Artikel vom 16. April 2002
© 2002 fhi
Erstveröffentlichung

Andreas Harald Aure:
(e-mail: ahaure@iname.com)

Theorie der Strafe bei Albert Friedrich Berner

 

 

1. Einleitung 2.3. Berner über verschiedene Straftheorien
1.1. Rechtfertigung des Themas 2.4. Hauptthesen Berners

1.2. Geschichtlicher und rechlicher Zusammenhang

2.5. Kritik
1.3. Eigene Methode 3. Ausblick
1.4. Was ist Strafe? 3.1. Die heutige Rechtslage
1.5. Was ist Straftheorie 3.2. Entwicklungstendenzen
1.6. Biographisches 4. Schlusswort
2. Hauptteil 5. Literatur- und Quellenverzeichnis
2.1. Grundlagen 6. Anhang
2.2. Berner zum Strafrechtsbegriff und zur Aufgabe der Strafrechtswissenschaft


Wenn der freche Verächter fremden Rechtes im Trotze seines Übermuthes
den Schwachen, wie wenn er rechtlos wäre, niedergetreten hat:
dieGerechtigkeit reicht diesem die Hand, hebt ihn wieder empor und
vernichtet den frech übergreifenden Willen seines Gegners: ist das hierdurch
befriedigte Gefühl waltender Gerechtigkeit nicht ein herrliches Ziel der Rechtspflege?

 

1. Einleitung

1.1. Rechtfertigung des Themas

Thema dieser Arbeit sind die wesentlichen Gesichtspunkte Albert Friedrich Berners Straftheorie. 1
Besondere Aufmerksamkeit werde ich Berners sogenannter Spielraumtheorie widmen. Dieser Schwerpunkt der Auseinandersetzung mit der Theorie erfolgt aus folgendem Grund: Die Spielraumtheorie ist eine selbständige Weiterentwicklung Berners aus Hegels Dialektik und Methode. Sie ist in der Nachkriegszeit als geltendes Recht rezipiert worden. Sie war damals und gilt noch heute als umstritten. 2
Das Thema der Straftheorien ist ein Dauerthema in der rechtswissenschaftlichen Debatte, das wegen der Komplexität, eine begriffliche Ordnung zu schaffen, dem Bearbeiter große Schwierigkeiten aufgibt.1 Rechtfertigung, Ziele, Art und Mab der Strafe erfordern - ausgehend von der Philosophie und der Staatsrechtstheorie - tiefgehende Forschungen. Nicht überraschend ist, daß diese Erwägungen einen Schwerpunkt auch in strafrechtshistorischen Schilderungen bilden. Das 19. Jahrhundert ist ein besonders fruchtbares Forschungsgebiet in dieser Beziehung. Konflikte zwischen Vertretern verschiedener dichotomischer Begriffe der Straftheorien, wie Spezial- und Generalprävention, Repression versus Prävention, und Besserung versus Abschreckung kennzeichnen und beherrschen nahezu die gesamte strafrechtswissenschaftliche Debatte des 19. Jahrhunderts.2 Hinzu kommen die damals nicht weniger tiefgehenden Debatten über die mit ihnen zusammenhängenden und aus ihnen folgenden Einzelprobleme, vor allem die der Willensfreiheit (Indeterminismus versus Determinismus) und der Todesstrafe.3 3

1.2. Geschichtlicher und rechtlicher Zusammenhang

Georg Wilhelm Friedrich Hegels (1770-1831) Philosophie war schulbildend für das Deutsche Strafrecht im 19. Jahrhundert. Albert Friedrich Berner war jemand, der in ihren Spuren aufging und sich diese Philosophie zu eigen machte. In Berners Schrifttum bis zu den früheren Auflagen seines Lehrbuchs des 'Deutschen Strafrecht' bekennt er sich als Anhänger Hegels.4 4
Andere, die als Hegelschüler zuerst genannt werden, sind Julius Abegg (1796-1868), Reinhold Köstlin (1813-1856 ) und Hugo Hälschner (1817-1889). Sie lassen sich durch ihre Straftheorien als Hegelianer erkennen.5 Nach Landsberg bedeutete dies die später häufig kolportierte Formulierung von der 'Gewaltherrschaft Hegels' im deutschen Strafrecht und der Strafwisssenschaft in der zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts.6 Für die Durchsetzung dieser Herrschaft tat Abegg den ersten Schritt, Köstlin legte durch die 'Neue Revision' die Grundlage und Berner erreichte die Verbreitung.7 5
Berners Einfluss auf die Gegenwart ist unumstritten. Hervorzuheben sind seine langjährige Tätigkeit als Strafrechtslehrer an der Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin und sein Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, das in 18 Auflagen zwischen 1857 und 1898 erschien.8 Konkret bedeutend für die Zukunft wurde vor allem Berners Ausarbeitung des kriminalistischen Handlungsbegriffes, die bis heute in den Lehrbüchern als grundlegend betrachtet wird.9 Darüber hinaus gilt Berner, wie oben erwähnt, als Urheber der sogenannten Spielraumtheorie in der Strafzumessung.10 Diese Theorie ist in den letzten Jahrzehnten die herrschende Strafzumessungskonzeption gewesen.11 6
Wie lässt sich Berners Straftheorie in Kürze einordnen? Berner selbst behauptete, dass seine Theorie eine Vereinigung der absoluten und der relativen Straftheorien darstelle. In der Literatur wird Berner aber von vielen als Vertreter einer absoluten Theorie eingestuft, die eigentlich nicht über Hegel hinausgeht.12 Berner mißt zwar relativen Prinzipien in der Strafzumessung Bedeutung bei, aber er läßt nie Zweifel daran, dass Grund der Strafe allein die vergeltende Gerechtigkeit im Sinne Hegels ist. Möglicherweise war es die dialektische Methode, die Berner zwang, nach außen eine Vereinigungstheorie zu vertreten. Gleichwohl ist man genötigt, ihn nach einer objektiven inhaltlichen Analyse seiner Theorie als Vertreter einer absoluten Theorie einzuordnen. 7

1.3. Eigene Methode

Mein fachliches Ziel beim Schreiben dieser Arbeit ist ein doppeltes:

Erstens möchte ich Berners Theorien objektiv darstellen. Objektiv heißt hier, getreu zum Objekt, Berner in seinem eigenen Kontext zu deuten. Die Zitate sind ausgewählt mit dem Gedanken, dass Berner solch einem Auszug selbst zustimmen könnte.

8
Zweitens ist es mein Ziel bei der Wahl von Gliederung, Schwerpunkten und Blickwinkeln dieser Arbeit, nach den fundamentalen Begrifflichkeiten zu suchen. Mit 'fundamental' meine ich grundlegende Prinzipien oder Begriffe, aus denen andere Prinzipien oder Sätze folgen. 9

Bei der Darstellung von Berners Theorien habe ich mich bemüht, zuerst Berner selbst zu studieren und auszulegen, danach so viele Belege wie möglich aus der Sekundärliteratur zu sammeln. Bei Hinweisen auf die Sekundärliteratur 12a sind Faktenangaben meist weniger bedenklich als die Übernahme von Werturteilen. Wegen der fließenden Übergänge zwischen beiden sind diese jedoch oft schwer auseinander zu halten.

In einer wissenschaftlichen Arbeit ist es fraglich, welche Bedeutung es hat, dass ein bekannter oder unbekannter Wissenschaftler die eigene Beurteilung teilt. Ein konkretes Beispiel: Am Ende des Abschnittes "Was ist Straftheorie" beziehe ich mich auf Eduard Dreher, der ebenfalls der Ansicht ist, dass die Straftheorien im Mittelpunkt des Strafrechts stehen sollten. Welchen Wert hat nun solch ein Verweis? Wenn ich versuchsweise selbst eine Antwort geben soll, werden solche Hinweise gegeben, um die Auffassungen des Verfassers zu untermauern und um Informationen weiterzugeben, in der Hoffnung, dass diese anderen von Nutzen sein könnten.

Vielleicht sind aber gerade Hinweise auf Werturteile von wissenschaftlichem Interesse, eben weil sie Werturteile sind? Sieht man anscheinend vernünftige Auffassungen anderer, regt dies zum Nachdenken und zur Weiterentwicklung an. Oder, auch wenn die fremde Einschätzung verworfen wird, kann sie immer noch zur Überprüfung der eigenen Auffassung dienen. Diese Sichtweise erfordert aber eine kritische Auseinandersetzung, bei der die eigene Auffassung nicht durch die bloße Anzahl anderer Meinungen bestimmt wird.

10

1.4. Was ist Strafe?

Konventionell versteht man unter einer Kriminal-Strafe:
- formell die Rechtsfolge, die sich aus der Verwirklichung eines von einem Tatbestand des Strafgesetzes in seinen Merkmalen festgelegten, mit Strafe bedrohten Unrechts, für das der Täter einen Schuldvorwurf verdient, ergibt.13
11
- materiell den 'Ausgleich einer erheblichen Rechtsverletzung durch Auferlegung eines der Schwere von Unrecht und Schuld angemessenen Übels, das eine öffentliche Missbilligung der Tat ausdrückt und dadurch Rechtsbewährung schafft.'14 12
Die Strafe ist eine Reaktion auf das Verbrechen, das aus der tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Handlung besteht.15 Strafe ist also eine Rechtsfolge. 13
Wie die Definition von Strafe oben zeigt, handelt es sich bei der Strafe um eine physische Zwangsmaßnahme des Staates gegenüber dem Täter. Dadurch wird für die Vertreter von absoluten Theorien die Strafe per Definition16 17 eine Art vergeltende Maßnahme. Strafe als Vergeltung ist zu unterscheiden von Rache18 und Sühne.19 14

1.5. Was ist Straftheorie?

Der Ausdruck Straftheorie wird oft mit dem Ausdruck Strafrechtstheorie synonym verwandt. Unter Strafrechtstheorien sind alle Grundsätze des materiellen Strafrechts zusammengefasst, die die verschiedenen Phasen (Strafandrohung – Strafverhängung – Strafvollzug) eines Strafsystems steuern. Straftheorie befasst sich dagegen mit der Lehre von den richtigen Zielen der Strafe. Die Grenzen zwischen den Begriffen sind fließend. 15
’Straftheorien’ geben Antworten auf die folgenden Fragen: 16

1. Wie soll Strafe gerechtfertigt oder begründet werden? Knüpft man Strafe ausschlieblich an die Tat und die Schuld des Täters20 21, losgelöst von zukunftsgerichteten Zwecken (gerechte Vergeltung - absolute Theorien)22, oder ist Strafe in Bezug zu setzen zu Zukunftsprognosen über das, was man mit Strafe als gesellschaftliche Schutzmabnahme erreichen kann (Vorbeugung - relative Theorien)?23

17

2. Welche Prinzipien dürfen Art und Höhe von Strafe steuern (Strafzumessung)?

18
Ein wesentliches Ziel der Wissenschaft war es, zwischen den sogenannten antonomen24, absoluten und relativen Theorien zu vermitteln. Das Ergebnis dieser Forschung sind die sogenannten Vereinigungstheorien.25 19
Ob man nun Strafgrund und -ziele in den absoluten oder in den relativen Theorien findet, gibt Auskunft über den Charakter eines Strafsystems. Bei Systemen, die von den absoluten Theorien ausgehen, spricht man von Vergeltungs- oder Schuldstrafrecht. Auf den relativen Theorien aufbauende Systeme nennt man Schutz- oder Erfolgsstrafrecht. 26 27 20
In dieser Arbeit werde ich hauptsächlich den Straftheoriebegriff im traditionellen Sinne verwenden. Auszugrenzen sind dabei Prinzipien, die 21
1. Auskunft darüber geben, welche Handlungen kriminalisiert werden sollten,28 und 22
2. Ausformung und Ziel des Strafvollzuges steuern.29 23
In der Diskussion über Straftheorien besteht gelegentlich das Problem für die Diskutanten, dass sie Prinzipien vermischen, die auf den unterschiedlichen Stufen eines Strafsystems Geltung beanspruchen.30 24
Welche Straftheorie man bevorzugt, ist davon abhängig, wo man zu philosophieren beginnt. Fragt man zuerst nach der Aufgabe des Strafrechts31, würden die meisten Strafrechtler sagen, sie bestehe in dem sekundären Rechtsgüterschutz. Zur Erfüllung dieser Aufgabe dürfe man sich nach der Ansicht Roxins nicht einer Strafe bedienen, die von allen sozialen Zwecken ausdrücklich absehe.32 Fragt man dagegen nach der Rechtfertigung der Strafe, ohne sich zuvor über die Aufgaben des Strafrechts Gedanken zu machen, haben die absoluten Theorien bessere Chancen, sich durchzusetzen.33 25
Nach der Ansicht Walter Gropps definiere sich das Strafrecht aus der Strafe: "[…] alle Rechtssätze, deren Rechtsfolge in einer Strafe besteht, sind solche des Strafrechts. Nur soweit diese Rechtsfolge legitim ist, ist Strafrecht legitim. Die Frage nach seiner Legitimation ist folglich die Frage nach der Legitimation der Strafe."34 Folgt man diesen Ausführungen, ist also die erste zu stellende Frage nicht, wie man das Strafrechtssystem (die Aufgabe des Strafrechts) als solches rechtfertigt, sondern diejenige nach der Legitimation der Strafsanktion selbst. Erst wenn die Legitimation der Rechtfolge Strafe geklärt ist, kann man mit den Überlegungen beginnen, wie sich diese Sanktion für die betroffenen Parteien am Besten verwirklichen lässt. 26
Wo auch immer man anfängt zu fragen: Niemand kommt daran vorbei, nach der Rechtfertigung oder Begründung von Strafe suchen zu müssen.35 27

1.6. Biographisches

Albert Friedrich Berner wurde am 30. November 1818 in Strasburg in der Uckermark als ältestes von 15 Geschwistern geboren. 28

1.6.1. Werdegang

Er verließ das berlinisch-französische Gymnasium36 1838 als Primus omnium. Danach begann er sein lebenslanges Wirken an der Berliner Universität, zunächst als Student der Rechtswissenschaften unter Professoren wie vor allem Savigny, Gans und Heffter.37 Er promovierte 1842 mit seinem Freund Rudolf Jhering als Opponent. Nach seiner Habilitation 1844 wurde er an der Juristischen Fakultät als Privatdozent angestellt, 1848 zum außerordentlichen Professor ernannt, und 1861 wurde er ordentlicher Professor.38 29

1.6.2. Werk

Nachfolgend eine Auswahl seiner bedeutenden Werke in chronologischer Reihenfolge: 30
- Grundlinien der kriminalistischen Imputationslehre (1843) 31
- Enwurf zu einer phänomenologischen Darstellung der Straftheorien und zu einer begriffsmässigen Vereinigung der relativen und der absoluten Theorien (1845) 32
- Lehre von der Teilnahme und die neueren Controversen über Dolus und Culpa (1847) 33
- Über den Begriff des Verbrechens (1849) 34
- Wirkungskreis des Strafgesetzes nach Zeit, Raum und Person (1853) 35
- Lehrbuch des deutschen Strafrechts, 18 Auflagen (1857-1898) 36
- Grundsätze des Preubischen Strafrechts (1859) 37
- Abschaffung der Todesstrafe (1861) 38
- Die Strafgesetzgebung in Deutschland vom Jahre 1751 bis zur Gegenwart (1867) 39
- Lehrbuch des Deutschen Preßrechtes (1876) 40

