. Auflage, Dresden und Leipzig 1848, art. 74 (S. 302f).

170 Ebd.

171 Bayerisches Strafgesetzbuch von 1813, in: Arno Buschmann, Textbuch zur Strafrechtsgeschichte der Neuzeit. Die klassischen Gesetze, München 1998, S. 507.

172 Köstlin § 126 S. 480.

173 Motive zum Entwurf einer Strafprozeßordnung, in: Die gesammten Materialien zur Strafprozeßordnung und dem Einführungsgesetz zu derselben vom 1. Februar 1877, hrsg. von Carl Hahn, 1. Abt. 2. Auflage hrsg. von Eduard Stegemann, Berlin 1885, Neudruck Aalen 1983 S. 263.

174 Borch, ZStW 15 (1895), 561 ging allerdings offenbar davon aus, daß dies bereits zu seiner Zeit der Fall war.

175 BT Drucks V/2600 S. 42.

176 BT Drucks VII/550 S. 310.

177 So die h.M.: BGH NJW 1983, 463; BGHSt 34, 184. Vgl. Klaus Tolksdorf, § 206a StPO, Rdnr. 9, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozeßordnung, hrsg. von Gerd Pfeiffer, 4. Auflage, München 1999. Unklar Thomas Fischer, § 459c StPO, Rdnr. 9, ebd. Anders, aber im Ergebnis im wesentlich gleich: Paeffgen, § 459c StPO, Rdnr. 9, in: Systematischer Kommentar zur StPO von Hans-Joachim Rudolphi u.a., Frankfurt am Main 1986ff (Stand: Mai 1999).

178 Ulrich Franke, § 465 StPO, Rdnr. 6, in: Karlsruher Kommentar zur StPO; Karlheinz Boujong, § 101 OWiG, Rdnr. 3f, in: Karlsruher Kommentar zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, hrsg. von Karlheinz Boujong, 2. Auflage, München 2000.


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Diese Seite ist vom 9. Oktober 2000