1.6.3. Intellektuelle Charakteristika

Berner entschied sich erst spät für eine rechtswissenschaftliche Karriere. Er hatte großes Interesse an der Philosophie und schwankte lange Zeit -auch noch als Student- zwischen den beiden Alternativen, bis er sich schließlich für "den Philosophen im Juristen"39 entschied. Das Studium gab ihm reichhaltige Möglichkeiten zu philosophischen Studien. Seine Lehrer Eduard Gans (Naturrecht), Michelet (Naturphilosophie), Gabler (Phänomenologie) und Karl Werder (Geschichte der Philosophie) regten ihn zum Studium von Grundlagenfächern an. Leopold Henning und dem Kreise der Philosophischen Gesellschaft stand er auch nahe. Neben diesen Vertretern der hegelschen Philosophie schenkte er auch Vertretern anderer Richtungen starke Aufmerksamkeit, z.B. Trendelenburg (Logik).40 41
Um die Jahrzehntwende 1850, nachdem das französische Strafrecht für Deutschland allmählich große praktische Bedeutung gewann, wandte sich Berner dem Studium der französischen Kriminalisten zu und erschloss damit seine zweite Bildungskomponente. Denn vorher gab er mit seinen eigenen Worten an, "bei der Abfassung [der] Lehre von der Teilnahme (1847), war ich so vollständig erfüllt von den Theoremen der deutschen Philosophie, dass ich ganz und gar aus ihnen heraus konstruierte."41 Von nun an zeigten sich neben dem hegelschen Einfluss in seinen Arbeiten auch die französischen Lehren, vor allem die von Rossi und M. Ortolan.42 42
Dass Berner ein starker Befürworter der Rechtsvergleichung im Allgemeinen und mit dem französischen Recht im Besonderen war, zeigen die folgenden Aussagen: 43

"[…] Die fremdländischen Elemente sind eine Bereicherung unserer eigenen Jurisprudenz und unserer Nationalität, sobald wir sie selbständig prüfen und selbständig verarbeiten. […]"

44

"[…] Ich finde nicht, dass jene drei bedeutenden Namen [der große Kurfürst, Friedrich der Große und die Rheinprovinz] uns Schaden gebracht hätten, und fürchte nicht im mindesten, daß wir zu einer selbständigen, fruchtbringenden Verarbeitung des französischen Rechts unfähig seien, lebe vielmehr der frohen Hoffnung, dass wir hier zum Besten des gesamten Deutschlands eine weltgeschichtliche Aufgabe erfüllen und dass aus dem großen geistigen Gärungsprozesse der verschiedenartigen nationalen Elemente ein reicheres, freieres, schöneres Deutschtum hervorgehen wird."43

45
Und in Teilen des gemeinen Rechts macht er darauf aufmerksam, welchen Dank man römischen und kanonischen Quellen sowie der italienischen Jurisprudenz schuldig ist.44 46
Der historischen Schule steht Berner ablehnend gegenüber. Er verwendete die Ausdrücke 'Altertumskrämerei', 'Abkehr vom Leben' und 'Vornehm-Schnöde Zurückweisung der Philosophie', um diese Richtung zu charakteriesieren.45 Für Berner gaben die historische Schule wie auch das Naturrecht die falsche Antworten auf die Fragen der Rechtsphilosophie. 47
Für Goldschmidt war Berner "[…] Gallizist und Hegelianer, aber nie und nimmer Formalist." In rechtsdogmatischer Beziehung bedeutete dies den Einfluss der Franzosen, in rechtsphilosophischer Hinsicht den Einfluss Hegels.46 48
Berner starb in seinem Heim in Berlin-Charlottenburg am 13. Januar 1907. 49

2. Hauptteil

2.1. Grundlagen

Wenn man verschiedene Theorien studieren möchte, ist es immer wichtig, die verwendete Methoden zu überprüfen. Es kann gesagt werden, dass die Ergebnisse einer Theorie nicht haltbarer sind als die Methode, auf der sie beruht. Berner selbst meint, ohne Philosophie zu arbeiten, "heißt in der Luft [zu] bauen". Berner stützt seine Theorien, wie unter Punkt 1.1 erwähnt, auf die hegelsche Methode/Philosophie. 50
Der große Einfluss von Hegel auf Berners Lehre zeigt sich deutlich in seinen ersten beiden bedeutenden strafrechtlichen Werken, in seiner Habilitationsschrift 'Grundlinien der criminalistischen Imputationslehre' von 1843 und im 'Entwurf zu einer phänomenologischen Darstellung der bisherigen Straftheorien, sowie zu einer begriffsmässigen Vereinigung der relativen Theorien mit der absoluten' von 1845. 51

2.1.1. Hegels historische Dialektik und Geschichtsphilosophie

Hier zu erwähnen sind einzelne wesentliche Merkmale der hegelschen Philosophie. 52
Hegel begründete eine neue dialektische Logik, in der die Wirklichkeit eine fortschreitende kosmische, nicht-materielle, absolute Idee sei. Um diese fortschreitende Idee näher zu beschreiben, nutzte er Begriffe wie 'das Absolute', 'der Geist', 'Weltgeist', 'Weltgeschichte' und 'Gott'.47 53
Die üblichen Assoziationen, die mit dem Wort Logik verbunden sind, muss man aufgeben, um in Hegels Texten Fuß fassen zu können:48 "Logik ist die Wissenschaft der reinen Idee, das ist, die Idee im abstrakten Elemente des Denkens49 […] Die logischen Gedanken [...] sind der an und für sich seiende Grund von allem50[...]. Die Logik fällt [...] mit der Metaphysik zusammen."51 54
Hegel entwickelte bekannte Sätze wie "Was vernünftig ist, das ist wirklich und was wirklich ist, das ist vernünftig", sowie den Satz von der Identität von Idee und Wirklichkeit: "Alles Sein ist realisierter Gedanke, alles Werden Entwicklung des Denkens." Hegels Ziel ist es, den Gegensatz zwischen dem 'Allgemeinen' und dem 'Besonderen' aufzuheben, es begreiflich zu machen, dass das sich scheinbar Widersprechende eine Einheit wird.52 Die Methode, das Vernünftige zu erkennen, ist eine dialektische53 und phänomenologische.54 55
Angelpunkt der hegelschen Methode ist das Denken in Begriffen. Mit Begriffen wie Gut, Böse, Wollen, Leben, nicht mit kantianischen Kategorien, müssen wir arbeiten, um die Welt zu erkennen.55 Den rechtlichen Charakter der Strafe weiß Hegel durch die dialektische Verwirklichung des Rechtsbegriffes zu wahren.56 56
Helmuth Mayer sieht Hegels Rechtsphilosophie "[…] als Sinndeutung des wirklich in der Geschichte sich entwickelnden Rechts."57 57

2.1.2. Berners Methode in 'phänomenologischer Darstellung'58

Berner verurteilt diejenigen, die meinen, dass alles, was gedacht und gesagt werden könne, bereits längst gedacht und gesagt worden ist, und ironisiert dagegen: 58

"Unter der Sonne geschehe nichts Neues mehr; wie die Natur in ihrem ewigen Kreislaufe dem Auge des aufmerksamen Beobachters immer wieder dieselben Erscheinungen vorführe, und somit durch ihre ununterbrochene Entwickelung doch nicht von der Stelle rücke: so auch die geistige Welt, wenigstens in Betreff gewisser Gegenstände, und es sey nur Schein und thöricht eitler Wahn, wenn Jemand heut zu Tage glaube, durch sein Denken die Lösung irgend einer jener Aufgaben gefunden zu haben, an denen die hervorragensten Geister früherer Jahrhunderte, oder vielleicht gar Jahrtausende, vergebens ihre edelsten Kräfte ausgerieben hätten."

59

"[…] Und allerdings, wenn man die Maße der bereits aufgestellten Straftheorien als einen Beweis für unsere Unfähigkeit zu einer wissenschaftlichen Begründung des Strafrechtes und des Strafmaßes ansehen will, so ist diese groß genug, um den Glauben zu erzeugen, dass jetzt schwerlich noch etwas Wesentliches aus des Tiefe des denkenden Geistes in das Licht des Tages heraufgefördert werden könne, […]"59

60
Berner meint, dass die vielfachen Bemühungen einer früheren Zeit keinesweges vergeblich und fruchtlos geblieben seien. In den vorhandenden Theorien sieht Berner "[…] ein stetiges Fortschreiten [und] eine allmähliche Annäherung an das Ziel […]".60 61
Aus diesem Grund könne eine Darstellung der verschiedenen Straftheorien nicht eine bloße Klassifikation sein, sondern müsse vielmehr Gegenstand der Phänomenologie sein, das heisst, wie Berner sagt, flüchtig vorübereilenden Erscheinungen in einem dialektischen Prozess werden. Siehe Zitat dazu im Anhang I. 62
Bemerkenswert, aber nach der hegelschen Methode konsequent, ist hier, dass Berner damit rechnet, dass seine eigene Theorie selbst ein 'Opfer' dieser Methode wird. "Deshalb wird unsere Darstellung des Strafrechts, auch bei einer Ableitung aus der Philosophie, nichts Fertiges und unbedingt Anzuerkennendes werden können."61 Der Trost ist möglicherweise, dass seine Theorie, die zu seiner Zeit eine Synthese der vorangegangenen dialektischen These und Antithese war, später selbst Gegenstand und Grundlage der Entwicklungen werden wird. 63
Auch das Strafrecht ist Teil der sittlichen Idee, die in einem Prozess das Absolute, den Geist, die Vernunft, u.s.w. anstrebt. Leicht ist es aber nicht, diese Idee zu erreichen: 64

"Der Verstand […] sträubt sich an dieser Stelle, wie überall, wo der Geist des Menschen auf der Schwelle des Absoluten steht, wie überall, wo es nichts Geringeres gilt, als das Relative und Endliche dahinten zu lassen, um den saltus immortalis in die Unendlichkeit zu thun; er sträubt sich hier, wie überall, wo er sich aufgeben soll – in ein höheres: die Vernunft!"

65
Hegel hat es aber Berners Ansicht nach erreicht: 66

"Nach der absoluten Theorie bezieht sich die Strafe nur auf sich selbst; mithin giebt es immer nur Eine absolute, und man kann nur von verschiedenen Auffassungsarten derselben sprechen. Der Zielpunkt, welchen der phänomenologischen Fortgang dieser Auffassungsweisen anstrebt, ist der Begriff des Werthes, […]"62

67
In der Philosophiegeschichte begegnen einem immer wieder verschiedene sich gegenüber stehende Begriffspaare. In der Erkenntnistheorie sieht man manchmal die Paare a-priori – a-posteriori sowie Intrinsizismus – Subjektivismus. In der Moralphilosophie begegnet einem häufig das Paar Deontologie – Utilitarismus. Alle diese Begriffe stehen auch mit Straftheorien in Verbindung. Die erstgenannten Begriffe in dem jeweiligen Paar werden typischerweise den Vergeltungs- oder Gerechtigkeitstheorien zugeordnet, die letztgenannten den Zweck- oder Nutztheorien. Berner schreibt beispielsweise in seinem Lehrbuch auf S. 21: Strafe "gründet sich auf das Verbrechen selbst", und ihre Voraussetzung ist "ihre innere Gerechtigkeit".63 Dies könnte als ein Beispiel für einen intrinsischen Wahrheitsanspruch gelten, entsprechend zu Platon, der seine Wahrheiten in der Welt der Ideen findet. Interessant zu sehen bei der hegelschen Dialektik ist, dass dies eine Methode ist, die ihre Wahrheiten eigentlich nirgendwo findet. Sie treten automatisch hervor durch stetig fortschreitende Erscheinungen, die somit diese Begriffsdichotomien aufzuheben versuchen. 68

2.1.3. Berners Willenstheorie

Für die Schuldbegründung spielt das Problem der Willensfreiheit eine erhebliche Rolle. Ohne die Voraussetzung der Willensfreiheit käme nur noch ein Präventionsstrafrecht als strafrechtsähnliches Mabnahmenrecht64 in Frage. 69
Berner entwickelt den Begriff des Willens nach Hegels Methode. Siehe Berners Erläuterungen im Anhang II. 70
Durch dieselbe Methode wird der Begriff zur Idee weiterentwickelt. 71
Auf die 1. Stufe setzt er den an sich seienden, unmittelbaren Willen. "[…] Es sind hier unsere Triebe und Begierden, die unsere Handlungen schlechthin leiten [...]. Er ist nach Inhalt und Form unfrei, daher noch gar kein Wille, […]."65 72
Die 2. Stufe ist der für sich seiende, reflektierende Wille. 73

"Der Wille reflektiert. Das Individuum ist zwar noch auf die Befriedigung seiner Triebe aus, aber es wählt unter den Trieben den, von dem es sich am meisten Genuss verspricht und unter den Mitteln der Befriedigung die Zweckmässigsten. Dieser wählende, kürende Wille ist die Willkür. [...]

74

Der Wille ist hier dem Inhalte nach noch unfrei, denn den Inhalt bilden die durch die Natur gegebenen Triebe und Begierden, die Form aber ist die der freien Wahl. Wir können daher diese Stufe auch als formelle Freiheit bezeichnen."66

75
Die 3. Stufe ist der an und für sich seiende vernünftige Wille. Hier ist der Wille nach Form und Inhalt frei, der Inhalt ist nicht mehr durch Triebe und Begierden bestimmt, sondern durch das substanzielle Wesen des Individuums, dessen Vernünftigkeit.67 76

"Auf dieser höchsten Stufe seiner Entwickelung kann der Wille nichts Böses mehr wollen. Die sittliche Nothwendigkeit ist von ihm als sein wahrer Inhalt erkannt, und wird mit Freiheit ausgeführt. Er wählt daher seinen Inhalt nicht mehr; hinweggehoben über die Qual der Wahl, weiss er was er zu thun, - weiss er, dass Nichts erhabener ist, als der Wille, der ein Unwandelbares anerkennt, und, selbst unwandelbar, dem Unwandelbaren dient. Der Zweck, den er zu verfolgen hat, steht ihm fest, wie der Angelstern des Pols, und unverwandt den Blick auf ihn gerichtet, hält er mit männlichem, festem Arme das Steuerruder in der Meerfahrt des Lebens."68

77
In einem interessanten Artikel69 in der Festgabe für Heinrich Dernburg, 1900, S. 171-182, sucht Berner die Gegensätze zwischen Determinismus und Indeterminismus zu überbrücken. Berner wirft Adolf Merkel vor, uns vor zwei falsche Alternativen zu stellen: 78

Entweder Ursachslosigkeit, mithin Zufälligkeit: Indeterminismus. Oder Kausalgesetz, mithin Nothwendigkeit: Determinismus.

79

Hier fehlt die Unterscheidung von Ursachen und Motiven.70

80
Berner unterscheidet zwischen sittlich indifferenten Handlungen und sittlich bedeutsamen Handlungen. Bei ersteren tritt die Wahlfreiheit laut Berner nicht hervor, bei letzteren ”müssen nun [die möglichen Motive] vor dem moralischen Tribunal des Gewissens erscheinen und der Mensch hat sich zu entscheiden, ob er den zum Guten oder den zum Bösen auffordernden Motiven folgen will.”71 81
Nach seiner Erörterung schließt Berner seinen Artikel in folgender Weise ab: 82

"Die Handlungen gehen weder aus dem Naturell, noch aus dem Charakter mit Nothwendigkeit hervor. Das Kausalgesetz, welches in der Natur herrscht, gilt nicht im Bereiche menschlichen Handelns. Ein Wollen ohne Motive gibt es freilich nicht, aber bei der Entscheidung über gut oder böse herrscht Wahlfreiheit."72

83

2.2. Berner zum Strafrechtsbegriff und zur Aufgabe der Strafrechtswissenschaft

Der Ausdruck 'Strafrecht' hat für Berner eine doppelte Bedeutung. Er unterscheidet zwischen Strafrecht im subjektiven und objektiven Sinne. Strafrecht im subjektvien Sinne ist das Recht des Staates zu strafen und bezeichnet "den Inbegriff der Befugnisse, die dem Staate als dem ausübenden Subjekte der Strafthätigkeit zustehen."73 84
Strafrecht im objektiven Sinne bezeichnet er als die "Grundsätze, welche der Staat bei der Ausübung jener Befugnisse zu beobachten hat."74 85
Berner stellt sich die Frage, ob die Strafrechtswissenschaft vom Strafrecht im objektiven oder vom Strafrecht im subjektiven Sinne handelt. Berners Antwort ist, dass die Strafrechtswissenschaft beides in sich aufnehmen muss. Die Strafrechtler befassen sich zwar hauptsächlich mit den Grundsätzen, aber diese müssen abgeleitet und begründet werden. 86

"Indem [die Strafrechtswissenschaft] die Notwendigkeit der Strafe überhaupt, und eines bestimmten Strafmabes für das bestimmte Verbrechen darthut, begründet sie zugleich das Recht und die Pflicht des Staates zu strafen, zugleich das Strafrecht im subjektiven und das Strafrecht im objektiven Sinne."75

87
Die Aufgabe der Strafrechtstheoretiker ist es, den reinen Begriff der Sache76 zu erforschen. "Für ihn (den Strafrechtstheoretiker) handelt es sich niemals bloss um eine bestimmte Gesetzgebung, sondern immer zugleich um die reine Wissenschaft." Er muss sich über die positive Gesetzgebung erheben, und die reine Natur der Sache erforschen.77 88

2.3. Berner über die verschiedenen Straftheorien

2.3.1. Die relativen Theorien

Berner bezeichnet als relative Theorien die, "welche die Nothwendighkeit der Strafe aus ihrer Nützlichkeit, aus einem auberhalb der Strafe selbst liegenden Zwecke herzuleiten streben."78 89
Berner stellt die wichtigsten relativen Theorien dar, nämlich die sogenannte alte Abschreckungstheorie, die Besserungstheorie, Vertheidigungstheorie, Präventionstheorie, Theorie des psychologischen Zwanges, Warnungstheorie, Ersatztheorie, und die Straftheorie Fichte’s. 90
Ein paar wesentliche Argumente Berners gegen einige dieser Theorien sind die folgenden: 91
Berner kritisiert die Besserungstheorie, bei der er die Begründung des Strafrechts vermißt: 92

"Nach einer solchen forscht man vergeblich. Die Besserungstheorie will Strafe, weil gebessert werden müsse; sie begründet aber nicht, weshalb die Besserung gerade durch Strafe herbeizuführen sei; es bleibt somit die Strafe selbst ohne alle Begründung."79

93
Gegen die Präventionstheorie wendet Berner ironisch ein: "Wenn der Gedanke der Prävention schon die Rechtfertigung der Strafe enthielte, so wäre es folgerichtig, die Bestrafung dem Verbrechen vorangehen zu lassen."80 94
Ein wichtiges Argument gegen die Theorie des psychologischen Zwanges (Abschreckung durch die gesetzliche Androhung) ist nach Berner die Gefahr zu einer drakonischen Gesetzgebung. "Denn damit die Androhung ihre Aufgabe, psychologisch zu zwingen, erreiche, müssen möglichst harte und abschreckende Strafen angedroht werden."81 95
Im Rückblick auf dieses Kapitel stellt Berner fest, dass die relativen Theorien sich dem wahren Wesen der Strafe in dem Maße nähern, als sie die Strafe auf das bereits begangene Verbrechen und auf den Verbrecher selbst beziehen.82 Diese Sichtweise muss man im Lichte des kantschen Imperativs – 'nie Menschen bloß als Mittel verwenden'- sehen. Berner erkennt in seiner 'phenomenologischen Darstellung' diese Theorien, soweit sie nicht mehr den Verbrecher "als Mittel für andere benutzen, sondern ihn, seiner Menschenwürde gemäß, als Selbstzweck behandeln", an.83 96
Ein wichtiger Gedanke Berners ist die Auseinandersetzung mit denen, die fordern, alles in der geistigen Welt müsse zweckmäßig sein, solle es als berechtigt erscheinen: 97

"[…] Das Unzweckmässige ist [sagen sie], als solches, das Unvernünftige. Mit dieser unbedingten Forderung einer äusseren Zweckmässigkeit macht man alles zum blossen Mittel. Aber wozu denn alle diese Mittel? Irgend etwas wird doch das Letzte seyn müssen, und dieses Letzte kann nicht wieder zum blossen Mittel erniedrigt werden, denn als Mittel würde es über sich selbst hinaus auf ein Höheres weisen, also selbst nicht das letzte seyn. Jedes Letzte, jedes Ende geht in sich zurück, da es nicht mehr über sich hinweg kann. War also alles Andere Mittel für Anderes, so wird das Letzte Mittel für sich, d.h. Selbstzweck seyn. Nun aber ist die ganze sittliche Idee, deren Eckstein und Fundament die Gerechtigkeit bildet, Selbstzweck; mithin kann auch die Strafe, wenn sie in sich selbst gerecht seyn soll, als solche nicht einem Zwecke unterworfen seyn. […]"84

98
Jede relative Theorie enthält einen wahren Bestandteil der Strafe. Aber es verbleibt bei allen relativen Theorien die Schwäche, dass sie nicht die Begründung der Strafe in ihrer inneren Gerechtigkeit suchen.85 99

2.3.2. Absolute Theorien

Wie oben unter Punkt 1.5 (Was ist Straftheorie?) schon angedeutet, blicken die absoluten Theorien in die Vergangenheit auf die begangene Tat zurück. Sie sehen den primären Grund und die Rechtfertigung der Strafe losgerissen von zukünftigen Zwecken. Bei den absoluten Theorien wird Strafe oft als Selbstzweck betrachtet und/oder Strafe wird als eine Forderung der Gerechtigkeit angesehen. Mit Berner: "[…] das Gerechte trägt seinen Zweck in sich selbst, ist sein eigenens Ende […]"86 100
Berner geht davon aus, dass die absoluten Straftheorien, wenn sie folgerichtig sind, auf einer gewissen Staatsauffassung beruhen. Der Staat entspringe nicht aus der Willkür der Menschen (Berner greift die Theorien über den Vertragsstaat an87), sondern er ruhe auf einer sittlichen Notwendigkeit. Der Staat befriedige ein sittliches Bedürfnis des Menschen. Wie alles Sittliche, sei der Staat nicht bloß für den Nutzen und für äußerliche Gesellschaftszwecke vorhanden, sondern sei Selbstzweck.88 101
Diese Staatsauffassung verleitet Berner zu folgender Auffassung über Strafe: 102

"1. Auch die Straftätigkeit als eine besondere Staatsfunktion gründet sich auf sittlicher Notwendigkeit.

103

2. Die Strafthätigkeit ist eine nur sich selbst dienende Tätigkeit des Staates. Sie findet ihre Rechtfertigung in der eigenen Natur der Strafe, nicht erst in dem Nutzen, den sie Einzelnen oder der ganzen Gesellschaft stiftet. Die Strafe ist Selbstzweck, wie der Staat."89

104
Berner erörtert die wichtigsten absoluten Theorien, insbesondere die von Kant, K. S. Zachariä, Henke und die Theorie Hegels. 105
Kants absolute Straftheorie widerspricht nach Berners Meinung seinen sonstigen Staatsauffassungen und seinem philosophischen System. Eine absolute Theorie sei nicht mit einem Recht, das von der Willkür der Einzelnen ausgehe, vereinbar. Solch ein Vertragsstaat "bezweckt im Grunde nur die Sicherheit der Einzelnen. Wie kommt nun die Strafthätigkeit des Staates dazu, bloßer Selbstzweck zu sein?" Weil solch eine höhere Notwendigkeit fehlt, hätte Kant "folgerecht eine relative Straftheorie aufstellen müssen."90 106
Bei Hegel werde der Verbrecher durch die Strafe als Vernünftiger geehrt,91 weil er durch seine Handlung etwas Allgemeines92 aufstelle, "ein Princip, aus dem die Handlung hervorgegangen ist, und das also auch in der begangenen Handlung selbst liegt […] So ist die Vernunft das Gesetz seiner eigenen Handlung, welche als Strafe auf ihn zurückschlägt."93 107
Das richtige Strafmaß findet Hegel im Verbrechen selbst. Durch Vergeltung94 wird das Unrecht vernichtet. Die Strafe wird verstanden als Negation der Negation (das verneinte Recht).95 108
Es wird aber keine spezifische Gleichheit von Verbrechen und Strafe gefordert. 109
"Das Strafübel soll vielmehr dem Verbrechen nur dem Werthe nach gleich stehen. […] Nach ihrer äuberen, specifischen Gestalt sind z.B. Diebstahl und Raub auf der einen Seite, und Geld und Gefängnibstrafe auf der andren Seite schlechtihin ungleich. Aber nach ihrem Werthe, nach ihrer allgemeinen Eigenschaft, Verletzungen von der oder der Gröbe zu sein, sind sie vergleichbar. Der Verstand kann demnach allerdings durch eine Gleichung zunächst den Werth des Verbrechens sodann aber eine diesem Werthe entsprechende Strafe auffinden."96 110
Berner verteidigt Hegel gegen diejenigen, die die Idee 'der Negation der Negation' kritisieren: 111

"Der von Hegel aufgestellten Behauptung der Nichtigkeit des Verbrechens, die die Grundlage der Hegelschen Theorie bildet, wird zu Unrecht der Vorwurf der Dunkelheit gemacht. Auch Schleiermacher nennt das Böse das Nichtige.Und in der That bleibt doch nur die Wahl, entweder das Böse als ein Nichtiges aufzufassen, oder die Welt zweien Herren zuzutheilen, Gott und dem Teufel."97

112
Am Ende des Paragrafen 21 seines Lehrbuches in der Erörterung der absoluten Theorien hebt Berner das Wahre bei den absoluten Theorien hervor, aber er erkennt auch, dass er trotzdem nicht den endgültigen Schlusspunkt des Streites um die Straftheorien gefunden hat. Er weist darauf hin, dass man in den letzten Jahrzehnten bestrebt war, die relativen Theorien mit den absoluten zu verbinden. Berner unterstützt diese Bestrebungen: ”Namentlich hat sich niemals ein Staat damit begnügt die Strafe nur als Vergeltung auszuüben.” Er weist darauf hin, dass Gesetzgebung und Praxis zu allen Zeiten Strafe mit Zwecken verknüpft haben und dass diese gewichtige Tatsache von der Straftheorie nicht übersehen werden dürfe.98 113

2.3.3. Vereinigungstheorien

Die Vereinigungstheorien versuchen, die anscheinliche Antinomie zwischen den absoluten und relativen Straftheorien zu vermitteln und zu vereinen. Sie zielen darauf, den Nutzgedanken und den Gerechtigkeitsgedanken zu verbinden. Dabei ist nicht verwunderlich, dass diese Vereinigungstheorien unterschiedlich aussehen, je nachdem, ob sie (soweit es nützlich ist) vornehmlich Gerechtigkeit verwirklichen wollen, oder in erster Linie das Nützliche (soweit es gerecht ist). Berner zufolge müssen sich auch die Vertreter von Vereinigungstheorien entscheiden, ob ihr wahres Ziel das Nützliche oder das Gerechte ist.99 114
Berner erläutert und kritisiert die Vereinigungstheorien von Abegg, Wirth und auch die Theorien, welche die Aufgabe der Strafgerechtigkeit auf die Verwirklichung des Nützlichen beschränken (Ortolan und Faustin Hèlie). 115
Nach Abegg soll die Strafe 'ein Ausfluß der reinen Gerechtigkeit sein.'100 Der Ansatz Abeggs besteht darin, in seiner Schuldtheorie (er sieht die Schuld als Grundlage der Gerechtigkeitserwägungen) schon die Gesichtspunkte der relativen Theorien zu berücksichtigen. Berner referiert Abegg wie folgt: "Die Durchführung der einfachen Gerechtigkeit befriedigt für sich allein schon die Nützlichkeitszwecke, soweit sie überhaupt auf Befriedigung Anspruch haben."101 116
Berner kritisiert Abegg mit folgenden Worten: 117

"Abeggs Theorie räumt den Forderungen der relativen Theorien nur dann Einfluss ein, wenn diese Forderungen aus der Gerechtigkeit selbst hervorgehen. Dies genügt nicht. Die von den relativen Theorien aufgestellten Zwecke sind selbständig berechtigt. Sie müssen daher nicht bloß so weit wie die Gerechtigkeit es fordert, sondern weiter, und zwar so weit, wie die Gerechtigkeit es erlaubt, verwirklicht werden."102

118
Wirth wirft Berner vor, Genugtuung und Vergeltung zu verwechseln. Vergeltung sei im Unterschied zu der Genugtuung kein Strafzweck. Vergeltung sei Strafe: ”Die Strafe ist ihrer inneren Natur nach Vergeltung. Strafe, Strafgerechtigkeit und Vergeltung: das sind identische Begriffe.” 103 119

Ortolan stellt bei der Strafzumessung das Prinzip "Nie mehr als gerecht, nie mehr als nützlich"104 auf. Dabei verkennt, nach Berners Ansicht, Ortolan die Aufgabe des Staates, zu der

120

"vor Allem die Verwirklichung des Rechtes gehört. Die Strafthätigkeit des Staates erstreckt sich im Allgemeinen nicht auf bloße Unsittlichkeiten, sondern nur auf Rechtsverletzungen. Diese Rechtsverletzungen aber straft der Staat, um die ihm obliegende Gerechtigkeit zu verwirklichen; das Nützliche nimmt dabei nur eine sekundäre Stellung ein[...]. [Die Gerechtigkeit] hat [...] in sich selbst einen Werth: und sie soll keineswegs auf ihre Existenz verzichten, sobald sie sich nicht durch einen Nutzen, den sie bewirke rechtfertigen kann. Hoffen wir auf die höhere Gerechtigkeit des Himmels! Aber lassen wir deshalb unsere menschliche Gerechtigkeit nicht fallen! Welchen Unlauterkeiten, welchen Schleichungen, welchen Verirrungen des richterlichen Gewissens würde die Thür geöffnet, sobald man dem Richter sagte, dass seine Gerechtigkeit nur wegen des Nützlichen erforderlich sei! Hüten wir uns vor einem Prinzipe, das die heiligen Grundverhältnisse göttlicher und menschlicher Ordnung in der bedenklichsten Weise verkennt!"105

 

2.4. Hauptthesen Berners

2.4.1. Grund der Strafe

Für Berner sind Grund und Rechtfertigung der Strafe das eigene Wesen des Verbrechens106 selbst, und die Strafe tritt hervor als dessen Gegenbild.107 Die notwendige Voraussetzung ihrer Anwendung ist ihre innere Gerechtigkeit.108 Die Strafe vernichtet das Unrecht und funktioniert als Mittel zur Wiederherstellung des Rechts: "Durch die Strafe stellt sich das Recht wieder her, indem das Unrecht vernichtet wird."109 122
Der reinste Ausdruck der Verneinung des Unrechts ist die Vergeltung, die Berner "als das reine Grundwesen der Strafe" erklärt: Durch die Vergeltung werde "[…]derjenige Wille, der in eine fremde Willenssphäre übergegriffen hat, nach dem Maße dieses Übergriffes in seiner eigenen Willenssphäre verneint […]"110 123
Die Basis für eine Vernichtung des Unrechts durch die Strafe ist ihre innere Gerechtigkeit. Berner: "Strafe ist [... ] ein Akt der Gerechtigkeit."111 124
Berner erwähnt die zwei Seiten der Gerechtigkeit, die positive und die negative. Die positive wird durch die Zivilrechtspflege erfüllt, die negative durch die Strafrechtspflege. 125
Wie genannt ist die innere Gerechtigkeit die notwendige Voraussetzung der Anwendung der Strafe. Weitergehende Ausführungen Berners über den näheren Inhalt seines Gerechtigkeitsbegriffes sind sparsam. Vermutlich würde er sich auf die klassischen Erörterungen darüber stützen, d.h. diejenigen von Aristoteles112 und Thomas von Aquin, 113 obwohl seine dialektische Methode derartige Begriffsbildungen vielleicht nicht zulassen würde. 126
Es fragt sich dennoch, was Berner mit Gerechtigkeit meint. Aussagen wie "Strafe ist Lohn des Verbrechens"114 , dass Strafe als Gegenbild des Verbrechens hervortritt, und dass er Vergeltung als das reine Grundwesen sieht, deuten darauf hin, dass er eine ausgleichende Gerechtigkeit (iustitia commutativa), die sogenannte iustitia vindicativa vertritt. 127
Aber weil die staatliche Strafe das Über-Unterordnungs-Verhältnis Staat gegen Delinquent betrifft, würde Berners Gerechtigkeitsbegriff sicher auch das Prinzip der verteilenden Gerechtigkeit (iustitia distributiva) umfassen.115 Gustav Radbruch ist der Auffassung, dass Berner die Gerechtigkeit mehr im Sinne der austeilenden als der ausgleichenden Gerechtigkeit versteht. Er belegt diese Ansicht unter anderem mit der dauernden Milderung der Strafgröben auf Grund des historisch wandelbaren Gleichmabes von Verbrechen und Strafe.116 Dass das Gleichmab historisch wandelbar ist, bestreitet Berner nicht, was aber nicht notwendig in Widerspruch mit dem Prinzip der ausgleichende Gerechtigkeit steht. 128
Berner vertrat das Vergeltungsprinzip sein Leben lang. Dies bezeugt folgende Textstelle im Vorwort zur 18. Auflage seines Lehrbuches: 129
"Die allgemeingültige Wahrheit des Vergeltungsprincipes liegt darin, dass es den Zusammenhang von Schuld und Strafe unbedingt festhält und für das Mab der Strafe einen klaren und verständlichen Ausgangspunkt giebt."117 130

2.4.2. Talion und Strafwert

Das rohe Talionsprinzip - Auge um Auge, Zahn um Zahn118 - das viele als eine Art der Vergeltung einordnen,119 verwirft Berner. Das Talionsprinzip ist nämlich nicht in der Lage, den in der äuberen Verletzung erschienen subjektiven Willen, d.h. den Schuldgrad, zu berücksichtigen. 131
Darüber hinaus ist es nicht das dem Privaten zugefügte Übel, das mabgeblich sein soll, sondern das Übel, das in der Verletzung des allgemeinen Willens der Rechtsordnung liegt. Dieser allgemeine Wille kann nämlich bald gröber, bald kleiner als das angerichtete Privatübel sein.120 132
Um die Schwächen des Talionsprinzips zu vermeiden, ist es aber unausweichlich notwendig, einen allgemeinen Mabstab für eine gerechte Strafe zu finden. Verbrechen und Strafe sind heterogene Begriffe, die einer Verbindung bedürfen. Diese Verknüpfung hat Julius Abegg, und zuvor Hegel, für Berner gefunden: 133

"Verbrechen und Strafe […] sind an sich unvergleichbare heterogene Gröben, die erst in einem dritten ihre Vermittlung finden, dem Werthe, der Größe des Verbrechens und der Größe der Strafe."121

134
Berner sucht in 'phenomenologischer Darstellung' mit dem geschichtliche Übergang von Tauschhandel zum Kaufhandel eine Analogie zur hegelschen Strafwerttheorie zu finden. "Bei Phöniciern und Carthagern, bei Römern und Griechen, auch bei unseren eigenen Altvordern, succedirte der Kauf dem Tausche."122 Einen allgemeinen Wertemaßstab, Geld, das den Wert der Kaufsache ausdruckte, hat hier den beschwerlichen Tauschhandel im Privatrecht abgelöst. Berner meint vermutlich, dass die Zeit reif ist für einen Übergang zu einem entsprechenden allgemeinen Wertmabstab im Strafrecht. 135

"[…] De[r] Tausch geht also durch den Exponenten, durch den Begriff des Werthes, in den Kauf über.

136

In diesem Sinne soll der Verbrecher die Strafe bekommen, welche sein Verbrechen werth ist. Die Strafe ist gerechte Vergeltung, indem sie dem Verbrecher den Werth seiner Schuld auszahlt. Schon in dem Worte Vergeltung liegt der Begriff des Geldes, des Werthes. Die Strafe ist der Lohn des Verbrechens, - dasjenige, was der Verbrecher verdient hat."123

137
Den Strafwert findet man nicht durch förmliche Berechnung. Seine Ermittlung sollte der Empirie überlassen werden. Die gegebenen Gesellschaftszustände sowie die durch Zeit- und Ortsverhältnisse bedingten nationalen Sitten und Anschauungen müssen dabei dem Strafwert Inhalt geben.124 Dieselbe Strafe kann nämlich bei verschiedenen Völkern und unter verschiedenen Verhältnissen einen völlig verschiedenen Grad der Schwere haben.125 138

2.4.3. Die Strafzwecke

Die Strafzwecke der Genugtuung, Besserung und Abschreckung weisen auf die Wirkung oder Aufgabe der Strafe hin. 139
Die unmittelbare Wirkung der Strafe ist die Genugtuung. Sowohl der niedergetretene allgemeine Wille126 (das heißt nach Berner das Gesetz, die Gesellschaft, der Staat), wie gewöhnlich der besondere Wille (d.h. der Verletzte), werden durch die Strafe emporgehoben. Die dadurch bewirkte Genugtuung ist von tiefer, sittlicher Bedeutung.127 140

"Wenn der freche Verächter fremden Rechtes im Trotze seines Übermuthes den Schwachen, wie wenn er rechtslos wäre, niedergetreten hat; die Gerechtigkeit reicht diesem die Hand, hebt ihn wieder empor und vernichtet den frech übergreifenden Willen seines Gegners: ist das hierdurch befriedigte Gefühl waltender Gerechtigkeit nicht ein herrliches Ziel der Rechtspflege? Nur dem elendesten Materialisten wird diese Genugthuung weniger gelten, als die sonstigen nützlichen Wirkungen der Strafe. […]"128

141
Hinsichtlich des Abschreckungszweckes folgt die Kraft der Strafe vor allem aus dem, was Berner "das Bewusstsein der Unausbleiblichkeit der Bestrafung" nennt. Diese Funktion bezeichnen wir heute als positive Generalprävention. Der Feuerbachschen negativen Generalprävention (dem psychologischen Zwang) misst Berner eine eingeschränkte Bedeutung bei. Der Abschreckungszweck darf nach Berner besonders berücksichtigt werden, wenn "sich ein Überhandennehmen gewisser Verbrechen zeigt."129 142
Die Strafe muss manchmal auch Besserungszwecken dienen: Bekundet das Verbrechen eine sittliche Versunkenheit, muss die Strafe darauf eingerichtet sein, "das sittliche und das religiöse Bewußtsein aus seinem Todesschlafe zu wecken. Die Strafe wird zur Zucht; sie wird Zwangserziehung, […]"130 Dabei ist wichtig, dass sie ihren allgemeinen Zwangscharakter beibehält. 143
Bei der "genugthuenden, bessernden und abschreckenden Vergeltung" geht nach Berner ”kein einziger wesentlicher Gedanke der relativen Theorien verloren.”131 144

2.4.4. Die Spielraumtheorie

Wenn man nach dem Grund der Strafe fragt, ist bei Berner keinerlei Platz für Strafzwecke. Die Begründung und Rechtfertigung der Strafe liegt in ihrer inneren Gerechtigkeit.132 Insofern ist Berner ein Vertreter einer absoluten Theorie. In seinem Aufsatz 'phenomenologische Darstellung' schreibt er, dass die absolute Theorie sich durch die relativen Theorien zu sich selbst hindurch forttreibt. "Somit geht letzlich aus der Phänomenologie der relativen Theorien die absolute hervor, und hebt durch ihr Erscheinen den relativen Standpunkt auf."133 145
Damit ist der Grund der Strafe klargestellt. Jedoch darf Berner die relativen Theorien nicht übersehen. Auf welche Weise will Berner den zweiten Gedanken seiner Straftheorie, die zweite Basis des Strafrechts, den Zweck der Strafe, in seiner dreifachen Richtung als Genugtuung, als Abschreckung, als Besserung134 berücksichtigen? Diese Gedanken finden ihren Weg in die Theorie der Strafzumessung. Ein Problem dabei ist, dass der Grund der Strafe ein Strafmab angibt und die Strafzwecke ein anderes.135 Berners Punkt ist, dass Grund und Strafmab Hand in Hand gehen muss. Der Grund hat Einwirkungen auf das Mab der Strafe, und andersherum, wenn das Strafmab von den Strafzwecke ausgeht, muss die Strafzwecke auch zur Grundlage werden.136 146

"[…] der Zweck hat ebensowohl eine maßgebende Natur, wie der Grund. Er lässt sich also nicht als das bloße Posterius der Strafe ansehen, während dieselbe an ihrem Grunde das eigentliche Prius hätte, sondern er macht sich, wie ja auch überall in den relativen Theorien hervortritt, allenfalls zum Prius. Und hierin liegt für eine begriffsmäßige Vereinigung das Centrum aller Schwierigkeiten."137

147
Es ist also erst die Stufe der Strafzumessung, in der Berner entsprechend den Erfordernissen der geschichtlichen Entwicklung den relativen Straftheorien Platz einräumt. Berner sieht hier die Möglichkeit einer begriffsmäßigen Vereinigung der Straftheorien im Strafmaß.138 148
Berner meint, dass der Vergeltungsmaßstab selbst Raum für diesen bestimmten Zwecke lässt, und löst somit den anscheinenden Konflikt im Begriff des gerechten Vergeltungsmaßes selbst. 149
Berner sieht damit die Möglichkeit der Errichtung eines Spielraumes im Begriff des Strafmaßes: 150

"Das Strafmaß ist die Einheit von Qualität und Quantität. Der Begriff des Strafmaßes erlaubt einen gewissen Spielraum, wo die Quantität des Strafleidens sich vermehren oder veringern kann, ohne den qualitativen Begriff aufzuheben."139

151
Um die Plausibilität dieses Spielraumes zu untermauern, bringt Berner einige Analogien: Bei einer Herde ist eine gewisse Anzahl von Tieren erforderlich, aber wenn diese erreicht ist, können noch Tiere hinzukommen und wieder weggenommen werden, ohne dass die Qualität des Begriffes sich ändert. Und Eis verbleibt Eis innerhalb einer gewissen Quantität von Wärme, bevor es Wasser wird. Wasser verbleibt Wasser innerhalb einer Quantität von Wärme, bevor es Dampf oder Eis wird.140 152
Dieses Verhältnis von Qualität und Quantität gilt auch für ethische Begriffe: 153

"Aus der Tugend der Freigebigkeit wird, durch ein zu Viel, etwas qualitativ Anderes: Verschwendung; aus der Tugend der Sparsamkeit wird, durch ein zu Wenig: Geiz. Aus der Tapferkeit wird, durch ein zu Viel: Tollkühnheit; aus der Bedächtigkeit wird Feigheit u.s.w."141

154
Und zur Gerechtigkeit: 155

"Auch die Gerechtigkeit, an ein bestimmtes Maß gebunden, wägt genau, um jedes zu Viel und zu Wenig zu vermeiden. Es ist eine bestimmte Quantität sinnlichen Leidens erforderlich, damit die Strafe die Qualität gerechter Vergeltung an sich trage. Durch ein Mehr würde sie zur Rache, durch ein Weniger zur Konnivenz, - in beiden Fällen also zur Ungerechtigkeit."142

156
Berners eigene Ausführungen zur Praktikabilität dieses Spielraumes: 157

"[…] Es lässt sich nicht absolut bestimmt feststellen, wie viel man, bei einem gewissen Vermögen, auszugeben habe, um aus einem Freigebiegen zum Verschwender, aus einem Sparsamen zum Geizigen zu werden. … Es ist allerdings ein Punkt da, der nicht überschritten werden darf; aber es bleibt auch ein Gebiet des Gutdünkens und der freien Bewegung.

158

In derselben Weise verhält sich der Begriff der vergeltenden Gerechtigkeit zu dem von ihr geforderten Quantum sinnlichen Leidens. Dieses Quantum ist kein absolut bestimmtes, sondern liegt zwischen einem Maximum und einem Minimum. So lange Richter und Gesetzgeber die Strafe innerhalb dieser beiden Grenzpunkte erhöhen und vermindern, genügen sie immer noch der Gerechtigkeit. Die Gerechtigkeit lässt hier für die Bestimmung des Strafquantums einen Spielraum."143

159
Der Gesetzgeber hat einen weiteren Spielraum, den er für jede Verbrechensart feststellen muss, der Richter einen engeren, den er für jedes einzelne Verbrechen feststellen kann.144 160

2.4.4.1. Anwendung der Spielraumtheorie

Innerhalb der Grenzen der Gerechtigkeit fordert Berner die unumstößliche Berücksichtigung der Zwecke. Nicht nur sollen die Strafzwecke in der Bildung des Strafmabes herangezogen werden, wenn die Gerechtigkeit es fordert, wie bei Abegg und Köstlin; Berner fordert die Berücksichtigung der Zwecke, soweit es die Gerechtigkeit erlaubt. "Denn diese Zwecke bilden selbst eine Aufgabe des Staates, die der Staat nur insoweit beschränken muss, als es die höhere Rücksicht auf die Gerechtigkeit unbedingt nothwendig macht."145 161
"Je nach der Natur des besonderen Verbrechens und selbst nach dem Erfordernisse des einzelnen Falles," hat bald der eine, bald der andere Strafzweck Anspruch auf größere Berücksichtigung. Die Strafzwecke müssen sich aber innerhalb des Strafmaximums und –minimums halten, "welche [...] durch den die Strafe begründenden Gedanken der vergeltenden Gerechtigkeit vorgezeichnet ist."146 162

"Innerhalb dieser durch den Begriff des Vergeltungsmaßes selbst gegebenen Grenzen steigen und fallen einzelne Strafen, steigt und fällt die ganze Strafscala, um sich beständig im Niveau der öffentlichen Sicherheit zu halten."147

163
Weil die relativen Theorien den letzten Ausschlag geben in der Strafzumessung, entsteht oft der falsche Schein, als ob sie auch den tieferen Grund der Strafe bildeten. Die absolute Theorie gibt aber den Grundton, die relativen tönen nur in leichten Akkorden nebenbei: 164

"Die absolute Theorie giebt hiernach in dem Strafmasse gleichsam den festen, massiven Grundton an, während die relativen nur in leichten Akkorden nebenbei tönen und sich mit jener in Harmonie zu setzen suchen. Weil aber die relativen Theorien bei der Strafzumessung nicht selten den letzten Ausschlag geben, indem sie die im Großen schon feststehende Strafe letzlich näher bestimmen, so entstheht für den oberflächlichen Beobachter leicht der falsche Schein, als ob sie überhaupt den tieferen Strafgrund enthielten."148

165

2.4.5. Zusammenfassung

Der Grund der Strafe liegt nach Berner in dem eigenen Wesen des Verbrechens selbst. Die innere Gerechtigkeit der Strafe ist die notwendige Voraussetzung ihrer Anwendung. 166
Strafe ist Vergeltung. Nicht Gleiches soll mit Gleichem (Talionsprinzip) vergolten werden, sondern es soll nach dem Wert vergolten werden. Die Verletzung des allgemeinen Willens der Rechtsordnung soll mabgeblich sein, nicht das dem Privaten zugefügte Übel. Der Wert der Strafe ist abhängig von Zeit- und Ortsverhältnissen. 167
Strafe dient auch bestimmten Zwecken. Vor allem die Genugtuung ist hier zu nennen, doch erfüllt die Strafe auch Besserungs- und Abschreckungszwecke. 168
Die relativen Zwecke erhalten in der Strafzumessung Bedeutung. Der Strafmaßbegriff lässt einen Spielraum zu, wo diese Zwecke berücksichtigt werden sollen, soweit dies die Gerechtigkeit erlaubt. 169

2.5. Kritik

2.5.1. Spielraumtheorie

Wie unter Punkt 1.1 erwähnt, ist der Grundgedanke hinter Berners Spielraumtheorie zur Grundlage der Strafzumessung in der Nachkriegszeit geworden. Besonderen Auftrieb erhielt diese Theorie im Jahre 1954, nachdem die Strafrechtskommission sich zur Bewältigung der Strafzweckantinomie auf folgende Formel in der Strafzumessung einigte: 170

"Die Strafe soll der Schuld des Täters in gerechter Weise entsprechen. In diesem Rahmen [...] dient sie dazu, den Täter in die Gemeinschaft wiedereinzugliedern, Straftaten zu verhüten und die Allgemeinheit vor dem gefährlichen Täter zu schützen."149

171
Seitdem ist die Spielraumtheorie, deren Kernstück in der Annahme eines "flexiblen Schuldrahmens für mehrere schon oder noch schuldangemessene Strafen, der durch präventive Erwägungen ausgefüllt werden soll…”150 besteht, ”[…] in ständiger Rechtssprechung anerkannt worden; [...] ."151 172
Die Zweifel an der Haltbarkeit der Spielraumtheorie haben aber zugenommen seit eine stärkere Berücksichtigung der Schuld gefordert wird.152 173
Bruns referiert Heinrich Jagusch153, der meint, einer bestimmten Tat könne objektiv stets nur eine einzige Strafe, nicht verschiedene, entsprechen. Weiter zitiert Bruns Jagusch: 174

"Unvollkommen und daher unterschiedlich sei nur unser Tat- und Schulderkenntnis, mit welchem sich der Richter mit menschlich erreichbarer Gewibheit begnügen muss. Die auf dieser Grundlage festgestellte Tat und Tatschuld werde, sobald das Gericht eine feste Überzeugung erlangt hat, eine feste Gröbe ohne Spielraum (Punktstrafe)."

175
Nach Jagusch ist es unerträglich und unvereinbar mit einem Rechtssystem, dass bei feststehender Tat und feststehendem Schuldmab eines Täters sowohl eine Strafe von z.B. 6 als auch von 12 Monaten Gefängnis unter Beachtung aller Strafzwecke 'richtig' sein könne.154 176
Nach diesen einleitenden Worten werde ich zuerst Einwände gegen die Spielraumtheorie aus Sicht der Zeitgenossen darstellen, danach aus Sicht dreier heutiger Kritiker. 177

2.5.1.1. Heinze, Wächter, Hälschner

Heinze hält Berners Theorie für bedenklich. 178

"Denn die wirkliche Vergeltung kann in jedem einzelnen Fall objectiv betrachtet nur einen Werth haben, nur durch ein Strafquantum verwirklicht werden. Die relativen Strafdrohungen im Gesetz bedeuten lediglich, dass, trotz der Gleichheit der Begriffsmomente, doch verschiedene Verbrechensfälle verschiedene Werthe haben können."155

179
Carl Georg von Wächter (1797-1880), der selbst ein Vergeltungsstrafrecht im Interesse der Rechtsordnung befürwortet,156 meint, dass "der absolute Charakter der Verteltungstheorie" ganz aufgehoben wird, sobald man Strafzwecke mit in Spiel bringt.157 Die fehlende Erschöpfung des verdienten Maßes der Wiedervergeltung widerspreche der absoluten Forderung einer Vergeltungsgerechtigkeit.158 180
Wächter erkennt, dass das geforderte Quantum sinnlichen Leidens für eine Verbrechensart auch für eine Vergeltungstheorie in der Regel zwischen einem Maximum und einem Minimum liegen wird, "weil die einzelnen Verbrechen, die unter den Begriff der Art fallen, auf verschiedenen Stufen der Strafbarkeit stehen können, […]". Aber innerhalb dieses Rahmens lasse sich die Strafe nur nach den Forderungen des Vergeltungsmaßes bestimmen, nicht "durch Nützlichkeitsrücksichten". 181

"Wenn z.B. für eine Verbrechensart nach ihren verschiedenen Modalitäten eine Strafe von 2 x bis zu 10 x dem Vergeltungsprinzipe entspricht: so heisst dies nicht soviel, dass jede beliebig zu bestimmende Strafe, welche sich innerhalb dieser Schranke bewegt, eine gerechte für das konkrete Verbrechen sei, sondern es ist für jede Modalität des Verbrechens dasjenige Strafmab zu suchen, welches innerhalb jener Schranke wirkliche Vergeltung des Verbrechens ist, [...]."159

182
Die Strafe ist nach den verschiedenen Modalitäten oder der Natur des Verbrechens gemäß dem Vergeltungsprinzip zu ermessen, nicht nach 'ausserhalb der Strafe selbst liegenden' Zwecken (Berner § 7160), nach den Zwecken der Abschreckung oder Besserung.161 183
Die Rechtmäßigkeit einer an solchen Zwecken orientierten Strafe lässt sich nicht beweisen, und eine gerechte Strafe kann nicht auf solche Zwecke gegründet werden: "Durch ein äußerlichen Verbinden des Unrechtlichen [...] kann es nicht ein Rechtliches werden. […]." 162 184
Hugo Hälschner (1817-1889) verwirft ebenfalls aus prinzipiellen Erwägungen die Spielraumtheorie: 185
"Die Strafe [...] hat nur einen Zweck, und die Gerechtigkeit fordert nicht blob, dass das Verbrechen gestraft werde, sondern sie bestimmt auch das Mab der Strafe, das in allen Fällen durch das Mab der Schuld bedingt wird. [...]" 186
"[…] Jeder Versuch über die Grenze dessen was die Gerechtigkeit fordert hinaus Rücksichten der Nützlichkeit und Zweckmäßigkeit geltend zu machen, ist eine Verletzung der Gerechtigkeit [...]"163 187
Vergleiche ausführlichere Zitate im Anhang III. 188

2.5.1.2. von Hirsch, Jareborg, Schreiber

Der Amerikaner Andrew von Hirsch (1934 - ) und der Schwede Nils Jareborg (1938 -) arbeiten seit 1983 in einem strafzumessungstheoretischen Projekt zusammen. 189
Die grundsätzlichen straftheoretischen Annahmen Hirschs und Jareborgs sind die folgenden: 190

"Strafen sollten im Einklang mit der schuldzuweisenden Bedeutung der strafrechtlichen Sanktion verhängt werden. Die Härte der Strafe sollte den Grad der Vorwerfbarkeit, d.h. die Schwere des kriminellen Täterverhaltens, widerspiegeln. Unverhältnismäbige Strafen sind ungerecht, weil sie den Täter mehr oder weniger tadelnswert behandeln als es die Schwere des jeweiligen Delikts rechtfertigt."164

191
Hirsch/Jareborg wenden sich gegen die Spielraumtheorie, weil bei ihr "[…] Menschen, die vergleichbare Delikte begangen haben, sehr unterschiedlich bestraft werden können."165 192

"Der Weg aus dem Dilemma führt über die Anerkennung der wichtigen Unterscheidung zwischen der relativen und der absoluten Proportionalität oder – um einen Begriff aus der elementaren Mathematik zu entleihen – zwischen 'ordinaler' und 'kardinaler' Verhältnismäßigkeit."166

193
Hans-Ludwig Schreiber äubert zur Spielraumtheorie Folgendes: 194

"Die Grundthese der Spielraumtheorie, dass es eine Mehrzahl von gerechten Strafen für eine bestimmte Tat gibt, ist durchaus zweifelhaft. Sie kann durch nichts als durch die möglicherweise eben auch subjektiv zu begründende Unsicherheit des Richters, welche Strafe nun genau schuldangemessen sei, belegt werden. Die Grundannahme, auf der die Lösung der Antinomie der Strafzwecke in der Spielraumtheorie aufbaut, ist bisher nicht bewiesen. Die Spielraumtheorie kann keine Kriterien angeben, nach welchen die Schuldangemessenheit einer Strafe nachgeprüft werden kann. […]

195

Die Spielraumtheorie ist, so praktikabel sie für die Praxis erscheint, danach offenbar eine Strafkonzeption, die rational nicht aufgeht und eine Fülle von Widersprüchen und Brüchen enthält."167

196

2.5.2. Die Methode

Ein Kritikpunkt an der hegelianischen Denkweise zu den Straftheorien ist, dass viele ihrer Elemente schwierig zu begreifen sind. So zum Beispiel seine Aussage, dass der böse Wille durch die Strafe wieder aus der Welt geschafft werden kann,168 oder dass der Täter eigentlich seine eigene Bestrafung will.169 197
Udo Ebert geht noch viel weiter, indem er sagt: "Weder Kant noch Hegel haben in Wahrheit begründet, warum Vergeltung mittels Strafe gerecht ist, ja sie haben dies meines Erachtens noch nicht einmal zu begründen versucht."170 198
Diese Aussage beruht auf einem Missverständnis. Ich denke schon, dass Kant und auch Hegel versucht haben, ihre Theorien zu begründen. Die Frage, die Ebert eher hätte stellen sollen, ist, welche irrige Methode/Logik zu solchen vermeintlich verfehlten Ergebnisse führen kann. 199
Ein Einwand gegen die hegelsche Methode ist, dass es durch den fließenden dialektischen Prozess171 keine Maßstäbe gibt, mittels welcher bestehende Missverhältnisse korrigiert werden können. Das ist Positivismus, "[…] die Lehre, dass Macht Recht ist."172 200
Wenn es, abgesehen von 'der Idee', 'dem Geist', 'dem Absoluten' u.s.w., keine objektiven Maßstäbe gibt, werden Hegels und Berners Begriffe, wie etwa der der 'Gerechtigkeit', hohle Schalen ohne festen Kern, in die mittels Hegels eigener Methode unvermeidbar die verschiedensten und widersprüchlichsten Inhalte eingeschoben werden können.173 201
Hat man eine kritische Haltung Hegels Methode gegenüber, so muss man seinen Gedanken bis zu den Wurzeln folgen, und Ideen suchen, die Kraft haben, Hegel zu widerlegen.174 202
Die Frage ist dann, inwiefern die Inhalte der Hegelsche Straftheorie ohne eine haltbare Grundlage noch bestehen können, und inwiefern diejenigen, die den Vergeltungs- und Schuldgedanken befürworten, gezwungen sind, nach anderen Begründungen oder neuen Grundlagen zu suchen.175 203

"Rechtsphilosophen, die sich heute an Hegel nicht nur historisch bilden wollen, sondern sich auch sachliches Interesse an guten Argumenten der Interpretation klassischer strafrechtsphilosophischer Konzeptionen widmen, werden sich Hegel nur zuwenden, wenn sie nicht auf die weitreichenden Voraussetzungen der zudem nur schwer durchschaubaren spekulativen Logik Hegels verpflichtet werden. […] die Frage [ist,] inwieweit die Argumente und Ergebnisse der hegelschen Straftheorie von der spekulativen Begriffssystematik abgelöst und allein aufgrund ihrer internen Schlüssigkeit vertreten werden können."176

204

3. Ausblick

3.1. Die heutige Rechtslage

Die heutige Gesetzeslage und Rechtsprechung stellt einen Kompromiss zwischen relativen und absoluten Theorien dar, der sich in diversen Vereinigungstheorien niederschlägt. Der Streit um die Straftheorien manifestiert sich vor allem in den im Alternativentwurf des StGB vertretenen Gegenpositionen.177 Vereinigungstheorien dienen seit dem 19. Jahrhundert als Grundlage des geltenden Rechts.178 205
In der Strafzumessung hat Berners Spielraumtheorie ihren Niederschlag gefunden. Die Schuld ist die Grundlage der Strafzumessung, § 46 I 1 StGB, und hat Vorrang vor den spezialpräventiven Zwecke in § 46 I 2 StGB179. Generalpräventive Gesichtspunkte kommen in §§ 47 I, 56 III, 59 I 1 Nr. 3 StGB zum Ausdruck. 206
Dass das Strafgesetzbuch die Schuld des Täters zur Voraussetzung der Strafe und das Maß der Schuld zur Grundlage der Strafzumessung macht, beweist noch nicht den Vergeltungscharakter der Strafe. Ob die Strafe im objektiven Sinne vergelten, also Gerechtigkeit herstellen soll, lässt das Strafgesetzbuch vielmehr offen.180 207
Wenn man auf den Gesamtvorgang des Strafens sieht, gilt nach Udo Ebert die sogenannte Dreistufentheorie. Diese besagt, dass bei der gesetzlichen Androhung (§ 80 ff. StGB) generalpräventive Zwecke verfolgt werden, bei der Verhängung der Strafe ein gerechter Schuldausgleich (§ 46 I 1 StGB) angestrebt wird und beim Vollzug der Strafe den spezialpräventiven Zielen der Resozialisierung und der Sicherung der Vorrang gebührt (§ 2 Strafvollzugsgesetz).181 208

3.2. Entwicklungstendenzen

Nachdem am Ende des 19. Jahrhunderts deterministisches Gedankengut182 stetig größeren Einfluss gewann, konnte man eine allmähliche Schwächung des Vergeltungsstrafrechts erkennen sowie den Übergang zu einem durch spezialpräventive, bessernde und sichernde Maßregeln geprägten Strafrecht. Auch Deutschland war von dieser Entwicklung betroffen, wenn auch das Schuldprinzip nicht angetastet wurde.183 209
Die Behandlungsideologie, ein Produkt dieser Entwicklung, die bis zu den 70er Jahren in vielen Ländern vorherrschend war, ist von Strafrechtsphilosophen, Soziologen und Kriminologen stark angegriffen worden,184 und in Filmen wie Stanley Kubricks 'A Clockwork Orange' (1971) veranschaulicht. Der Soziologe Michel Foucault hat in diesem Zusammenhang großen Einfluss ausgeübt. Der Behandlungsvollzug verdinglichte die Delinquenten zu Forschungsobjekten, "[…] um dem verkommenen Individuum eine neue Form einzuprägen. Sein Vorgehen ist der Zwang einer totalen Erziehung: […]"185 210
Statt dieser Verdinglichung wird zunehmend wieder die Autonomie des Subjektes in den Mittelpunkt gestellt.186 Man hat eine Stärkung oder Rückkehr der Prinzipien Schuldausgleich und Generalprävention (im Sinne der Integrationsprävention187) als Rechtfertigung der Strafe, sowie Tatschwere und Proportionalität in der Strafzumessung feststellen können.188 Diese Rückkehr wird häufig als 'Neoklassizismus' bezeichnet.189 In diesem Zusammenhang sind die Theorien von einem klassischen Strafrechtler wie Albert Friedrich Berner wieder gefragt. 211

4. Schlusswort

Obwohl ich Ideen eines Hegelianers dargestellt habe, hoffe ich, mich nicht wie Hegel190 ausgedrückt zu haben. Die Schuld liegt im diesem Fall nicht bei Berner. Er schreibt flüssig, farbig und anschaulich, seiner methodischen 'Last' zum Trotz. 212
Beachtlich ist die Bedeutung, die Berner der Philosophie gibt. Das ist eine geschichtliche Antwort auf den Positivismus, der in den letzten 100 Jahren viele Juristen zu bloßen Rechtstechnikern reduziert hat. Der Jurist muss immer das positive Recht lernen. Aber, mit Berner, wo bleiben "der Fortschritt und die Wissenschaft, wenn jener Sinn der Dürftigkeit, der sich an den positiven Einzelheiten sättigt"191, überhand nimmt? Ohne eine philosophische Grundlage zu arbeiten, heißt in der Luft zu bauen, und die Wissenschaft ohne Grundlage zu betreiben.192 213
Der Geist Berners, der als letzter Satz im Schlubwort der letzten Auflage seines Lehrbuches geschrieben steht, sollte m.E. für jeden Juristen ein erstrebenswertes Ideal sein: 214

"Ein Richter, der sich der Autorität von Präjudicien unterwirft, statt aus dem eigenen Wissen und Gewissen zu entscheiden, sinkt nicht nur zu einem Automaten herab, sondern verliert mit der intellektuellen auch die moralische Unabhängigkeit, und wird politischen Einwirkungen zugänglich."193

215

5. Literatur- und Quellenverzeichnis

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6. Anhang

Anhang I

Zum Abschnitt 2.1.2 (Berners Methode) 216
”[…] es ist nachzuweisen, wie jede nachfolgende Theorie immer dadurch einen Fortschritt gegen die vorangehende bildet, dass sie dieselbe bei irgend einem Mangel ergreift und an diesem widerlegt, während sie selbst, die widerlegende wiederum von einer späteren als mangelhaft erkannt und somit gestürzt wird. Durch dieses negative Verhalten der auf einander folgenden Versuche wird jeder der vorangehenden zu einem vergangenen, zu einer flüchtig vorübereilenden Erscheinung, zu einem Phänomen. Zugleich verschafft uns diese Methode den überaus wichtigen Vortheil, dass wir nicht nöthig haben, jede Theorie in allen ihren Mängeln aufzudecken, - eine Art der Kritik, welche bei jeder andern Betrachtungsweise allein als gründlich und erschöpfend gelten könnte, die aber den grossen Nachtheil mit sich führt, dass man bei jeder neuen zu widerlegenden Theorie das schon an der vorigen Gerügte nicht selten wiederholden muss. Nach unserer Auffassung soll jede Theorie immer durch sich selbst die früherer widerlegen, ja eben durch diese Negativität soll die gedankenmässige Fortbewegung des Ganzen zu Stande kommen.”1
217

Anhang II

Zum Abschnitt 2.1.3 (Willenstheorie) 218
”Die beiden Momente der Besonderheit und Allgemeinheit, welche für sich allein nichtig sind, deshalb auch in ihrer Einseitigkeit nicht festgehalten werden dürfen, haben in dieser concreten Einheit erst ihre wahre Bedeutung gewonnen. Wer mit der philosphischen Methode nicht vertraut ist, kann hier leicht in Unklarheit verfallen. Um Jedem möglichst klar zu sein, wollen wir noch Folgendes andeuten. Wir unterscheiden in der philosophischen Methode 1) das Verständige, 2) das Dialektische, 3) das Vernünftige, Speculative. Der Verstand ist, um mit Fichte zu reden, das Vermögen, die Dinge zum Stehen zu bringen. Er kommt nur zu den Gegensätzen; diese hält er fest, macht sie starr, bringt sie zum Stehen. Er zerfetzt […] Der Verstand stellt auf diese Weise auch in unserem Falle das Allgemeine und besondere als zwei unvereinbare Dinge einander gegenüber […].Das Umschlagen der Momente in einander nennen wir Dialektik. Sie macht wieder flüssig und lebendig, was der auflösende Verstand anatomisch zerlegt, und in dieser Trennung fixirt hat. Wie sie einerseits den Verstand in sich selber herumdreht, sich negativ gegen ihn verhält: so bringt sie ihn andrerseits zur Vernunft. Das Vernünftige ist endlich das Zusammenfassen beider Momente zu einer energischen Einheit. 219
Die Abstraktion des Verstandes vermag es wohl, beide Momente des Willens als für sich bestehende auszusprechen; der Wille ist aber weder blos Allgemenheit, noch blos Besonderheit, sondern die untrennbare, sich selbst vermittelnde Identität beider, […]”2
220

Anhang III

Zum Abschnitt 2.5.1.1 – Hugo Hälschner 221
”Die Strafe [...] hat nur einen Zweck, und die Gerechtigkeit fordert nicht bloß, dass das Verbrechen gestraft werde sondern sie bestimmt auch das Maß der Strafe, das in allen Fällen durch das Maß der Schuld bedingt wird. Weil dieses in jedem concreten Falle ein individuell verschiedenes ist, kann es der Gesetzgeber nicht im voraus für alle Fälle absolut bestimmes, vielmehr bleibt es die Aufgabe des Richters es innerhalb der vom Gesetze gezogenen Grenzen festzustellen. Wie schwierig es aber auch sein mag in dieser Beziehung der Gerechtigkeit zu genügen, so kann es doch in jedem Falle nur ein hier entsprechendes Maß der Strafe geben. Die Gerechtigkeit kann von dem was sie fordert nicht irgend etwas in Rücksicht auf nützliche Zwecke nachlassen, […]". 222
”[…] Jeder Versuch über die Grenze dessen was die Gerechtigkeit fordert hinaus Rücksichten der Nützlichkeit und Zweckmäßigkeit geltend zu machen, ist eine Verletzung der Gerechtigkeit und entspringt immer dem Fehler, dass das Nützliche von irgend welchem beschränkten, einseitigen und darum unberechtigten Gesichtsbunkte aus geltend gemacht wird. Das menschenliche Wohl findet seine Verwirklichung im Rechte und durch das Recht freilich nur als allgemeines, und ein Widerspruch von Recht und Wohl kann nur darin seinen Grund haben, dass das Wohl als besonderes, individuelles im Widersprüche zum allgemeinen geltend gemacht wird. […]".3 223

Fußnoten Anhang:

1 Archiv des Criminalrechts, 1845, S. 146.

2 Imputationslehre, 1843, S. 7, f.

3 Hälschner: Deutsches Strafrecht, 1881, S. 565.


Fußnoten:

1 Vgl. Schröder: Entwürfe des Strafgesetzbuchs für das Königreich Württemberg, 1989, S. 10. Nach Ernst Ferdinand Klein (1743-1810) gehören die Fragen, welche die Natur und den Zweck der Strafe betreffen, zu den wichtigesten und schwierigsten, Klein: Texte zur Strafrechtstheorie der Neuzeit, 1993, S. 267.

2 Schröder: Entwürfe des Strafgesetzbuchs für das Königreich Württemberg, 1989, S. 24. Vgl. Ders., in: Die Bedeutung der Wörter S. 406.

3 Vgl. Vormbaum, Thomas: Texte zur Strafrechtstheorie der Neuzeit, Band I, S. 9. Berner war selbst ein engagierter Gegner der Todesstrafe, und trat dafür ein, dass diese Strafe allmählich abgeschafft wurde. Siehe Berner: Abschaffung der Todesstrafe, 1861.

4 Sulz: Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie, 1910, S. 4.

5 Engisch: Lebenswerk, 1952, S. 11.

6 Stinzing/Landsberg: Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, 1910, S. 383 und 668, ff. Monika Frommel diskutiert in ihrer Hablitationsschrift Präventionsmodelle, 1987, S. 163, f. diese These ausführlich, wo insbesonders Robert von Hippel sie bestreitet. Die These geht viel zu weit, laut von Hippel. So viele Hegelianer gab es nicht, und "insbesondere kann man unmöglich Vertreter des Vergeltungsgedanken deshalb als Hegelianer erklären." Von Hippel: Deutsches Strafrecht, 1. Bd., 1925, S. 310. Der Zeitzeuge Heinze: Handbuch des Deutschen Strafrechts, 1871, S. 290, kann am wenigsten bestätigen, dass die Straftheorie (Vergeltungstheorie) Hegels, ”gegenwärtig die in der deutschen Wissenschaft vorherrschende [ist]".

7 Stinzing/Landsberg: Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, 1910, S. 687.

8 In seinem Aufsatz Drei Strafrechtsbücher des 19. Jahrhunderts, in: Festchrift, 1949, bezeichnet Gustav Radbruch Berners Buch als eine ”…Übergangserscheinung von der ersten, noch philosophiebeherrscheten Hälfte zu der zweiten philosophielosen Hälfte des 19. Jahrhunderts. Feuerbach und Liszt dagegen sind die groben Exponenten eindeutiger Zeitströmungen …”

9 Siehe Berners Weiterentwicklung des hegelschen Handlungsbegriffes in seiner Habilationschrift Grundlinien der kriminalistischen Imputationslehre, 1843. Wie für Hegel ist für Berner Handlung und Zurechnung eins: ”…., Zurechnung bestehe in dem Urteil, dass eine wirkliche Handlung vorliege”, Imputationslehre, 1843, S. 41. Berühmt ist Berners Feststellung, "dass das Verbrechen Handlung ist. Alles, was man sonst noch vom Verbrechen aussagt, sind nur Prädikate, die man der Handlung, als dem Subjekt, beilegt. Der Begriff der Handlung muss daher das feste Knochengerüst sein, welches die Gliederung der Lehre vom Verbrechen bestimmt." Lehrbuch des deutschen Strafrechts, 1857, S. 108. Lars Jungemann schreibt in Carl Georg von Wächter, 1999, S. 147 mit Hinweis zu Gustav Radbruchs ’Der Handlungsbegriff in seiner Bedeutung für das Strafrechtssystem’, 1903, S. 95, dass Berner "der erste war, der der Handlung die herausragende Stellung im Strafrechtssytem einräumte, die sie bis heute inne hat." Claus Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. I, 1997, schreibt, dass "Berner meist als Begründer der neueren Handlungslehre angesehen" wird.

10 Bruns: Strafzumessungsrecht, 1974, S. 264, stellt fest, dass die Spielraumtheorie sich von Spendel über von Hippel bis auf Berner zurückverfolgen lässt.

11 Schreiber, ZStW, 1982, S. 289. Vgl. näher Bruns: Strafzumessungsrecht, 1974, S. 263, ff.

12 Vgl. Engisch: Lebenswerk, 1952, S. 51, f., mit Hinweisen zu Schmidt und Landsberg, die Berner genauso einschätzen.
12a Hinsichtlich Berners internationaler Entwicklung musste ich mich auf Alda berufen.

13 Gropp: Strafrecht Allgemeiner Teil, 2001, S. 29.

14 Gropp: Strafrecht Allgemeiner Teil, 2001, S. 29, f, zitiert Jescheck/Weigend, Schreiber und Manfred Seebode (ohne Angabe).

15 Jescheck/Ruß/Willms: Leipziger Kommentar, 1985, S. 13.

16 Plack: Abschaffung des Strafrechts, 1974, S. 7, sieht es so: ”Unverfälschtes Strafrecht ist allemal Vergeltung.” Gustav Radbruch zieht in die selbe Richtung, als er sagt, dass das Endziel aller Reformbemühungen etwas besseres ist als das Strafrecht, "nämlich eine rationale Behandlung des Rechtsbrechers im Sinne seiner Erziehung und der Sicherung der Gesellschaft." Radbruch: Der Mensch im Recht. 1957, S. 57.

17 Schmidhäuser, Eberhard: Vom Sinn der Strafe, Göttingen 1963, S. 40:"Denn Strafe ist schon dem Begriffe nach Vergeltung, [..]" Hippel, Robert von: Deutsches Strafrecht, zweiter Band, 1930, S. 286: "die Strafe [ist] ihrem Inhalt wie ihrem ersten grundlegenden Zwecke nach Vergeltung …" Gegen eine solche Auffassung von Strafe, Hart: Punishment and Responsibility, 1968, S. 4, ff. Er warnt davor, in die definitorische Falle der Vergeltungsanhänger zu gehen.

18 Nach Birkmeyer ist Rache eine Art Vergeltung (ablehnend: Ebert, Udo: Recht und Moral, 1991, S. 249, ff.), aber eine rohe und ungezügelte solche. Wenn ”der Staat sich der Vergeltung des Verbrechens bemächtigte … wurde die Rache zur Strafe”, siehe Birkmeyer: Texte zur Strafrechtstheorie der Neuzeit, Band II, 1993, S. 234. Nach Ebert: Geisteswissenschaften – wozu?, 1988, S. 38, ist Rache ”individuelle Aggression, [..] das impulsive Zurückschlagen aus persönlicher Betroffenheit. Nozick: Philosophical Explanations, 1982, S. 367 f., nennt den persönlichen und gefühlsmässigen Charakter der Rache als zwei Merkmale, die ihr von der (gerechten) Vergeltung unterscheidet.

19 Ebert: Geisteswissenschaften – Wozu? 1988, S. 38: ”Sühne, oft ganz zu Unrecht mit Vergeltung synonym gebraucht, bedeutet Versöhnung, und zwar in erster Linie Versöhnung des Täters mit sich selbst.” Plack: Abschaffung des Strafrecht, 1974, S. 93, meint dazu, dass in der Sühne steckt schon der Strafzweck der Besserung, so dass Sühne somit nicht mehr als ein absoluter Strafbegriff eingestuft werden kann.

20 Jescheck/Ruß/Willms: Leipziger Kommentar, 1985, S. 16.

21 Punitur, quia peccatum est – es wird gestraft, weil gesündigt worden ist. Diese Maxime wird von Platon und Seneca verworfen, siehe Seneca: Philosophische Schriften, Bd. 1, S. 141 mit weiteren Hinweisen auf Platon (siehe auch unten Fn. 23). In der Neuzeit ist Kant neben Hegel der prominenteste Vertreter dieser Maxime: "Richterliche Strafe [...] muss jederzeit nur darum wider ihn verhängt werden, weil er verbrochen hat; [...]" Kant: Metaphysik der Sitten, 1990, S. 192.

22 Plack in: Abschaffung des Strafrechts, 1974, S. 93, meint, dass es keine zweckfreien Strafgründe gibt, und dass die vermeintlich absoluten Theorien bloß "absolut gesetzte Rationalisierungen triebhafter Strafmotive" seien. "Tiefenpsychologisch betrachtet, gibt es nur relative Strafrechtstheorien …". So anscheinend auch Ebert, Udo: Recht und Moral, 1991, S. 256: "… das weit verbreitete Bewusstsein, Vergeltung sei gerecht, ist lediglich das Ergebnis eines auf Legitimationsbedürfnissen beruhenden Rationalisierungsprozesses."

23 Punitur, ne peccetur – es wird gestraft, damit nicht gesündigt werde. Platon legt Protagoras in folgender Weise aus, in: Platon: Protagoras, S. 207 (Rd. 324a): "Wer [..] mit Vernunft züchtigen will, der straft nicht des begangenen Unrechts wegen (denn das getane kann er ja doch nicht ungeschehen machen), sondern um des zukünftigen willen, damit dieser selbe Mensch nicht wiederum Unrecht tut und auch ein anderer nicht, nachdem er nämlich gesehen hat, wie dieser bestraft wurde." Vgl. Platon: Gesetze, S. 493 (Rd. 934).

24 Das Problem der ’Antinomie der Strafzwecke’, siehe Jescheck/Ruß/Willms: Leipziger Kommentar, 1985, Rdnr. 31, oder Ebert: Strafrecht Allgemeiner Teil, 2000, S. 235, ff.

25 Heinze: Handbuch des Deutschen Strafrechts, 1871, S. 302, ff., nannte diese Theorien gemischte Theorien.

26 Zum Begriffspaar Vergeltungs- vs. Schutzstrafrecht, siehe Birkmeyer: Texte zur Strafrechtstheorien der Neuzeit, 19. und 20. Jahrhundert, Band II, 1993, S. 234, ff. Schuldstrafrecht vs. Erfolgsstrafrecht: Dreher: Über die gerechte Strafe, 1947, S. 127.

27Eine wichtige Beobachtung macht aber Ebert, als er richtigerweise sagt, dass das Schuldprinzip nicht notwendig an das Vergeltungsprinzip gekoppelt werden muss: ”Nichts hindert den Strafgesetzgeber, auch eine nicht-vergeltende präventive Strafe an die Voraussetzung der Schuld zu binden sowie durch das Maß der Schuld zu begrenzen …” Ebert: Geisteswissenschaften – Wozu? 1988, S. 54.

28 Auf dieser Stufe des Strafsystems steuern und begrenzen im heutigen deutschen Recht Prinzipien wie die Rechtsgutlehre, das Geringfügigkeitsprinzip und das Subsidiaritätsprinzip die Funktion und den Charakter des Strafrechts, vgl. Ebert: Strafrecht Allgemeiner Teil, 2000, S. 1, ff.

29 Berner gewährt dem Strafvollzug in seinem Lehrbuch für seine Zeit ungewöhnlich viel Raum, siehe Radbruch: Festschrift, 1949, S. 17.

30 Einer der ersten Rechtsphilosophen, der identifiziert hat, wie leicht Diskussion über Straftheorien zu Missverständnisse und Schattenboxen führen, ist Hart: Punishment and Responsibility, 1968, S. 3, ff. Nils Jareborg meint, dass Diskussionen über die Rechtfertigung und Zweck der Strafe sehr oft von Leichtsinn oder Kenntnisarmut über die Komplexität der Problematik geprägt sind. Man übersieht, dass die vielen Vorschläge, die in Debatten präsentiert werden, sich nicht immer gegen dasselbe Problem richten, Jareborg: Straffrettsideologiska Fragment, 1992, S. 135.

31 Aber wie ist überhaupt der Begriff Strafrecht entstanden, ohne dass die philosophischen Fragen zuerst gestellt wurden: was ist rechtens? Was ist Strafe, und was ist die Legitimation von Strafe? Der Rechtsbegriff selbst wäre nicht entstanden, ohne eine Idee über gutes und schützbedürftiges Verhalten. Eine moralische Stellungnahme zur Praxis der Strafe, in oder außerhalb des Staates, scheint daher unausweichlich.

32 Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, 1997, S. 43. Hart: Punishment and Responsibility, 1968, S. 3, ff., befürwortet eine zweispurige Rechtfertigung der Strafe. Er unterscheidet zwischen dem generellen Zweck der Strafe (general justifying aim) und Prinzipien der Strafzumessung (distribution). Gegen diese Sichtweise David Hoekema, weil sie der zentralen Frage ausweiche: ”Es hat keinen Sinn, einen generellen Zweck für eine Institution anzubieten, wenn die angebotenen Gründe für deren Verwirklichung unzureichend sind” (Übersetzung des Verf.) Hoekema: Rights and Wrongs, 1986, S. 133.

33 "Vedergällningsteorier har det inte lätt när de åberopas på kriminaliseringsplanet" - Vergeltungstheorien haben es nicht leicht, wenn auf dem Kriminalisierungsniveau argumentiert wird. (Übersetzung des Verf.), Jareborg: Straffrettsideologiska Fragment, 1992, S. 138.

34 Gropp: Strafrecht Allgemeiner Teil, 2001, S. 30.

35 Nach Dreher: Über die gerechte Strafe, 1947, S. 9, sollte kein Zweifel bestehen, "dass im Mittelpunkte des Strafrechtes und aller strafrechtlichen Betrachtung die Strafe selber, ihr Wesen, ihr Begriff und ihre Voraussetzungen stehen müssen."

36 Berner nahm an dem Konfirmantenunterricht von Schleiermacher teil, und zufolge Alda: Berner, 1960, S. 3, ”folgte [Berner] später [Schleiermacher] nicht nur in den Lehren der Ethik, sondern auch in dem antirevolutionären Liberalismus seiner politischen Grundsätze.”

37 Engisch: Lebenswerk, 1952, S. 14.

38 Stintzing/Landsberg: Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Fubnote 1, S. 293.

39 Kahl: Vossischen Zeitung, 1907.

40 Alda, Berner, 1960, S. 6 f.

41 Dt. Juristentag, I. Bd., 1876, S. 119, f.

42 Kahl: Vossischen Zeitung, 1907. So auch Stinzing/Landsberg: Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft , Fubnote 18, S. 295, wo James Goldschmidt ihn in einem Brief über mündliche Mitteilungen Berners berichtet, welchen Einfluss der Franzosen, vor allem Rossi und Ortolan, auf seine wissenschaftliche Entwicklung gehabt hatten.

43 Archiv für Preußisches Strafrecht, III. Bd., 1854, S. 489.

44 Vgl. Alda: Berner, 1960, S. 15, mit Zitat von Berner.

45 Stinzing/Landsberg: Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, 1910, S. 685.

46 Goldschmidt: Deutsche Juristen-Zeitung, 1907, S. 171.

47 Martinsen: Filosofi, 1991, S. 111.

48 Vgl. Naucke: Rechtsphilosophische Grundbegriffe, 2000, S. 79.

49 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse, 1991, S. 67.

50 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse, 1991, S. 85.

51 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse, 1991, S. 81.

52 Siehe Engisch: Lebenswerk, 1952, S. 2, f. Berühmt ist Hegels Aphorismus 'Das Wahre ist das Ganze.'

53 Dialektik im hegelschen Sinne: ”Arbeitsmethode, die ihre Ausgangsposition durch gegensätzliche Behautpungen (à These und à Antithese) in Frage stellt und in der à Synthese beider Positionen eine Erkenntnis höherer Art zu gewinnen sucht.” DUDEN, Das Fremdwörterbuch, 1982.

54 Phänomenologie im hegelschen Sinne: ”Wissenschaft von den sich dialektisch entwickelnden Erscheinungen der Gestalten des [absoluten] Geistes und Wissenschaft des Bewußtseins.” DUDEN, Das Fremdwörterbuch, 1982.

55 Vgl. Engisch: Lebenswerk, 1952, S. 3, f.

56 Vgl. Heinze: Handbuch des Deutschen Strafrechts, 1871, S. 287.

57 Mayer: Festschrift für Karl Engisch, 1969, S. 74, f.

58 Archiv des Criminalrechts, 1845, S. 144-171.

59 Archiv des Criminalrechts, 1845, S. 144, f.

60 Archiv des Criminalrechts, 1845, S. 146.

61 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 3.

62 Archiv des Criminalrechts, 1845, S. 159.

63 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 21.

64 Hirsch: ZStW 106, 1994, S. 751.

65 Imputationslehre, 1843, S. 11.

66 Imputationslehre, 1843, S. 11, f.

67 Siehe Sulz: Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie, 1910, S. 55.

68 Imputationslehre, 1843, S. 12, f.

69 'Wie kommt es, dass Adolf Merkel im Strafrecht den Determinismus vertritt?'

70 Festgabe für Heinrich Dernburg, 1900, S. 176.

71 Festgabe für Heinrich Dernburg, 1900, S. 177.

72 Festgabe für Heinrich Dernburg, 1900, S. 182.

73 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 4.

74 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 4.

75 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 4, f.

76 Dies ist, was Carl Georg von Wächter in der Beilage 2 in Beilagen zu Vorlesungen, 1877, S. 5, ff. ”das philosophische oder natürliche Strafrecht” nennt.

77 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 2. Auflage, 1963, S. 5, f.

78 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 7.

79 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 9.

80 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 10.

81 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 11. Möglicherweise würde Berner heute das Strafniveau von Drogendelikten drakonisch bezeichnen. Ich eile hinzuzufügen, das dazu nicht nur die Theorie des psychologischen Zwanges beigetragen hat.

82 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 14.

83 Archiv des Criminalrechts, 1845, S. 150.

84 Archiv des Criminalrechts, 1845, S. 158.

85 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 14.

86 Archiv des Criminalrechts, 1845, S. 158.

87 Informativ über Vertragsmetaphern zur Legitimation des Strafens im 18. Jahrhundert, Seelmann: Die Bedeutung der Wörter, 1991, S. 441, ff.

88 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 2. Auflage, 1857, S. 15.

89 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 15.

90 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 2. Auflage, 1857, S. 16.

91 Aufschlubreich betreffend 'The criminals right to punishment': Tamburrini: Crime and Punishment? 1992, S. 178, ff.

92 Dies ist ein Gesetz oder die formelle Vernünftigkeit jeder Handlung, siehe Mohr: Grundlinien, 1997, S. 115., vgl. Hegel: Philosophie des Rechts, 1982, § 100.

93 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 19.

94 Dies ist Berners Auslegung der hegelsche Theorie. Laut Ebert: Geisteswissenschaften – wozu? 1988, S. 45, f. ist Strafe bei Hegel nicht Vergeltung. Genauso Mayer: Festschrift, 1969, S. 77, f. mit Zitat von Hegel: "Manifistation ist nicht Vergeltung, welche Hegel als Strafgrund ausdrücklich ablehnt: '[...] so kann man es freilich als unvernünftig ansehen, ein Übel blob deswegen zu wollen, weil schon ein anderes Übel vorhanden ist.'" Mayers Hegelzitat in: Hegel: Philosophie des Rechts, 1981, § 99 (Anm.).

95 Gute Erörterung zu Hegels Maxime 'Punishment annuls crime': Tamburrini: Crime and Punishment? 1992, S. 183, ff.

96 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 2. Auflage, 1857, S. 20, f., vgl. Hegel: Philosophie des Rechts, § 101.

97 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 2. Auflage, 1857, S. 21.

98 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 21, f.

99 Siehe Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 2. Auflage, 1863, S. 22, f.

100 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 2. Auflage, 1863, S. 23.

101 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 2. Auflage, 1863, S. 23.

102 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 2. Auflage, 1863, S. 28.

103 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 2. Auflage, 1863, S. 28.

104 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 27.

105 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 2. Auflage, 1863, S. 28, f.

106 Nach Sulz: Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie, 1910, S. 51., definiert Berner das Verbrechen als diejenige Art unsittlicher Handlungen, in denen ein Einzelwillen sich gegen den Allgemeinwillen auflehnt, indem er entweder ein öffentliches oder privates Recht, oder Religion und Sitte angreift, in letzteren beiden Fällen jedoch nur soweit sie vom Staat seiner eigenen Erhaltung wegen sanktioniert sind. Siehe Über den Begriff des Verbrechens, in: Archiv des Criminalrechts, 1849.

107 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 175.

108 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 21.

109 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1863, S. 29.

110 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1863, S. 29.

111 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 29

112 Aristoteles: Die Nikomachische Ethik, 2000, BuchV, Kapitel 4-9.

113 Vgl. Dreier: JuS, 1996, S. 580.

114 Archiv des Criminalrechts, 1845, S. 161, f.

115 Ein guter Überblick über verschiedene Gerechtigkeitstheorien gibt Ralf Dreier: JuS, 1996, S. 581. Entgegen der Auffassung von Strafe als ausgleichender Gerechtigkeit legen die Vertreter der Zwecktheorien das Konzept der verteilenden Gerechtigkeit (iustitia distributiva) ihrer Strafbegründung zugrunde. Näher hierzu Radbruch: Texte zur Strafrechtstheorie der Neutzeit: Band II, S. 248, f, und Coing: Rechtsphilosophie, 1993, S. 196.

116 Radbruch: Festschrift, 1949, S. 16.

117 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1898, S. IX.

118 Die Bibel, 1999, 3. Buch Mose, 24, 20. Der Grundsatz, der heute besonders hart erscheint, stellt sich in seinem historischen Zusammenhang, z.B. im Vergleich zu das Prinzip im 1. Buch Mose 4, 24: ”Kain soll siebenmal gerächt werden, aber Lamech siebenundsiebzigmal” als fortschrittliche Beschränkung der mablosen Rachepraxis, Ambos/Steiner: JuS, 2001, S. 10.

119 Ebert, Udo: Recht und Moral, 1991, S. 249. Ebert hält aber die geläufige Auffassung, welche die Talion als Urform der Vergeltung in die Vergeltungsgeschichte einordnet, für falsch. ”Die Talion hat ihren eigenen Ursprung und ihre eigene Natur, unabhängig von der Vergeltung”, ebd. S. 259.

120 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1863, S. 29. Weiterführend hierzu: Ebert, Udo: Recht und Moral, 1991, S. 253, ff., meint die Talion ”zu eklatanten Ungerechtigkeiten … ja, zu grotesken Mißverhältnissen zwischen Strafe und Tat” führt.

121 Abegg: Die verschiedenen Strafrechtstheorien, 1835, S. 58, f., siehe auch Birkmeyer: Texte zur Strafrechtstheorie des 19. und 20. Jahrhundert, Band II, S. 238, f.

122 Archiv des Criminalrechts, 1845, S. 160.

123 Archiv des Criminalrechts, 1845, S. 161, f.

124 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 30. Andrew Von Hirsch und Nils Jareborg, die das Proportionalitätsprinzip als steuernde Prinzip in der Strafzumessung unterstützen, hat in Principled Sentencing, 1992, S. 220, ff., mit dem Aufsatz Gauging Criminal Harm: A Living-Standard Analysis mit dem Ausdruck ’Lebensstandard’, der sowohl nicht-ökonomisches als auch ökonomisches Wohlergehen umfasst (im Sinne von und angeeignet von Amartya Sen’s Essay: The Standard of Living, Cambridge, 1987), als standardisierten Strafmaßstab empfohlen, wo eine Reihe von Interessen bewertet und verglichen werden.

125 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 175. Berner zitiert in der Fußnote Montesquieu (ohne Angabe): 'Acht Tage Gefängnis oder eine leichte Geldstrafe treffen den Geist eines in einem milden Lande aufgewachsenen Europäers eben so stark, als der Verlust eines Armes einen Asiaten einschüchtert.' Hälschner: Deutsches Strafrecht, 1881, S 569, schreibt die ”Werthbestimmung ist von den historisch gegebenen Culturzuständen abhängig. Sie bedingen den Werth den der Mensch den Rechtlichen Gütern beilegt …., und wie grob erscheint die Verschiedenheit dieser Werthschätzung, wenn wir mit dem rohen Naturmenschen der nur dem körperlichen Schmerze zugänglich ist und selbst dem Tode mit stumpfsinniger Gleichgiltigkeit entgegen geht, den Culturmenschen vergleichen, der, weil er die Ehre verlor, das Leben nicht glaubt ertragen zu können.”

126 Für Berner geschieht also die Genugtuung auch einem ’allgemeinen Willen’ zuliebe. Weil der allgemeine Wille im hegelschen Denken der wahrhafte Wille jedes einzelnen ist, und mithin auch der des Verbrechers, bewirkt die Genugtuung auch die Beruhigung seines Gewissens, siehe Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 176, Fubnote 1. Von Genugtuung hört man heute meist in Verbindung mit Schmerzensgeldansansprüchen nach § 847 BGB, eine Genugtuung, die allein dem Verletzen zuliebe geschieht.

127 Siehe Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 30 und 176.

128 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 30.

129 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 176.

130 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 177.

131 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 31.

132 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 14.

133 Archiv des Criminalrechts, 1845, S. 149.

134 Radbruch: Festschrift, 1949, S. 16.

135 Dreher: Über die Gerechte Strafe, 1947, S. 127, meint diese verschiedenen Gedanken schlieben einander wesensmäbig aus.

136 Vgl. Sulz: Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie, 1910, S. 58.

137 Archiv des Criminalrechts, 1845, S. 166.

138 Engisch: Lebenswerk, 1952, S. 48, f.

139 Engisch: Lebenswerk, 1952, S. 50.

140 Archiv des Criminalrechts, 1845, S. 168, f.

141 Verweis auf Aristoteles, siehe die Nikomachische Ethik, 2000, Buch II, Kapitel 5-9.

142 Zur Vertiefung: Aristoteles: Die Nikomachische Ethik, 2000, Buch V, Kapitel 9: ’… das gerechte Handeln ist die Mitte zwischen dem Unrechttun und dem Unrechtleiden. Denn das eine ist ein Zuviel, das andere ein Zuwenig. Die Gerechtigkeit ist also eine Mitte, freilich nicht auf dieselbe Art wie die übrigen Tugenden, sondern weil sie die Mitte schafft. Die Ungerechtigkeit dagegen schafft die Extreme.’

143 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 32, f.

144 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1898, S. 8.

145 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 31.

146 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 177.

147 Archiv des Criminalrechts, 1845, S. 170.

148 Archiv des Criminalrechts, 1845, S. 171.

149 Zitiert in: Bruns: Strafzumessungsrecht, 1974, S.265.

150 Bruns: Festschrift für Hans Welzel, 1974, S. 745.

151 Siehe Bruns: Strafzumessungsrecht, 1974, S. 267, ff. mit Hinweise zur Rechtssprechung des BGH.

152 Z.B. Schünemann: Neuere Tendenzen der Kriminalpolitik, 1987, S. 209-238.

153 Jagusch, Heinrich, in: Strafgesetzbuch, Leipziger Kommentar, 8. Aufl. 1957, S. 97, ff.

154 Ebd. Zitiert in: Bruns: Strafzumessungsrecht, 1974, S. 271.

155 Heinze: Handbuch des Deutschen Strafrechts, 1871, S. 76.

156 Siehe Wächter: Beilagen zu Vorlesungen, 1877, S. 46, ff., insb. S. 52.

157 Wächter: Deutsches Strafrecht: Vorlesungen, 1997, S. 18.

158 Wächter: Deutsches Strafrecht: Vorlesungen, 1997, S. 18.

159 Wächter: Beilagen zu Vorlesungen, 1877, S. 38, f.

160 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 7.

161 Wächter: Beilagen zu Vorlesungen, 1877, S. 38, f.

162 Wächter: Deutsches Strafrecht: Vorlesungen, 1997, S. 19.

163 Hälschner: Deutsches Strafrecht: 1881, S. 565.

164 Jareborg/Hirsch: Neuere Tendenzen der Kriminalpolitik, 1987, S.50.

165 Jareborg/Hirsch: Neuere Tendenzen der Kriminalpolitik, 1987, S. 59.

166 Die relative Proportionalität betrifft die Frage, wie Straftaten im Vergleich zueinander bestraft werden sollten. Die absolute Proportionalität betrifft die Frage der Ausdehnung und den Anfangspunkt einer Strafskala, siehe Hirsch/Jareborg: Strafmaß und Strafgerechtigkeit, 1992, S. 60, ff.

167 Schreiber: ZStW 94, 1982, S. 290.

168 Urs Kindhäuser nennt diese Wegschaffung "rätselhaft", ZStW 107, 1995, S. 730, zitiert in: Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, 1997, S. 44.

169 "Eine Behauptung, welche die Autoren kaum verstehen." Hirsch/Jareborg: Strafmaß und Strafgerechtigkeit, 1992, S. 18. Ulrich Klug hat genauso große Schwierigkeiten mit vielen der Hegelschen Allegorien, siehe Klug: Texte zur Strafrechtsgeschichte der Neuzeit, Band II, 1993, S. 178, f.

170 Ebert, Geisteswissenschaften – Wozu? 1988, S. 44.

171 ”In der Welt Hegels ist, wie bei Heraklit, alles im Flub.” Popper: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, 1992, S.45.

172 Popper: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, 1992, S. 50.

173 ”….Da Widersprüche die Mittel sind, duch die die Wissenschaft fortschreitet, so zieht er den Schluß, dass Widersprüche nicht nur zulässig und unvermeidlich, sondern auch in hohem Grade erwünscht seien. Das ist eine Lehre, die jedes Argument und jeden Fortschritt zerstören muss. …” Popper: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, 1992, S. 49.

174 Meine Empfehlung ist, mit der aristotelischen Logik - eine Logik die auf einer axiomatischen Akzeptanz von Sinneswahrnehmungen beruht – zu beginnen, wo das Identitätgesetz und seine Korollare beachtet werden, vgl. z.B. Aristoteles’ Aussage,”… dass nämlich dasselbe demselben und in derselben Beziehung … unmöglich zugleich zukommen und nicht zukommen kann. … Es ist nämlich unmöglich, dass jemand annehme, dasselbe sei und sei nicht.” Aristoteles: Metaphysik: 1989, Buch IV, Kapitel 3.

175 Siehe z.B. den Untersuchungen über den Schuldbegriff in der englischsprachigen analytischen Philosophie, Hirsch/Jareborg: Strafmaß und Strafgerechtigkeit, 1992, S. 5, f.

176 Mohr: Grundlinien, 1997 S.122, f.

177 Bruns: ZStW, 1982, S. 119.

178 Schon das Reichsstrafgesetzbuch von 1871 folgte der Maxime ’Generalprävention durch gerechte Vergeltung’, Jescheck/Ruß/Willms: Leipziger Kommentar, 1985, S. 17, f. Diese Devise wurde auch früher in der Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts vertreten, wenn auch nicht immer explizit. Vgl. Schröder: Die Bedeutung der Wörter, 1991, S. 410, ff.

179 Jescheck/Rub/Willms: Leipziger Kommentar, 1985, Rdnr. 33.

180 Ebert: Geisteswissenschaften – Wozu? 1988, S. 55.

181 Siehe Ebert: Strafrecht Allgemeiner Teil, 2000, S. 235 ff. Zur Dreistufentheorie auch Schreiber, ZStW, 1982, S. 285, f.

182 Verschiedene soziale, psychologische und biologische Theorien wurden angeboten als Erklärungsmodelle für zunehmende Kriminalität, Stichwörter: Sozialdarwinismus, die italienische und die französische Schule, Sigmund Freud, Emile Durkheim, u.s.w., siehe Hauge: Straffens Begrunnelser, 1996, S. 177, ff. Vgl. Rüping: Grundriß, 1981, S. 88.

183 Statt früher, die Frage von Schuld mit Vergeltungstheorien zu verbinden, wurde die deutsche Lehre gezwungen, ”Schuld in Präventiven Begriffsstrukturen neu zu interpretieren”, siehe Hirsch/Jareborg: Strafmaß und Gerechtigkeit, 1992, S. 6.

184 ”Der Anspruch, der Behandlungsvollzug diene nicht der Bestrafung, sondern dem wohlverstandenen eigenen Interesse des Gefangenen, wurde als ’noble Lüge’ entlarvt …” Weigend: ZStW 94, 1982, S. 811, mit Hinweise.

185 Foucault: Überwachen und Strafen, 1994, S. 302.

186 Weigend: ZStW 94, 1982, S. 804.

187 Integrationsprävention zielt auf den Vertrauens- und Befriedigungseffekt, der sich ergibt, wenn der Bürger sieht, dass das Recht sich durchsetzt, Roxin: Strafrecht Allgemeiner Teil, 1997, S. 51. Siehe dazu auch Schreiber: ZStW, 1982, S. 293, mit weiteren Hinweisen.

188 Hirsch/Jareborg: Strafmaß und Strafgerechtigkeit, 1992, S.4, ff.

189 Hirsch/Jareborg, zwei prominente Vertreter des Neoklassizismus, meinen, dass der Begriff in mehrfacher Hinsicht irreführend ist: ”Erstens läßt er vermuten, daß eine identifizierbare ”klassizistische” Strafethik existiert hat. Dem ist jedoch nicht so. Verschiedene Autoren des 18. und 19. Jhdts. befürworteten Proportionalität der Strafe aus recht unterschiedlichen Gründen: Bentham, Beccaria und Feuerbach machten primär präventive Gründe geltend; Autoren wie Binding stützten sich auf deontologische Überlegungen, die aus der kantianischen oder hegelianischen philosophischen Tradtion abgeleitet waren. Zweitens wird dadurch der Eindruck erweckt, die neue proportionlistische Philosophie stelle eine Wiederaufnahme früherer Ideen dar, was überhaupt nicht der Fall ist. Wie der Leser [von Hirschs/Jareborgs Buch] sehen wird, basiert der hier aufgestellte zentrale Anspruch, dass Proportionalität des Strafens ein Erfordernis der Gerechtigkeit, nicht bloß präventiver Wirksamkeit darstellt, auf Gedanken des Unwerturteils der anglo-amerikanischen analytischen Moralphilosophie, und nicht auf traditionellen (z.B. hegelianischen) Gedanken der Vergeltung. (..) Drittens wurde der Begriff ”Neoklassizismus” oft in die Nähe von Vorschlägen gerückt, denen darum zu tun ist, dem richterlichen Ermessen durch Sanktionsskalen enge Grenzen zu stecken. Die hier vertretene proportionalistische Ethik ist nicht notwendigerweise mit solchen ermessensrestringierenden Vorschlägen verbunden." Von Hirsch/Jareborg: Strafmaß und Strafgerechtigkeit, 1991, Fußnote 16.

190 Der scharfe Hegelkritiker Karl Popper hat Hegel vorgeworfen, die deutsche Sprache verschmutzt zu haben, was zu einer Tradition geführt habe, "die Dinge hegelianisch auszudrücken". Popper: im Gespräch über Politik Physik und Philosophie, 1992, S. 93, f.

191 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. V.

192 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1857, S. 3.

193 Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, 1898, S. 732.

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Diese Seite ist vom 16. April 2002